Die Kleidung von Seide erkennet man auf alten Gemälden an der verschiedenen Farbe auf eben demseben Gewande, welches man eine sich ändernde Farbe (Colore cangiante) nennet, wie dieses deutlich auf der sogenannten Aldrovandinischen Hochzeit, und an den Copien von an- dern in Rom gefundenen und vernichteten Gemälden, welche der Herr Cardinal Alexander Albani besitzet, zu sehen ist; noch häufiger aber auf vielen Herculanischen Gemälden erscheinet, wie in dem Verzeichnisse und in der Beschreibung derselben an einigen Orten angemerket worden 1). Diese verschiedene Farbe auf den Gewändern verursachet die glatte Fläche der Seide und der krelle Widerschein, und diese Wirkung macht weder Tuch, noch Baumwolle, aus Ursache des wolligten Fadens und der rauchli- chen Fläche. Dieses will Philostratus anzeigen, wenn er von dem Man- tel des Amphion saget, daß derselbe nicht von einer Farbe gewesen, son- dern sich geändert 2). Daß das Griechische Frauenzimmer in den besten Zeiten von Griechenland, seidene Kleider getragen, ist aus Schriften nicht bekannt; aber wir sehen es in den Werken ihrer Künstler, unter wel- chen vier zuletzt im Herculano entdeckte Gemälde, welche unten beschrie- ben sind, vor der Kaiser Zeiten gemalt seyn können: man könnte sagen, es hätten die Maler ein seidenes Gewand gehabt, ihre Modelle damit zu bekleiden. In Rom wußte man bis unter den Kaisern nichts von dieser Tracht; da aber die Pracht einriß, ließ man seidene Zeuge aus Indien kommen, und es kleideten sich auch Männer in Seide 3), worüber unter dem Tiberius ein Verboth gemacht wurde. Eine besondere sich ändernde Farbe sieht man auf vielen Gewändern alter Gemälde, nemlich roth und violet, oder Himmelblau zugleich, oder roth in den Tiefen, und grün auf den Höhen, oder violet in den Tiefen, und gelb auf den Höhen; welches ebenfalls seidene Zeuge andeutet, aber solche, an welchen der Faden
des
1)Bayardi Catal. Ercol. p. 47. n. 244. p. 117. n. 593. Pilt. Ercol. T. 2. tav. 5. p. 27.
2)Icon. L. 1. n. 10. p. 779.
3)Tacit. Annal. L. 2. c. 33.
I Theil. Viertes Capitel.
c Aus Seide.
Die Kleidung von Seide erkennet man auf alten Gemaͤlden an der verſchiedenen Farbe auf eben demſeben Gewande, welches man eine ſich aͤndernde Farbe (Colore cangiante) nennet, wie dieſes deutlich auf der ſogenannten Aldrovandiniſchen Hochzeit, und an den Copien von an- dern in Rom gefundenen und vernichteten Gemaͤlden, welche der Herr Cardinal Alexander Albani beſitzet, zu ſehen iſt; noch haͤufiger aber auf vielen Herculaniſchen Gemaͤlden erſcheinet, wie in dem Verzeichniſſe und in der Beſchreibung derſelben an einigen Orten angemerket worden 1). Dieſe verſchiedene Farbe auf den Gewaͤndern verurſachet die glatte Flaͤche der Seide und der krelle Widerſchein, und dieſe Wirkung macht weder Tuch, noch Baumwolle, aus Urſache des wolligten Fadens und der rauchli- chen Flaͤche. Dieſes will Philoſtratus anzeigen, wenn er von dem Man- tel des Amphion ſaget, daß derſelbe nicht von einer Farbe geweſen, ſon- dern ſich geaͤndert 2). Daß das Griechiſche Frauenzimmer in den beſten Zeiten von Griechenland, ſeidene Kleider getragen, iſt aus Schriften nicht bekannt; aber wir ſehen es in den Werken ihrer Kuͤnſtler, unter wel- chen vier zuletzt im Herculano entdeckte Gemaͤlde, welche unten beſchrie- ben ſind, vor der Kaiſer Zeiten gemalt ſeyn koͤnnen: man koͤnnte ſagen, es haͤtten die Maler ein ſeidenes Gewand gehabt, ihre Modelle damit zu bekleiden. In Rom wußte man bis unter den Kaiſern nichts von dieſer Tracht; da aber die Pracht einriß, ließ man ſeidene Zeuge aus Indien kommen, und es kleideten ſich auch Maͤnner in Seide 3), woruͤber unter dem Tiberius ein Verboth gemacht wurde. Eine beſondere ſich aͤndernde Farbe ſieht man auf vielen Gewaͤndern alter Gemaͤlde, nemlich roth und violet, oder Himmelblau zugleich, oder roth in den Tiefen, und gruͤn auf den Hoͤhen, oder violet in den Tiefen, und gelb auf den Hoͤhen; welches ebenfalls ſeidene Zeuge andeutet, aber ſolche, an welchen der Faden
des
1)Bayardi Catal. Ercol. p. 47. n. 244. p. 117. n. 593. Pilt. Ercol. T. 2. tav. 5. p. 27.
2)Icon. L. 1. n. 10. p. 779.
3)Tacit. Annal. L. 2. c. 33.
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I Theil. Viertes Capitel.
Die Kleidung von Seide erkennet man auf alten Gemaͤlden an der
verſchiedenen Farbe auf eben demſeben Gewande, welches man eine ſich
aͤndernde Farbe (Colore cangiante) nennet, wie dieſes deutlich auf
der ſogenannten Aldrovandiniſchen Hochzeit, und an den Copien von an-
dern in Rom gefundenen und vernichteten Gemaͤlden, welche der Herr
Cardinal Alexander Albani beſitzet, zu ſehen iſt; noch haͤufiger aber auf
vielen Herculaniſchen Gemaͤlden erſcheinet, wie in dem Verzeichniſſe und
in der Beſchreibung derſelben an einigen Orten angemerket worden 1).
Dieſe verſchiedene Farbe auf den Gewaͤndern verurſachet die glatte Flaͤche
der Seide und der krelle Widerſchein, und dieſe Wirkung macht weder
Tuch, noch Baumwolle, aus Urſache des wolligten Fadens und der rauchli-
chen Flaͤche. Dieſes will Philoſtratus anzeigen, wenn er von dem Man-
tel des Amphion ſaget, daß derſelbe nicht von einer Farbe geweſen, ſon-
dern ſich geaͤndert 2). Daß das Griechiſche Frauenzimmer in den beſten
Zeiten von Griechenland, ſeidene Kleider getragen, iſt aus Schriften
nicht bekannt; aber wir ſehen es in den Werken ihrer Kuͤnſtler, unter wel-
chen vier zuletzt im Herculano entdeckte Gemaͤlde, welche unten beſchrie-
ben ſind, vor der Kaiſer Zeiten gemalt ſeyn koͤnnen: man koͤnnte ſagen,
es haͤtten die Maler ein ſeidenes Gewand gehabt, ihre Modelle damit zu
bekleiden. In Rom wußte man bis unter den Kaiſern nichts von dieſer
Tracht; da aber die Pracht einriß, ließ man ſeidene Zeuge aus Indien
kommen, und es kleideten ſich auch Maͤnner in Seide 3), woruͤber unter
dem Tiberius ein Verboth gemacht wurde. Eine beſondere ſich aͤndernde
Farbe ſieht man auf vielen Gewaͤndern alter Gemaͤlde, nemlich roth
und violet, oder Himmelblau zugleich, oder roth in den Tiefen, und gruͤn
auf den Hoͤhen, oder violet in den Tiefen, und gelb auf den Hoͤhen;
welches ebenfalls ſeidene Zeuge andeutet, aber ſolche, an welchen der Faden
des
1) Bayardi Catal. Ercol. p. 47. n. 244. p. 117. n. 593. Pilt. Ercol. T. 2. tav. 5. p. 27.
2) Icon. L. 1. n. 10. p. 779.
3) Tacit. Annal. L. 2. c. 33.
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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/242>, abgerufen am 16.07.2024.
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