Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.Von der Kunst unter den Griechen. Dieser schöne Stil der Griechischen Kunst hat noch eine geraume Da nun die Verhältnisse und die Formen der Schönheit von denIV. den G g 2
Von der Kunſt unter den Griechen. Dieſer ſchoͤne Stil der Griechiſchen Kunſt hat noch eine geraume Da nun die Verhaͤltniſſe und die Formen der Schoͤnheit von denIV. den G g 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0285" n="235"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von der Kunſt unter den Griechen.</hi> </fw><lb/> <p>Dieſer ſchoͤne Stil der Griechiſchen Kunſt hat noch eine geraume<lb/> Zeit nach Alexander dem Großen in verſchiedenen Kuͤnſtlern, die bekannt<lb/> ſind, gebluͤhet, und man kann dieſes auch aus Werken in Marmor, welche<lb/> im zweyten Theile angefuͤhret werden, ingleichen aus Muͤnzen, ſchließen.</p><lb/> <p>Da nun die Verhaͤltniſſe und die Formen der Schoͤnheit von den<note place="right"><hi rendition="#aq">IV.</hi><lb/> Der Stil der<lb/> Nachahmer,<lb/> und die Abnah-<lb/> me und Fall<lb/> der Kunſt,<lb/> angefangen</note><lb/> Kuͤnſtlern des Alterthums auf das hoͤchſte ausſtudiret, und die Umriſſe<lb/> der Figuren ſo beſtimmt waren, daß man ohne Fehler weder herausgehen,<lb/> noch hinein lenken konnte, ſo war der Begriff der Schoͤnheit nicht hoͤher zu<lb/> treiben. Es mußte alſo die Kunſt, in welcher, wie in allen Wirkungen<lb/> der Natur, kein feſter Punct zu denken iſt, da ſie nicht weiter hinausgieng,<note place="right"><hi rendition="#aq">A.</hi><lb/> Durch die<lb/> Nachahmung.</note><lb/> zuruͤck gehen. Die Vorſtellungen der Goͤtter und Helden waren in allen<lb/> moͤglichen Arten und Stellungen gebildet, und es wurde ſchwer, neue zu<lb/> erdenken, wodurch alſo der Nachahmung der Weg geoͤffnet wurde. Dieſe<lb/> ſchraͤnket den Geiſt ein, und wenn es nicht moͤglich ſchien, einen Praxite-<lb/> les und Apelles zu uͤbertreffen, ſo wurde es ſchwer, dieſelben zu erreichen,<lb/> und der Nachahmer iſt allezeit unter dem Nachgeahmten geblieben. Es wird<lb/> auch der Kunſt, wie der Weltweisheit, ergangen ſeyn, daß, ſo wie hier,<lb/> alſo auch unter den Kuͤnſtlern <hi rendition="#fr">Eclectici</hi> oder Sammler aufſtunden, die, aus<lb/> Mangel eigener Kraͤfte, das einzelne Schoͤne aus vielen in eins zu ver-<lb/> einigen ſucheten. Aber ſo wie die Eclectici nur als Copiſten von<lb/> Weltweiſen beſonderer Schulen anzuſehen ſind, und wenig oder nichts<lb/> urſpruͤngliches hervorgebracht haben, ſo war auch in der Kunſt, wenn man<lb/> eben den Weg nahm, nichts ganzes, eigenes und uͤbereinſtimmendes zu<lb/> erwarten; und wie durch Auszuͤge aus großen Schriften der Alten, dieſe<lb/> verloren giengen, ſo werden durch die Werke der Sammler in der Kunſt, die<lb/> großen urſpruͤnglichen Werke vernachlaͤßiget worden ſeyn. Die Nachahmung<lb/> befoͤrderte den Mangel eigener Wiſſenſchaft, wodurch die Zeichnung furcht-<lb/> ſam wurde, und was der Wiſſenſchaft abgieng, ſuchte man durch Fleiß<note place="right"><hi rendition="#aq">B.</hi><lb/> Durch Fleiß<lb/> in Nebendin-<lb/> gen.</note><lb/> zu erſetzen, welcher ſich nach und nach in Kleinigkeiten zeigete, die in<lb/> <fw place="bottom" type="sig">G g 2</fw><fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [235/0285]
Von der Kunſt unter den Griechen.
Dieſer ſchoͤne Stil der Griechiſchen Kunſt hat noch eine geraume
Zeit nach Alexander dem Großen in verſchiedenen Kuͤnſtlern, die bekannt
ſind, gebluͤhet, und man kann dieſes auch aus Werken in Marmor, welche
im zweyten Theile angefuͤhret werden, ingleichen aus Muͤnzen, ſchließen.
Da nun die Verhaͤltniſſe und die Formen der Schoͤnheit von den
Kuͤnſtlern des Alterthums auf das hoͤchſte ausſtudiret, und die Umriſſe
der Figuren ſo beſtimmt waren, daß man ohne Fehler weder herausgehen,
noch hinein lenken konnte, ſo war der Begriff der Schoͤnheit nicht hoͤher zu
treiben. Es mußte alſo die Kunſt, in welcher, wie in allen Wirkungen
der Natur, kein feſter Punct zu denken iſt, da ſie nicht weiter hinausgieng,
zuruͤck gehen. Die Vorſtellungen der Goͤtter und Helden waren in allen
moͤglichen Arten und Stellungen gebildet, und es wurde ſchwer, neue zu
erdenken, wodurch alſo der Nachahmung der Weg geoͤffnet wurde. Dieſe
ſchraͤnket den Geiſt ein, und wenn es nicht moͤglich ſchien, einen Praxite-
les und Apelles zu uͤbertreffen, ſo wurde es ſchwer, dieſelben zu erreichen,
und der Nachahmer iſt allezeit unter dem Nachgeahmten geblieben. Es wird
auch der Kunſt, wie der Weltweisheit, ergangen ſeyn, daß, ſo wie hier,
alſo auch unter den Kuͤnſtlern Eclectici oder Sammler aufſtunden, die, aus
Mangel eigener Kraͤfte, das einzelne Schoͤne aus vielen in eins zu ver-
einigen ſucheten. Aber ſo wie die Eclectici nur als Copiſten von
Weltweiſen beſonderer Schulen anzuſehen ſind, und wenig oder nichts
urſpruͤngliches hervorgebracht haben, ſo war auch in der Kunſt, wenn man
eben den Weg nahm, nichts ganzes, eigenes und uͤbereinſtimmendes zu
erwarten; und wie durch Auszuͤge aus großen Schriften der Alten, dieſe
verloren giengen, ſo werden durch die Werke der Sammler in der Kunſt, die
großen urſpruͤnglichen Werke vernachlaͤßiget worden ſeyn. Die Nachahmung
befoͤrderte den Mangel eigener Wiſſenſchaft, wodurch die Zeichnung furcht-
ſam wurde, und was der Wiſſenſchaft abgieng, ſuchte man durch Fleiß
zu erſetzen, welcher ſich nach und nach in Kleinigkeiten zeigete, die in
den
IV.
Der Stil der
Nachahmer,
und die Abnah-
me und Fall
der Kunſt,
angefangen
A.
Durch die
Nachahmung.
B.
Durch Fleiß
in Nebendin-
gen.
G g 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |