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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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I Theil. Viertes Capitel.
durch die linke Hand unter dem Ellenbogen in die Höhe gehalten ist. Das
Gewand des Neptunus ist Meergrün; der Rock der Juno ist weiß, und
das Oberkleid lichtgelb; Pallas ist röthlich violet, und die vierte Figur
dunkelgelb gekleidet. Ich habe irgendwo gelesen, daß Thetis eine Ver-
schwörung einiger Götter wider den Jupiter entdecket, unter welchen Ju-
no die vornehmste war; vielleicht ist dieselbe hier vorgestellet, und die jüng-
ste Figur wäre Thetis.

III.
Von der Zeit,
in welcher die
mehresten an-
gezeigten Ge-
mälde gemacht
worden.

Was zum zweyten die Zeit betrifft, in welcher die so wohl in und um
Rom, als im Herculano gefundene Gemälde gemacht worden, so ist von
den mehresten von jenen darzuthun, daß sie von der Kaiser Zeiten sind,
und von andern giebt eben dieses der Augenschein: denn sie sind in den
verschütteten Kammern des Pallastes der Kaiser, oder in den Bädern des
Titus, gefunden worden. Die Barberinische Roma ist augenscheinlich von
späterer Zeit, und die im Ovidischen Grabmale waren, sind, wie dieses, von der
Zeit der Antoniner, welches die daselbst gefundenen Inschriften darthun.
Die Herculanischen (die vier zuletzt gefundenen ausgenommen) sind ver-
muthlich nicht älter, als jene: denn erstlich stellen die mehresten derselben
Landschaften, Hafen, Lusthäuser, Wälder, Fischereyen und Aussichten
vor, und der erste, welcher diese Art Malereyen anfieng, war ein gewisser
Ludio zu Augustus Zeiten. Die alten Griechen waren nicht für leblose
Vorstellungen, welche nur das Auge belustigen, den Verstand aber müßig
lassen. Zum andern zeigen die daselbst angebrachten ganz ausschweifenden
Gebäude, und deren ungründliche und abentheuerliche Zierrathen, daß
es Arbeiten von Zeiten sind, in welchen der wahre gute Geschmack nicht
mehr regierete. Es beweisen auch dieses die daselbst gefundenen Inschrif-
ten, unter welchen keine einzige vor der Kaiser Zeit ist. Von den älte-
sten will ich hier ein paar anführen:

DIVAE

I Theil. Viertes Capitel.
durch die linke Hand unter dem Ellenbogen in die Hoͤhe gehalten iſt. Das
Gewand des Neptunus iſt Meergruͤn; der Rock der Juno iſt weiß, und
das Oberkleid lichtgelb; Pallas iſt roͤthlich violet, und die vierte Figur
dunkelgelb gekleidet. Ich habe irgendwo geleſen, daß Thetis eine Ver-
ſchwoͤrung einiger Goͤtter wider den Jupiter entdecket, unter welchen Ju-
no die vornehmſte war; vielleicht iſt dieſelbe hier vorgeſtellet, und die juͤng-
ſte Figur waͤre Thetis.

III.
Von der Zeit,
in welcher die
mehreſten an-
gezeigten Ge-
maͤlde gemacht
worden.

Was zum zweyten die Zeit betrifft, in welcher die ſo wohl in und um
Rom, als im Herculano gefundene Gemaͤlde gemacht worden, ſo iſt von
den mehreſten von jenen darzuthun, daß ſie von der Kaiſer Zeiten ſind,
und von andern giebt eben dieſes der Augenſchein: denn ſie ſind in den
verſchuͤtteten Kammern des Pallaſtes der Kaiſer, oder in den Baͤdern des
Titus, gefunden worden. Die Barberiniſche Roma iſt augenſcheinlich von
ſpaͤterer Zeit, und die im Ovidiſchen Grabmale waren, ſind, wie dieſes, von der
Zeit der Antoniner, welches die daſelbſt gefundenen Inſchriften darthun.
Die Herculaniſchen (die vier zuletzt gefundenen ausgenommen) ſind ver-
muthlich nicht aͤlter, als jene: denn erſtlich ſtellen die mehreſten derſelben
Landſchaften, Hafen, Luſthaͤuſer, Waͤlder, Fiſchereyen und Ausſichten
vor, und der erſte, welcher dieſe Art Malereyen anfieng, war ein gewiſſer
Ludio zu Auguſtus Zeiten. Die alten Griechen waren nicht fuͤr lebloſe
Vorſtellungen, welche nur das Auge beluſtigen, den Verſtand aber muͤßig
laſſen. Zum andern zeigen die daſelbſt angebrachten ganz ausſchweifenden
Gebaͤude, und deren ungruͤndliche und abentheuerliche Zierrathen, daß
es Arbeiten von Zeiten ſind, in welchen der wahre gute Geſchmack nicht
mehr regierete. Es beweiſen auch dieſes die daſelbſt gefundenen Inſchrif-
ten, unter welchen keine einzige vor der Kaiſer Zeit iſt. Von den aͤlte-
ſten will ich hier ein paar anfuͤhren:

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[280/0330] I Theil. Viertes Capitel. durch die linke Hand unter dem Ellenbogen in die Hoͤhe gehalten iſt. Das Gewand des Neptunus iſt Meergruͤn; der Rock der Juno iſt weiß, und das Oberkleid lichtgelb; Pallas iſt roͤthlich violet, und die vierte Figur dunkelgelb gekleidet. Ich habe irgendwo geleſen, daß Thetis eine Ver- ſchwoͤrung einiger Goͤtter wider den Jupiter entdecket, unter welchen Ju- no die vornehmſte war; vielleicht iſt dieſelbe hier vorgeſtellet, und die juͤng- ſte Figur waͤre Thetis. Was zum zweyten die Zeit betrifft, in welcher die ſo wohl in und um Rom, als im Herculano gefundene Gemaͤlde gemacht worden, ſo iſt von den mehreſten von jenen darzuthun, daß ſie von der Kaiſer Zeiten ſind, und von andern giebt eben dieſes der Augenſchein: denn ſie ſind in den verſchuͤtteten Kammern des Pallaſtes der Kaiſer, oder in den Baͤdern des Titus, gefunden worden. Die Barberiniſche Roma iſt augenſcheinlich von ſpaͤterer Zeit, und die im Ovidiſchen Grabmale waren, ſind, wie dieſes, von der Zeit der Antoniner, welches die daſelbſt gefundenen Inſchriften darthun. Die Herculaniſchen (die vier zuletzt gefundenen ausgenommen) ſind ver- muthlich nicht aͤlter, als jene: denn erſtlich ſtellen die mehreſten derſelben Landſchaften, Hafen, Luſthaͤuſer, Waͤlder, Fiſchereyen und Ausſichten vor, und der erſte, welcher dieſe Art Malereyen anfieng, war ein gewiſſer Ludio zu Auguſtus Zeiten. Die alten Griechen waren nicht fuͤr lebloſe Vorſtellungen, welche nur das Auge beluſtigen, den Verſtand aber muͤßig laſſen. Zum andern zeigen die daſelbſt angebrachten ganz ausſchweifenden Gebaͤude, und deren ungruͤndliche und abentheuerliche Zierrathen, daß es Arbeiten von Zeiten ſind, in welchen der wahre gute Geſchmack nicht mehr regierete. Es beweiſen auch dieſes die daſelbſt gefundenen Inſchrif- ten, unter welchen keine einzige vor der Kaiſer Zeit iſt. Von den aͤlte- ſten will ich hier ein paar anfuͤhren: DIVAE͘

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/330>, abgerufen am 24.11.2024.