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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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I Theil. Fünftes Capitel.
Bildhauer reden von einer eigenen Art Römischer Arbeit in der Kunst.
I.
Von Werken
Römischer
Künstler.
Es waren ehemals und sind noch itzo Werke der Kunst, so wohl Figuren,
als erhobene Arbeiten, mit Römischen Inschriften, und einige Statuen
A.
Mit Römi-
schen Inschrif-
ten.
mit dem Namen der Künstler. Von der erstern Art ist diejenige Figur 1),
welche vor mehr als zwey Jahren bey St. Veit im Erztstifte Salzburg
entdecket, und durch den bekannten Erzbischoff und Cardinal, Matthias
Lange, in Salzburg aufgestellet wurde: es ist dieselbe von Erzt, in Lebens-
größe, und gleichet in der Stellung dem fälschlich sogenannten Antinous
im Belvedere. Eine jener völlig ähnliche Statue, von Erzt, mit eben
derselben Inschrift, und an eben dem ungewöhnlichen Orte, nemlich auf
dem Schenkel, befindet sich in dem Garten des Königlichen Lustschlosses
Aranjuez in Spanien, wo mein Freund, Herr Anton Raphael Mengs,
dieselbe gesehen, und mir als ein altes Werk angiebt. Ich habe mit aller
Mühe, die ich mir gegeben, von der Statue zu Salzburg nicht die geringste
Nachricht erhalten können, aus welcher, wenn sie richtig und umständlich
gewesen wäre, man vielleicht hätte sehen können, ob eine nach der andern
gearbeitet worden; so viel sehe ich wohl, daß die Streitaxt, welche die
Salzburgische in dem Kupfer hält, ein neuer Zusatz der Unwissenheit seyn
müsse. Eine andere kleine Figur, über drey Palme hoch, welche die Hoff-
nung vorstellet, in der Villa Ludovisi, ist wie im Hetrurischen Stile ge-
arbeitet 2), und hat eine Römische Inschrift auf der Base, welche im
vorigen Capitel angeführet ist. Von erhobenen Arbeiten mit Römischer
Inschrift habe ich eine zu Anfang des dritten Capitels berühret, in der
Villa Albani, welche eine Speisekammer vorstellet; und in eben der Villa
ist eine andere, wo ein Vater, als ein Senator gekleidet, auf einem Stuh-
le sitzet, mit den Füßen auf eine Art von Fußschemmel, und hält in der
rechten Hand das Brustbild seines Sohns: gegen ihm über stehet eine

Weibliche
1) Gruter. Inscr. p. 989. n. 3.
2) conf. Winckelmann Descr. des Pier. grav. du Cab. de Stosch, p. 301. seq.

I Theil. Fuͤnftes Capitel.
Bildhauer reden von einer eigenen Art Roͤmiſcher Arbeit in der Kunſt.
I.
Von Werken
Roͤmiſcher
Kuͤnſtler.
Es waren ehemals und ſind noch itzo Werke der Kunſt, ſo wohl Figuren,
als erhobene Arbeiten, mit Roͤmiſchen Inſchriften, und einige Statuen
A.
Mit Roͤmi-
ſchen Inſchrif-
ten.
mit dem Namen der Kuͤnſtler. Von der erſtern Art iſt diejenige Figur 1),
welche vor mehr als zwey Jahren bey St. Veit im Erztſtifte Salzburg
entdecket, und durch den bekannten Erzbiſchoff und Cardinal, Matthias
Lange, in Salzburg aufgeſtellet wurde: es iſt dieſelbe von Erzt, in Lebens-
groͤße, und gleichet in der Stellung dem faͤlſchlich ſogenannten Antinous
im Belvedere. Eine jener voͤllig aͤhnliche Statue, von Erzt, mit eben
derſelben Inſchrift, und an eben dem ungewoͤhnlichen Orte, nemlich auf
dem Schenkel, befindet ſich in dem Garten des Koͤniglichen Luſtſchloſſes
Aranjuez in Spanien, wo mein Freund, Herr Anton Raphael Mengs,
dieſelbe geſehen, und mir als ein altes Werk angiebt. Ich habe mit aller
Muͤhe, die ich mir gegeben, von der Statue zu Salzburg nicht die geringſte
Nachricht erhalten koͤnnen, aus welcher, wenn ſie richtig und umſtaͤndlich
geweſen waͤre, man vielleicht haͤtte ſehen koͤnnen, ob eine nach der andern
gearbeitet worden; ſo viel ſehe ich wohl, daß die Streitaxt, welche die
Salzburgiſche in dem Kupfer haͤlt, ein neuer Zuſatz der Unwiſſenheit ſeyn
muͤſſe. Eine andere kleine Figur, uͤber drey Palme hoch, welche die Hoff-
nung vorſtellet, in der Villa Ludoviſi, iſt wie im Hetruriſchen Stile ge-
arbeitet 2), und hat eine Roͤmiſche Inſchrift auf der Baſe, welche im
vorigen Capitel angefuͤhret iſt. Von erhobenen Arbeiten mit Roͤmiſcher
Inſchrift habe ich eine zu Anfang des dritten Capitels beruͤhret, in der
Villa Albani, welche eine Speiſekammer vorſtellet; und in eben der Villa
iſt eine andere, wo ein Vater, als ein Senator gekleidet, auf einem Stuh-
le ſitzet, mit den Fuͤßen auf eine Art von Fußſchemmel, und haͤlt in der
rechten Hand das Bruſtbild ſeines Sohns: gegen ihm uͤber ſtehet eine

Weibliche
1) Gruter. Inſcr. p. 989. n. 3.
2) conf. Winckelmann Deſcr. des Pier. grav. du Cab. de Stoſch, p. 301. ſeq.
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[290/0340] I Theil. Fuͤnftes Capitel. Bildhauer reden von einer eigenen Art Roͤmiſcher Arbeit in der Kunſt. Es waren ehemals und ſind noch itzo Werke der Kunſt, ſo wohl Figuren, als erhobene Arbeiten, mit Roͤmiſchen Inſchriften, und einige Statuen mit dem Namen der Kuͤnſtler. Von der erſtern Art iſt diejenige Figur 1), welche vor mehr als zwey Jahren bey St. Veit im Erztſtifte Salzburg entdecket, und durch den bekannten Erzbiſchoff und Cardinal, Matthias Lange, in Salzburg aufgeſtellet wurde: es iſt dieſelbe von Erzt, in Lebens- groͤße, und gleichet in der Stellung dem faͤlſchlich ſogenannten Antinous im Belvedere. Eine jener voͤllig aͤhnliche Statue, von Erzt, mit eben derſelben Inſchrift, und an eben dem ungewoͤhnlichen Orte, nemlich auf dem Schenkel, befindet ſich in dem Garten des Koͤniglichen Luſtſchloſſes Aranjuez in Spanien, wo mein Freund, Herr Anton Raphael Mengs, dieſelbe geſehen, und mir als ein altes Werk angiebt. Ich habe mit aller Muͤhe, die ich mir gegeben, von der Statue zu Salzburg nicht die geringſte Nachricht erhalten koͤnnen, aus welcher, wenn ſie richtig und umſtaͤndlich geweſen waͤre, man vielleicht haͤtte ſehen koͤnnen, ob eine nach der andern gearbeitet worden; ſo viel ſehe ich wohl, daß die Streitaxt, welche die Salzburgiſche in dem Kupfer haͤlt, ein neuer Zuſatz der Unwiſſenheit ſeyn muͤſſe. Eine andere kleine Figur, uͤber drey Palme hoch, welche die Hoff- nung vorſtellet, in der Villa Ludoviſi, iſt wie im Hetruriſchen Stile ge- arbeitet 2), und hat eine Roͤmiſche Inſchrift auf der Baſe, welche im vorigen Capitel angefuͤhret iſt. Von erhobenen Arbeiten mit Roͤmiſcher Inſchrift habe ich eine zu Anfang des dritten Capitels beruͤhret, in der Villa Albani, welche eine Speiſekammer vorſtellet; und in eben der Villa iſt eine andere, wo ein Vater, als ein Senator gekleidet, auf einem Stuh- le ſitzet, mit den Fuͤßen auf eine Art von Fußſchemmel, und haͤlt in der rechten Hand das Bruſtbild ſeines Sohns: gegen ihm uͤber ſtehet eine Weibliche I. Von Werken Roͤmiſcher Kuͤnſtler. A. Mit Roͤmi- ſchen Inſchrif- ten. 1) Gruter. Inſcr. p. 989. n. 3. 2) conf. Winckelmann Deſcr. des Pier. grav. du Cab. de Stoſch, p. 301. ſeq.

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/340>, abgerufen am 24.11.2024.