Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.I Theil. Erstes Capitel. Die ältesten Nachrichten lehren uns, daß die ersten Figuren vorgestellet, Dieses ist in wenig Worten die Absicht der Abhandlung dieser Ge- Anfang der Kunst mit der Bildhauerey. Die Kunst hat mit der einfältigsten Gestaltung, und vermuthlich mit Aehnlicher Ur- sprung dersel- ben bey ver- schiedenen Völkern. Die Kunst scheint unter allen Völkern, welche dieselbe geübet haben, Purpur-
I Theil. Erſtes Capitel. Die aͤlteſten Nachrichten lehren uns, daß die erſten Figuren vorgeſtellet, Dieſes iſt in wenig Worten die Abſicht der Abhandlung dieſer Ge- Anfang der Kunſt mit der Bildhauerey. Die Kunſt hat mit der einfaͤltigſten Geſtaltung, und vermuthlich mit Aehnlicher Ur- ſprung derſel- ben bey ver- ſchiedenen Voͤlkern. Die Kunſt ſcheint unter allen Voͤlkern, welche dieſelbe geuͤbet haben, Purpur-
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I Theil. Erſtes Capitel.
Die aͤlteſten Nachrichten lehren uns, daß die erſten Figuren vorgeſtellet,
was ein Menſch iſt, nicht wie er uns erſcheint, deſſen Umkreis, nicht deſſen
Anſicht. Von der Einfalt der Geſtalt gieng man zur Unterſuchung der
Verhaͤltniſſe, welche Richtigkeit lehrete, und dieſe machete ſicher, ſich in
das Große zu wagen, wodurch die Kunſt zur Großheit, und endlich unter
den Griechen ſtuffenweiſe zur hoͤchſten Schoͤnheit gelangete. Nachdem alle
Theile derſelben vereinigt waren, und ihre Ausſchmuͤckung geſuchet wurde,
gerieth man in das Ueberfluͤßige, wodurch ſich die Großheit der Kunſt ver-
lor, und endlich erfolgete der voͤllige Untergang derſelben.
Dieſes iſt in wenig Worten die Abſicht der Abhandlung dieſer Ge-
ſchichte der Kunſt. In dieſem Capitel wird zum erſten von der anfaͤng-
lichen Geſtalt der Kunſt allgemein geredet, ferner von der verſchiede-
nen Materie, in welcher die Bildhauerey arbeitete, und drittens von dem
Einfluſſe des Himmels in die Kunſt.
Die Kunſt hat mit der einfaͤltigſten Geſtaltung, und vermuthlich mit
einer Art von Bildhauerey angefangen: denn auch ein Kind kann einer
weichen Maſſe eine gewiſſe Form geben, aber es kann nichts auf einer
Flaͤche zeichnen; weil zu jenem der bloße Begriff einer Sache hinlaͤnglich
iſt, zum Zeichnen aber viele andere Kenntniſſe erfordert werden: aber die
Malerey iſt nachher die Ziererinn der Bildhauerey geworden.
Die Kunſt ſcheint unter allen Voͤlkern, welche dieſelbe geuͤbet haben,
auf gleiche Art entſprungen zu ſeyn, und man hat nicht Grund genug, ein
beſonderes Vaterland derſelben anzugeben: denn den erſten Saamen zum
Nothwendigen hat ein jedes Volk bey ſich gefunden. Aber die Erfindung
der Kunſt iſt verſchieden nach dem Alter der Voͤlker, und in Abſicht der
fruͤheren oder ſpaͤteren Einfuͤhrung des Goͤtterdienſtes, ſo daß ſich die Chal-
daͤer oder die Aegypter ihre eingebildeten hoͤheren Kraͤfte, zur Verehrung, zei-
tiger als die Griechen, werden ſinnlich vorgeſtellet haben. Denn hier ver-
haͤlt es ſich, wie mit andern Kuͤnſten und Erfindungen, dergleichen das
Purpur-
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