Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764.der Zeit unter den Griechen betrachtet. Das gütige Schicksal aber, welches auch über die Künste bey ihrera. Gemäl- 1) Zu Nettuno, ehemals Antium, hat der Herr Cardinal Alexander Albani im Jahre 1717. in einem großen Gewölbe, welches im Meere versunken lag, eine Base einer Statue entdecket, welche von schwarzgräulichem Marmor ist, den man itzo Bigio nen- net, in welche die Figur eingefüget war: auf derselben befindet sich folgende Jnschrift: [fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt] "Athanodorus des Agesanders Sohn, aus Rhodus, hat es gemacht." Wir fernen aus dieser Jnschrift, daß Vater und Sohn am Laocoon gearbeitet haben, und vermuthlich war auch Apollodorus des Agesanders Sohn: denn dieser Athanodorus kann kein anderer seyn, als der, welchen Plinius nennet. Es beweiset ferner diese Jnschrift, daß sich mehr Werke der Kunst, als nur allein drey, wie Plinius will, gefunden haben, auf welche die Künstler das Wort "Gemacht" in vollendeter und be- stimmter Zeit gesetzet, nemlich [fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt], fecit: er berichtet, daß die übrigen Künstler aus Bescheidenheit sich in unbestimmter Zeit ausgedrücket, [fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt], faciebat. Unter ge- dachtem Gewölde, tiefer im Meere, fand sich ein Stück eines großen Werks erhobener Arbeit, auf welchem man itzo nur noch ein Stück eines Schildes, und eines Degens, unter demselben hängend, und übereinander geworfene Stücke großer Steine vorgestel- let sieht, an deren Fuß eine Tafel angelehnet liegt: mit der Zierlichkeit und Ausfüh- rung der Arbeit dieses Werks, ist kein anderes von allen, die sich erhalten haben, zu vergleichen. Es steht dasselbe bey dem Bildhauer Barthol. Cavacepi. 2) Plinius meldet kein Wort von der Zeit, in welcher Agesander und die Gehülfen an sei- nem Werke gelebet haben: Maffei aber in der Erklärung alter Statuen, hat wissen wollen, daß diese Künstler in der acht und achtzigsten Olympias geblühet haben, und auf dessen Wort haben andere, als Richardson, nachgeschrieben. Jener hat, wie ich glaube, einen Athenodorus unter des Polycletus Schülern a), für einen von unsern Künstlern a) Plin. L. 34. c. 19. X x 2
der Zeit unter den Griechen betrachtet. Das guͤtige Schickſal aber, welches auch uͤber die Kuͤnſte bey ihrera. Gemaͤl- 1) Zu Nettuno, ehemals Antium, hat der Herr Cardinal Alexander Albani im Jahre 1717. in einem großen Gewoͤlbe, welches im Meere verſunken lag, eine Baſe einer Statue entdecket, welche von ſchwarzgraͤulichem Marmor iſt, den man itzo Bigio nen- net, in welche die Figur eingefuͤget war: auf derſelben befindet ſich folgende Jnſchrift: [fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt] „Athanodorus des Ageſanders Sohn, aus Rhodus, hat es gemacht.‟ Wir fernen aus dieſer Jnſchrift, daß Vater und Sohn am Laocoon gearbeitet haben, und vermuthlich war auch Apollodorus des Ageſanders Sohn: denn dieſer Athanodorus kann kein anderer ſeyn, als der, welchen Plinius nennet. Es beweiſet ferner dieſe Jnſchrift, daß ſich mehr Werke der Kunſt, als nur allein drey, wie Plinius will, gefunden haben, auf welche die Kuͤnſtler das Wort „Gemacht‟ in vollendeter und be- ſtimmter Zeit geſetzet, nemlich [fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt], fecit: er berichtet, daß die uͤbrigen Kuͤnſtler aus Beſcheidenheit ſich in unbeſtimmter Zeit ausgedruͤcket, [fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt], faciebat. Unter ge- dachtem Gewoͤlde, tiefer im Meere, fand ſich ein Stuͤck eines großen Werks erhobener Arbeit, auf welchem man itzo nur noch ein Stuͤck eines Schildes, und eines Degens, unter demſelben haͤngend, und uͤbereinander geworfene Stuͤcke großer Steine vorgeſtel- let ſieht, an deren Fuß eine Tafel angelehnet liegt: mit der Zierlichkeit und Ausfuͤh- rung der Arbeit dieſes Werks, iſt kein anderes von allen, die ſich erhalten haben, zu vergleichen. Es ſteht daſſelbe bey dem Bildhauer Barthol. Cavacepi. 2) Plinius meldet kein Wort von der Zeit, in welcher Ageſander und die Gehuͤlfen an ſei- nem Werke gelebet haben: Maffei aber in der Erklaͤrung alter Statuen, hat wiſſen wollen, daß dieſe Kuͤnſtler in der acht und achtzigſten Olympias gebluͤhet haben, und auf deſſen Wort haben andere, als Richardſon, nachgeſchrieben. Jener hat, wie ich glaube, einen Athenodorus unter des Polycletus Schuͤlern a), fuͤr einen von unſern Kuͤnſtlern a) Plin. L. 34. c. 19. X x 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0035" n="347"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">der Zeit unter den Griechen betrachtet.</hi> </fw><lb/> <p>Das guͤtige Schickſal aber, welches auch uͤber die Kuͤnſte bey ihrer<note place="right"><hi rendition="#aq">a.</hi><lb/> Von der Sta-<lb/> tue des Lao-<lb/> coon.</note><lb/> Vertilgung noch gewachet, hat aller Welt zum Wunder ein Werk aus die-<lb/> ſer Zeit der Kunſt erhalten, zum Beweis von der Wahrheit der Geſchichte<lb/> von der Herrlichkeit ſo vieler vernichteten Meiſterſtuͤcke. Laocoon, nebſt<lb/> ſeinen beyden Soͤhnen, vom <hi rendition="#fr">Ageſander, Apollodorus</hi> und <hi rendition="#fr">Athanodo-<lb/> rus aus Rhodus</hi> <note place="foot" n="1)">Zu Nettuno, ehemals Antium, hat der Herr Cardinal <hi rendition="#fr">Alexander Albani</hi> im Jahre<lb/> 1717. in einem großen Gewoͤlbe, welches im Meere verſunken lag, eine Baſe einer<lb/> Statue entdecket, welche von ſchwarzgraͤulichem Marmor iſt, den man itzo <hi rendition="#fr">Bigio</hi> nen-<lb/> net, in welche die Figur eingefuͤget war: auf derſelben befindet ſich folgende Jnſchrift:<lb/><cit><quote><hi rendition="#c"><foreign xml:lang="ell"><gap reason="fm" unit="chars"/></foreign></hi></quote></cit><lb/> „<hi rendition="#fr">Athanodorus des Ageſanders Sohn, aus Rhodus, hat es gemacht.</hi>‟ Wir<lb/> fernen aus dieſer Jnſchrift, daß Vater und Sohn am Laocoon gearbeitet haben, und<lb/> vermuthlich war auch <hi rendition="#fr">Apollodorus</hi> des Ageſanders Sohn: denn dieſer <hi rendition="#fr">Athanodorus</hi><lb/> kann kein anderer ſeyn, als der, welchen Plinius nennet. Es beweiſet ferner dieſe<lb/> Jnſchrift, daß ſich mehr Werke der Kunſt, als nur allein drey, wie Plinius will,<lb/> gefunden haben, auf welche die Kuͤnſtler das Wort „<hi rendition="#fr">Gemacht</hi>‟ in vollendeter und be-<lb/> ſtimmter Zeit geſetzet, nemlich <foreign xml:lang="ell"><gap reason="fm" unit="chars"/></foreign>, <hi rendition="#aq">fecit:</hi> er berichtet, daß die uͤbrigen Kuͤnſtler<lb/> aus Beſcheidenheit ſich in unbeſtimmter Zeit ausgedruͤcket, <foreign xml:lang="ell"><gap reason="fm" unit="chars"/></foreign>, <hi rendition="#aq">faciebat.</hi> Unter ge-<lb/> dachtem Gewoͤlde, tiefer im Meere, fand ſich ein Stuͤck eines großen Werks erhobener<lb/> Arbeit, auf welchem man itzo nur noch ein Stuͤck eines Schildes, und eines Degens,<lb/> unter demſelben haͤngend, und uͤbereinander geworfene Stuͤcke großer Steine vorgeſtel-<lb/> let ſieht, an deren Fuß eine Tafel angelehnet liegt: mit der Zierlichkeit und Ausfuͤh-<lb/> rung der Arbeit dieſes Werks, iſt kein anderes von allen, die ſich erhalten haben, zu<lb/> vergleichen. Es ſteht daſſelbe bey dem Bildhauer Barthol. <hi rendition="#fr">Cavacepi.</hi></note> gearbeitet, iſt nach aller Wahrſcheinlichkeit aus dieſer<lb/> Zeit, ob man gleich dieſelbe nicht beſtimmen, und, wie einige gethan ha-<lb/> ben, die Olympias, in welcher dieſe Kuͤnſtler gebluͤhet haben, angeben<lb/> kann <note xml:id="seg2pn_3_1" next="#seg2pn_3_2" place="foot" n="2)">Plinius meldet kein Wort von der Zeit, in welcher Ageſander und die Gehuͤlfen an ſei-<lb/> nem Werke gelebet haben: Maffei aber in der Erklaͤrung alter Statuen, hat wiſſen<lb/> wollen, daß dieſe Kuͤnſtler in der acht und achtzigſten Olympias gebluͤhet haben, und<lb/> auf deſſen Wort haben andere, als <hi rendition="#fr">Richardſon,</hi> nachgeſchrieben. Jener hat, wie ich<lb/> glaube, einen <hi rendition="#fr">Athenodorus</hi> unter des Polycletus Schuͤlern <note place="foot" n="a)"><hi rendition="#aq">Plin. L. 34. c.</hi> 19.</note>, fuͤr einen von unſern<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Kuͤnſtlern</fw></note> Wir wiſſen, daß man dieſes Werk ſchon im Alterthume allen<lb/> <fw place="bottom" type="sig">X x 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Gemaͤl-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [347/0035]
der Zeit unter den Griechen betrachtet.
Das guͤtige Schickſal aber, welches auch uͤber die Kuͤnſte bey ihrer
Vertilgung noch gewachet, hat aller Welt zum Wunder ein Werk aus die-
ſer Zeit der Kunſt erhalten, zum Beweis von der Wahrheit der Geſchichte
von der Herrlichkeit ſo vieler vernichteten Meiſterſtuͤcke. Laocoon, nebſt
ſeinen beyden Soͤhnen, vom Ageſander, Apollodorus und Athanodo-
rus aus Rhodus 1) gearbeitet, iſt nach aller Wahrſcheinlichkeit aus dieſer
Zeit, ob man gleich dieſelbe nicht beſtimmen, und, wie einige gethan ha-
ben, die Olympias, in welcher dieſe Kuͤnſtler gebluͤhet haben, angeben
kann 2) Wir wiſſen, daß man dieſes Werk ſchon im Alterthume allen
Gemaͤl-
a.
Von der Sta-
tue des Lao-
coon.
1) Zu Nettuno, ehemals Antium, hat der Herr Cardinal Alexander Albani im Jahre
1717. in einem großen Gewoͤlbe, welches im Meere verſunken lag, eine Baſe einer
Statue entdecket, welche von ſchwarzgraͤulichem Marmor iſt, den man itzo Bigio nen-
net, in welche die Figur eingefuͤget war: auf derſelben befindet ſich folgende Jnſchrift:
_
„Athanodorus des Ageſanders Sohn, aus Rhodus, hat es gemacht.‟ Wir
fernen aus dieſer Jnſchrift, daß Vater und Sohn am Laocoon gearbeitet haben, und
vermuthlich war auch Apollodorus des Ageſanders Sohn: denn dieſer Athanodorus
kann kein anderer ſeyn, als der, welchen Plinius nennet. Es beweiſet ferner dieſe
Jnſchrift, daß ſich mehr Werke der Kunſt, als nur allein drey, wie Plinius will,
gefunden haben, auf welche die Kuͤnſtler das Wort „Gemacht‟ in vollendeter und be-
ſtimmter Zeit geſetzet, nemlich _ , fecit: er berichtet, daß die uͤbrigen Kuͤnſtler
aus Beſcheidenheit ſich in unbeſtimmter Zeit ausgedruͤcket, _ , faciebat. Unter ge-
dachtem Gewoͤlde, tiefer im Meere, fand ſich ein Stuͤck eines großen Werks erhobener
Arbeit, auf welchem man itzo nur noch ein Stuͤck eines Schildes, und eines Degens,
unter demſelben haͤngend, und uͤbereinander geworfene Stuͤcke großer Steine vorgeſtel-
let ſieht, an deren Fuß eine Tafel angelehnet liegt: mit der Zierlichkeit und Ausfuͤh-
rung der Arbeit dieſes Werks, iſt kein anderes von allen, die ſich erhalten haben, zu
vergleichen. Es ſteht daſſelbe bey dem Bildhauer Barthol. Cavacepi.
2) Plinius meldet kein Wort von der Zeit, in welcher Ageſander und die Gehuͤlfen an ſei-
nem Werke gelebet haben: Maffei aber in der Erklaͤrung alter Statuen, hat wiſſen
wollen, daß dieſe Kuͤnſtler in der acht und achtzigſten Olympias gebluͤhet haben, und
auf deſſen Wort haben andere, als Richardſon, nachgeſchrieben. Jener hat, wie ich
glaube, einen Athenodorus unter des Polycletus Schuͤlern a), fuͤr einen von unſern
Kuͤnſtlern
a) Plin. L. 34. c. 19.
X x 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |