Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764.II Theil. Von der Kunst, nach den äußern Umständen Da in folgenden Zeiten zu Corinth ein Fechterspiel sollte aufgeführet wer-den, sagte jemand, man müsse den Altar der Barmherzigkeit und des Mit- leidens umwerfen, bevor man sich diese Spiele anzusehen entschließe 1). Unter den Ptolemäern. Nach Aegypten wurde die Kunst durch die Freygebigkeit des Ptole- Muthmas- sung über den verderbten Ge- schmack dieser Zeiten auch in der Kunst. Um diese Zeit äußerte sich zuerst ein verderbter Geschmack unter den terie 1) Lucian. Demon. p. 393. 2) Prooem. hist. p. 7. l. 22. 3) Deipn. L. 5. p. 196. F.
II Theil. Von der Kunſt, nach den aͤußern Umſtaͤnden Da in folgenden Zeiten zu Corinth ein Fechterſpiel ſollte aufgefuͤhret wer-den, ſagte jemand, man muͤſſe den Altar der Barmherzigkeit und des Mit- leidens umwerfen, bevor man ſich dieſe Spiele anzuſehen entſchließe 1). Unter den Ptolemaͤern. Nach Aegypten wurde die Kunſt durch die Freygebigkeit des Ptole- Muthmaſ- ſung uͤber den verderbten Ge- ſchmack dieſer Zeiten auch in der Kunſt. Um dieſe Zeit aͤußerte ſich zuerſt ein verderbter Geſchmack unter den terie 1) Lucian. Demon. p. 393. 2) Prooem. hiſt. p. 7. l. 22. 3) Deipn. L. 5. p. 196. F.
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II Theil. Von der Kunſt, nach den aͤußern Umſtaͤnden
Da in folgenden Zeiten zu Corinth ein Fechterſpiel ſollte aufgefuͤhret wer-
den, ſagte jemand, man muͤſſe den Altar der Barmherzigkeit und des Mit-
leidens umwerfen, bevor man ſich dieſe Spiele anzuſehen entſchließe 1).
Nach Aegypten wurde die Kunſt durch die Freygebigkeit des Ptole-
maͤus gezogen, und Apelles ſelbſt gieng nach Alexandrien: die Griechiſchen
Koͤnige in Aegypten waren die maͤchtigſten und reichſten unter allen Nach-
folgern Alexanders des Großen. Sie unterhielten ein Kriegsheer, wenn
man dem Appianus von Alexandrien glauben darf 2), von zweymal hun-
dert tauſend zu Fuß, und von dreyßig tauſend zu Pferde: ſie hatten drey
hundert zum Kriege abgerichtete Elephanten, und zwey tauſend Streitwa-
gen. Jhre Seemacht waͤre nicht weniger groß geweſen: gedachter Scri-
bent redet von tauſend und zwey hundert dreyrudrigen bis fuͤnfrudrigen
Schiffen. Alexandrien wurde unter dem Ptolemaͤus Philadelphus beyna-
he, was Athen geweſen war: die groͤßten Gelehrten und Dichter verließen
ihr Vaterland, und fanden ihr Gluͤck daſelbſt: Euclides lehrete hier die
Geometrie, der Dichter der Zaͤrtlichkeit, Theocritus, ſang hier Doriſche
Hirtenlieder, und Callimachus prieß mit einer gelehrten Zunge die Goͤt-
ter. Der praͤchtige Aufzug, welchen gedachter Koͤnig zu Alexandrien hielt,
zeiget, was fuͤr eine Menge Bildhauer in Aegypten muͤſſe geweſen ſeyn:
es wurden Statuen zu hunderten herumgefuͤhret, die man nicht aus Tem-
peln wird entlehnet haben, und in dem großen Gezelte, welches beym Athe-
naͤus beſchrieben wird 3), lagen hundert verſchiedene Thiere von Marmor,
von den vornehmſten Kuͤnſtlern gearbeitet.
Um dieſe Zeit aͤußerte ſich zuerſt ein verderbter Geſchmack unter den
Griechen, an welchem das Hofleben ihrer Dichter einen großen Antheil
hatte, und dieſes war dasjenige Uebel, welches zu unſern Zeiten Pedan-
terie
1) Lucian. Demon. p. 393.
2) Prooem. hiſt. p. 7. l. 22.
3) Deipn. L. 5. p. 196. F.
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