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Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 1. Neustadt, 1832.

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II. Adresse der Deutschen des Niederrheins.

An die Herren Unterzeichner des Aufrufes in Nro. 310 der allgemeinen
Zeitung, überschrieben: Der Deutschen Mai.

Sie haben, meine Herren, einen Aufruf an deutsche Männer und
Jünglinge erlassen zur Feier des deutschen Maifestes, welche am 27. d. M.
auf dem Hambacher Schlosse begangen werden soll.

Diesen Ruf, meine Herren, -- doch fort mit dem steifen, kalten,
ceremoniellen Tone! Lasset uns als Deutsche mit deutscher Zunge zu
deutschen Herzen sprechen. Diesen Ruf, ihr rheinisch-deutschen Brüder,
haben auch wir am untern Rheine vernommen, und auch wir glauben
uns dadurch getroffen; denn obgleich wir, als brave königlich preußische
Unterthanen mit dem deutschen Volke nichts gemein haben dürfen, und
uns des Ruhmes, Preußen zu seyn, ex officio königlich freuen müssen, so
können wir doch nicht umhin, instinktmäßig aufzuhorchen, wenn wir den
Namen nennen hören, auf den wir unsere politische Tauf empfangen haben,
der uns von Jugend auf der theuerste war. Ja, Deutsche sind auch wir
noch, und als Deutsche hören wir auf euren Ruf, zum deutschen Maifeste
zu kommen, das ihr zu feiern beschlossen habt.

Wohl möget ihr ein Maifest begehen, ihr Glücklichen! Euch leuchtete
und erwärmte schon länger die Sonne; schon hat sie die harte Eisdecke
gelöset und den starren Winter verscheucht; schon treibt das freundliche
Grün der Hoffnung bei Euch überall hervor, der Hoffnung, daß bald die
Sonne der Freiheit völlig siegen und die Saat zur Reife bringen werde.

Aber ach! bei uns armen Söhnen des Nordens ist die Sonne noch
fern vom Wendekreise, und der Krebs, der uns den Sommer verheißen
sollte, ist uns vielmehr ein ominöses Zeichen, -- denn krebsartig sehen wir
uns täglich rückwärtsgezogen, und wie ein böser Krebs nagt es an unserm
Herzen. Unser Boden starrt noch unter dem eisigen Kleide des Winters,
unser Himmel ist noch bedeckt, unsere Sonne noch getrübt von den finstern
Wolken des Absolutismus, unsere Atmosphäre gehüllt in die dichtesten Ne-
bel politischen Aberglaubens und Wahns, unsere Schritte sind gehemmt
durch das schlüpfrige Glatteis der Censur, welche Schrift, Wort, Gedanken
und Handlungen fesselt, und nur mit den Schlittschuhen der ängstlichsten
Vorsicht dürfen wir es wagen, ohne Lebensgefahr über das trügerische
Eis hinwegzugleiten.

Ihr aber lebet im grünenden Mai, und feiert das Fest der Hoffnung.
Wie glücklich seid ihr, die ihr Hoffnung hegen dürfet! Uns sind ihre gold-
nen Thore noch verschlossen.

II. Adreſſe der Deutſchen des Niederrheins.

An die Herren Unterzeichner des Aufrufes in Nro. 310 der allgemeinen
Zeitung, uͤberſchrieben: Der Deutſchen Mai.

Sie haben, meine Herren, einen Aufruf an deutſche Maͤnner und
Juͤnglinge erlaſſen zur Feier des deutſchen Maifeſtes, welche am 27. d. M.
auf dem Hambacher Schloſſe begangen werden ſoll.

Dieſen Ruf, meine Herren, — doch fort mit dem ſteifen, kalten,
ceremoniellen Tone! Laſſet uns als Deutſche mit deutſcher Zunge zu
deutſchen Herzen ſprechen. Dieſen Ruf, ihr rheiniſch-deutſchen Bruͤder,
haben auch wir am untern Rheine vernommen, und auch wir glauben
uns dadurch getroffen; denn obgleich wir, als brave koͤniglich preußiſche
Unterthanen mit dem deutſchen Volke nichts gemein haben duͤrfen, und
uns des Ruhmes, Preußen zu ſeyn, ex officio koͤniglich freuen muͤſſen, ſo
koͤnnen wir doch nicht umhin, inſtinktmaͤßig aufzuhorchen, wenn wir den
Namen nennen hoͤren, auf den wir unſere politiſche Tauf empfangen haben,
der uns von Jugend auf der theuerſte war. Ja, Deutſche ſind auch wir
noch, und als Deutſche hoͤren wir auf euren Ruf, zum deutſchen Maifeſte
zu kommen, das ihr zu feiern beſchloſſen habt.

Wohl moͤget ihr ein Maifeſt begehen, ihr Gluͤcklichen! Euch leuchtete
und erwaͤrmte ſchon laͤnger die Sonne; ſchon hat ſie die harte Eisdecke
geloͤſet und den ſtarren Winter verſcheucht; ſchon treibt das freundliche
Gruͤn der Hoffnung bei Euch uͤberall hervor, der Hoffnung, daß bald die
Sonne der Freiheit voͤllig ſiegen und die Saat zur Reife bringen werde.

Aber ach! bei uns armen Soͤhnen des Nordens iſt die Sonne noch
fern vom Wendekreiſe, und der Krebs, der uns den Sommer verheißen
ſollte, iſt uns vielmehr ein ominoͤſes Zeichen, — denn krebsartig ſehen wir
uns taͤglich ruͤckwaͤrtsgezogen, und wie ein boͤſer Krebs nagt es an unſerm
Herzen. Unſer Boden ſtarrt noch unter dem eiſigen Kleide des Winters,
unſer Himmel iſt noch bedeckt, unſere Sonne noch getruͤbt von den finſtern
Wolken des Abſolutismus, unſere Atmoſphaͤre gehuͤllt in die dichteſten Ne-
bel politiſchen Aberglaubens und Wahns, unſere Schritte ſind gehemmt
durch das ſchluͤpfrige Glatteis der Cenſur, welche Schrift, Wort, Gedanken
und Handlungen feſſelt, und nur mit den Schlittſchuhen der aͤngſtlichſten
Vorſicht duͤrfen wir es wagen, ohne Lebensgefahr uͤber das truͤgeriſche
Eis hinwegzugleiten.

Ihr aber lebet im gruͤnenden Mai, und feiert das Feſt der Hoffnung.
Wie gluͤcklich ſeid ihr, die ihr Hoffnung hegen duͤrfet! Uns ſind ihre gold-
nen Thore noch verſchloſſen.

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[16/0024] II. Adreſſe der Deutſchen des Niederrheins. An die Herren Unterzeichner des Aufrufes in Nro. 310 der allgemeinen Zeitung, uͤberſchrieben: Der Deutſchen Mai. Sie haben, meine Herren, einen Aufruf an deutſche Maͤnner und Juͤnglinge erlaſſen zur Feier des deutſchen Maifeſtes, welche am 27. d. M. auf dem Hambacher Schloſſe begangen werden ſoll. Dieſen Ruf, meine Herren, — doch fort mit dem ſteifen, kalten, ceremoniellen Tone! Laſſet uns als Deutſche mit deutſcher Zunge zu deutſchen Herzen ſprechen. Dieſen Ruf, ihr rheiniſch-deutſchen Bruͤder, haben auch wir am untern Rheine vernommen, und auch wir glauben uns dadurch getroffen; denn obgleich wir, als brave koͤniglich preußiſche Unterthanen mit dem deutſchen Volke nichts gemein haben duͤrfen, und uns des Ruhmes, Preußen zu ſeyn, ex officio koͤniglich freuen muͤſſen, ſo koͤnnen wir doch nicht umhin, inſtinktmaͤßig aufzuhorchen, wenn wir den Namen nennen hoͤren, auf den wir unſere politiſche Tauf empfangen haben, der uns von Jugend auf der theuerſte war. Ja, Deutſche ſind auch wir noch, und als Deutſche hoͤren wir auf euren Ruf, zum deutſchen Maifeſte zu kommen, das ihr zu feiern beſchloſſen habt. Wohl moͤget ihr ein Maifeſt begehen, ihr Gluͤcklichen! Euch leuchtete und erwaͤrmte ſchon laͤnger die Sonne; ſchon hat ſie die harte Eisdecke geloͤſet und den ſtarren Winter verſcheucht; ſchon treibt das freundliche Gruͤn der Hoffnung bei Euch uͤberall hervor, der Hoffnung, daß bald die Sonne der Freiheit voͤllig ſiegen und die Saat zur Reife bringen werde. Aber ach! bei uns armen Soͤhnen des Nordens iſt die Sonne noch fern vom Wendekreiſe, und der Krebs, der uns den Sommer verheißen ſollte, iſt uns vielmehr ein ominoͤſes Zeichen, — denn krebsartig ſehen wir uns taͤglich ruͤckwaͤrtsgezogen, und wie ein boͤſer Krebs nagt es an unſerm Herzen. Unſer Boden ſtarrt noch unter dem eiſigen Kleide des Winters, unſer Himmel iſt noch bedeckt, unſere Sonne noch getruͤbt von den finſtern Wolken des Abſolutismus, unſere Atmoſphaͤre gehuͤllt in die dichteſten Ne- bel politiſchen Aberglaubens und Wahns, unſere Schritte ſind gehemmt durch das ſchluͤpfrige Glatteis der Cenſur, welche Schrift, Wort, Gedanken und Handlungen feſſelt, und nur mit den Schlittſchuhen der aͤngſtlichſten Vorſicht duͤrfen wir es wagen, ohne Lebensgefahr uͤber das truͤgeriſche Eis hinwegzugleiten. Ihr aber lebet im gruͤnenden Mai, und feiert das Feſt der Hoffnung. Wie gluͤcklich ſeid ihr, die ihr Hoffnung hegen duͤrfet! Uns ſind ihre gold- nen Thore noch verſchloſſen.

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Zitationshilfe: Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 1. Neustadt, 1832, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wirth_nationalfest01_1832/24>, abgerufen am 21.11.2024.