Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 1. Neustadt, 1832.Ihr ladet uns ein, Theil zu nehmen an eurem Feste, auf daß wir Ihr riefet das Volk der Deutschen auf, Theil an eurem Feste zu neh- Wähnet nicht, wir lägen in lethargischem Schlummer befangen oder in Aber von außen her muß unsere Rettung, unser Heil kommen, und 2
Ihr ladet uns ein, Theil zu nehmen an eurem Feſte, auf daß wir Ihr riefet das Volk der Deutſchen auf, Theil an eurem Feſte zu neh- Waͤhnet nicht, wir laͤgen in lethargiſchem Schlummer befangen oder in Aber von außen her muß unſere Rettung, unſer Heil kommen, und 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0025" n="17"/> <p>Ihr ladet uns ein, Theil zu nehmen an eurem Feſte, auf daß wir<lb/> uns wenigſtens mit euch der Hoffnung freuen moͤchten. O wie gerne<lb/> wollten wir dieſem Rufe folgen, wenn nicht die Macht der Verhaͤltniſſe<lb/> hindernd dazwiſchen traͤte! Denn warlich iſt es nicht kalte Selbſtſucht, ver-<lb/> aͤchtliche Furcht, ſtrafbare Gleichgiltigkeit, die uns davon zuruͤck haͤlt.</p><lb/> <p>Ihr riefet das Volk der Deutſchen auf, Theil an eurem Feſte zu neh-<lb/> men, und dachtet dabei vielleicht am wenigſten an eure Bruͤder am untern<lb/> Rheine, die in todaͤhnlicher Ruhe vegetiren, und ſchier kein Zeichen<lb/> politiſchen Lebens von ſich geben. Vielleicht ſpottet ihr dieſer Ruhe, dieſer<lb/> Geduld, und dachtet nicht daran, daß es die Geduld des Sklaven iſt, der<lb/> blos deßhalb ſich ruhig verhaͤlt, weil er, an die Ruderbank gefeſſelt, ſich<lb/> nicht zu regen vermag. Ach! warum mußte das muntere Voͤglein des<lb/> Rheins eingeſperrt werden in den ſchmalen engen Kaͤfig zu dem alten finſtern<lb/> Uhu? Da ſoll er ſitzen, der muntere Saͤnger, der gewohnt war, ſich uͤber<lb/> die Wolken zu erheben und der reinſten Luft, des hellſten Lichtes zu ge-<lb/> nießen, da ſoll er ſitzen bei dem alten Raubvogel, und ganz gehorſamſt ſich<lb/> des Gluͤckes freuen und der Gunſt die er genießt: allerhoͤchſten Orts nicht<lb/> — aufgefreſſen zu werden! O des hohen Gluͤcks, o der unſchaͤtzbaren Gnade! —<lb/> Aber rings um den Kaͤfig flattern die freiern Voͤglein des deutſchen Hai-<lb/> nes und ſpotten der Ruhe des Gefangenen. Spottet nicht, ihr Gluͤcklichern,<lb/> aber weinet mit den Trauernden, ſo wollen wir mit euch uns eurer<lb/> Hoffnungen freuen! Doch weil ihr uns riefet, ſo wollen wir wenigſtens<lb/> aus dem Innern unſers Kaͤfigs Antwort geben und euch ſagen: Wir<lb/> leben noch.</p><lb/> <p>Waͤhnet nicht, wir laͤgen in <choice><sic>letbargiſchem</sic><corr>lethargiſchem</corr></choice> Schlummer befangen oder in<lb/> ſorgloſer Gleichgiltigkeit, weil ihr nichts von uns hoͤret. Nein, ſtill und<lb/> aufmerkſam ſchauen und horchen wir auf die Zeichen der Zeit, und harren<lb/> der Brautnacht, wo auch wir unſer Ehrenkleid anzuziehen und die hoch-<lb/> zeitliche Fackel anzuzuͤnden gedenken.</p><lb/> <p>Aber von außen her muß unſere Rettung, unſer Heil kommen, und<lb/> ihr, rheiniſche Brüder, ſeid dazu beſtellt und berufen, jetzt, da eure<lb/> beſchnittene Fittige etwas gewachſen ſind, auch uns aus dem Kerker be-<lb/> freien zu helfen. An Euch iſt es, mit Kraft und Ausdauer dahin zu<lb/> wirken, daß das Licht der Wahrheit immer heller um ſich leuchte, und<lb/> ihr Reich ſich täglich erweitere. Euer Beiſpiel muß den Schüchternen<lb/> Muth, den Schwachen Kraft und Selbſtvertrauen einflößen. Euer Bei-<lb/> ſpiel möge die Verblendeten enttäuſchen, den Blinden den Staar von<lb/> den Augen nehmen. Durch euer Beiſpiel mögen die auf der Stufe der<lb/> Erkenntniß noch tiefer ſtehenden deutſchen Stämme über die Rechte der<lb/> <fw place="bottom" type="sig">2</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [17/0025]
Ihr ladet uns ein, Theil zu nehmen an eurem Feſte, auf daß wir
uns wenigſtens mit euch der Hoffnung freuen moͤchten. O wie gerne
wollten wir dieſem Rufe folgen, wenn nicht die Macht der Verhaͤltniſſe
hindernd dazwiſchen traͤte! Denn warlich iſt es nicht kalte Selbſtſucht, ver-
aͤchtliche Furcht, ſtrafbare Gleichgiltigkeit, die uns davon zuruͤck haͤlt.
Ihr riefet das Volk der Deutſchen auf, Theil an eurem Feſte zu neh-
men, und dachtet dabei vielleicht am wenigſten an eure Bruͤder am untern
Rheine, die in todaͤhnlicher Ruhe vegetiren, und ſchier kein Zeichen
politiſchen Lebens von ſich geben. Vielleicht ſpottet ihr dieſer Ruhe, dieſer
Geduld, und dachtet nicht daran, daß es die Geduld des Sklaven iſt, der
blos deßhalb ſich ruhig verhaͤlt, weil er, an die Ruderbank gefeſſelt, ſich
nicht zu regen vermag. Ach! warum mußte das muntere Voͤglein des
Rheins eingeſperrt werden in den ſchmalen engen Kaͤfig zu dem alten finſtern
Uhu? Da ſoll er ſitzen, der muntere Saͤnger, der gewohnt war, ſich uͤber
die Wolken zu erheben und der reinſten Luft, des hellſten Lichtes zu ge-
nießen, da ſoll er ſitzen bei dem alten Raubvogel, und ganz gehorſamſt ſich
des Gluͤckes freuen und der Gunſt die er genießt: allerhoͤchſten Orts nicht
— aufgefreſſen zu werden! O des hohen Gluͤcks, o der unſchaͤtzbaren Gnade! —
Aber rings um den Kaͤfig flattern die freiern Voͤglein des deutſchen Hai-
nes und ſpotten der Ruhe des Gefangenen. Spottet nicht, ihr Gluͤcklichern,
aber weinet mit den Trauernden, ſo wollen wir mit euch uns eurer
Hoffnungen freuen! Doch weil ihr uns riefet, ſo wollen wir wenigſtens
aus dem Innern unſers Kaͤfigs Antwort geben und euch ſagen: Wir
leben noch.
Waͤhnet nicht, wir laͤgen in lethargiſchem Schlummer befangen oder in
ſorgloſer Gleichgiltigkeit, weil ihr nichts von uns hoͤret. Nein, ſtill und
aufmerkſam ſchauen und horchen wir auf die Zeichen der Zeit, und harren
der Brautnacht, wo auch wir unſer Ehrenkleid anzuziehen und die hoch-
zeitliche Fackel anzuzuͤnden gedenken.
Aber von außen her muß unſere Rettung, unſer Heil kommen, und
ihr, rheiniſche Brüder, ſeid dazu beſtellt und berufen, jetzt, da eure
beſchnittene Fittige etwas gewachſen ſind, auch uns aus dem Kerker be-
freien zu helfen. An Euch iſt es, mit Kraft und Ausdauer dahin zu
wirken, daß das Licht der Wahrheit immer heller um ſich leuchte, und
ihr Reich ſich täglich erweitere. Euer Beiſpiel muß den Schüchternen
Muth, den Schwachen Kraft und Selbſtvertrauen einflößen. Euer Bei-
ſpiel möge die Verblendeten enttäuſchen, den Blinden den Staar von
den Augen nehmen. Durch euer Beiſpiel mögen die auf der Stufe der
Erkenntniß noch tiefer ſtehenden deutſchen Stämme über die Rechte der
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