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Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 2. Neustadt, 1832.

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woran sie geschmiedet waren, flugs den Hammer suchten, um den Ring
zu zerschlagen, der noch nicht vom Halse gelöst war. Nun ging die
Aristokratie rasch an das Werk, im Geheimen und Verborgenen, auf
den erbärmlichsten Schleichwegen, um die Kette wieder zu fassen und
das Volk an die alte Stange zu fesseln. Es ist das Streben der Ka-
binete, die Völker der Sklaverei zuzuführen: ich könnte Hunderte von
Thatsachen aufzählen, ich übergehe sie, da sie Allen bekannt sind, um
die schmerzliche Wunde nicht von Neuem aufzureißen. Das Gefühl
empört sich über die Weise, wie man die Hoheit des Menschen mit
Füßen tritt. Man wird auf der betretenen Bahn fortfahren und sich
bestreben, das erschütterte Prinzip des göttlichen Rechtes und der Le-
gitimität wieder fest zu begründen, um durch dasselbe die Völker mit
der Knute zu peitschen. Nach menschlicher Berechnung ist der Krieg
unvermeidlich; Frankreich wird von dem Norden angegriffen werden,
um vorerst in diesem Lande, dann in den übrigen Ländern die Knecht-
schaft wieder einzuführen; der Krieg wird ein Kreuzzug gegen die Frei[-]
heit aller Völker, also auch gegen die der Deutschen seyn.

Aber, Patrioten! was ist dann unsere Pflicht? Dann umgürte sich
jeder mit dem Schwerte und rufe die übrigen Patrioten zur Wehre,
und die Sturmglocke töne durch alle deutsche Gauen und rufe zum
Kampfe für Recht und für Freiheit. Fluch jedem deutschen Manne, der
das Schwert sich nicht umgürten und dadurch dem Norden die Herr-
schaft über Deutschland verschaffen würde. Diese Herrschaft würde die
entsetzlichste Bedrückung seyn; das Vermögen würde geplündert, die
Jugend in den Schlachten dahingewürgt, die Unschuld geschändet, der
freisinnige Mann geschoren und gezeichnet, gleich den Thieren, nach Sibi-
rien getrieben werden; die Freiheit wäre um Jahrhunderte zurückgeführt,
und die schwärzeste Nacht würde die schändlichsten Gräuel bedecken.
Darum, versammelte Patrioten! seyen wir stets wach auf dem Posten,
beleben wir zugleich unseren Sinn für alles was wahr, gut und sittlich
ist, damit wir das Erkannte mit Macht verlangen; möchte ein wahrer,
deutscher Nationalstolz in uns erstehen, der bei Anerkennung der eigenen
Würde die der übrigen fremden Nationen nicht verläugnete; möchte
insbesondere die Repräsentanten der öffentlichen Meinung die Ueberzeu-
gung durchdringen, daß die Begründung eines glücklichen materiellen
Wohlstandes und einer volksthümlichen Sittlichkeit bedingt sey durch die
politische Freiheit, durch die Freiheit Deutschlands in föderativer re-
publikanischer Verfassung. Hoch lebe die Freiheit und Einheit Deutsch-
lands in dieser demokratischen Verfassung!"

woran ſie geſchmiedet waren, flugs den Hammer ſuchten, um den Ring
zu zerſchlagen, der noch nicht vom Halſe geloͤst war. Nun ging die
Ariſtokratie raſch an das Werk, im Geheimen und Verborgenen, auf
den erbärmlichſten Schleichwegen, um die Kette wieder zu faſſen und
das Volk an die alte Stange zu feſſeln. Es iſt das Streben der Ka-
binete, die Völker der Sklaverei zuzuführen: ich könnte Hunderte von
Thatſachen aufzählen, ich übergehe ſie, da ſie Allen bekannt ſind, um
die ſchmerzliche Wunde nicht von Neuem aufzureißen. Das Gefühl
empört ſich über die Weiſe, wie man die Hoheit des Menſchen mit
Füßen tritt. Man wird auf der betretenen Bahn fortfahren und ſich
beſtreben, das erſchütterte Prinzip des göttlichen Rechtes und der Le-
gitimität wieder feſt zu begründen, um durch daſſelbe die Völker mit
der Knute zu peitſchen. Nach menſchlicher Berechnung iſt der Krieg
unvermeidlich; Frankreich wird von dem Norden angegriffen werden,
um vorerſt in dieſem Lande, dann in den übrigen Ländern die Knecht-
ſchaft wieder einzuführen; der Krieg wird ein Kreuzzug gegen die Frei[-]
heit aller Völker, alſo auch gegen die der Deutſchen ſeyn.

Aber, Patrioten! was iſt dann unſere Pflicht? Dann umgürte ſich
jeder mit dem Schwerte und rufe die übrigen Patrioten zur Wehre,
und die Sturmglocke töne durch alle deutſche Gauen und rufe zum
Kampfe für Recht und für Freiheit. Fluch jedem deutſchen Manne, der
das Schwert ſich nicht umgürten und dadurch dem Norden die Herr-
ſchaft über Deutſchland verſchaffen würde. Dieſe Herrſchaft würde die
entſetzlichſte Bedrückung ſeyn; das Vermögen würde geplündert, die
Jugend in den Schlachten dahingewürgt, die Unſchuld geſchändet, der
freiſinnige Mann geſchoren und gezeichnet, gleich den Thieren, nach Sibi-
rien getrieben werden; die Freiheit wäre um Jahrhunderte zurückgeführt,
und die ſchwärzeſte Nacht würde die ſchändlichſten Gräuel bedecken.
Darum, verſammelte Patrioten! ſeyen wir ſtets wach auf dem Poſten,
beleben wir zugleich unſeren Sinn für alles was wahr, gut und ſittlich
iſt, damit wir das Erkannte mit Macht verlangen; möchte ein wahrer,
deutſcher Nationalſtolz in uns erſtehen, der bei Anerkennung der eigenen
Würde die der übrigen fremden Nationen nicht verläugnete; möchte
insbeſondere die Repräſentanten der öffentlichen Meinung die Ueberzeu-
gung durchdringen, daß die Begründung eines glücklichen materiellen
Wohlſtandes und einer volksthümlichen Sittlichkeit bedingt ſey durch die
politiſche Freiheit, durch die Freiheit Deutſchlands in föderativer re-
publikaniſcher Verfaſſung. Hoch lebe die Freiheit und Einheit Deutſch-
lands in dieſer demokratiſchen Verfaſſung!«

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[92/0034] woran ſie geſchmiedet waren, flugs den Hammer ſuchten, um den Ring zu zerſchlagen, der noch nicht vom Halſe geloͤst war. Nun ging die Ariſtokratie raſch an das Werk, im Geheimen und Verborgenen, auf den erbärmlichſten Schleichwegen, um die Kette wieder zu faſſen und das Volk an die alte Stange zu feſſeln. Es iſt das Streben der Ka- binete, die Völker der Sklaverei zuzuführen: ich könnte Hunderte von Thatſachen aufzählen, ich übergehe ſie, da ſie Allen bekannt ſind, um die ſchmerzliche Wunde nicht von Neuem aufzureißen. Das Gefühl empört ſich über die Weiſe, wie man die Hoheit des Menſchen mit Füßen tritt. Man wird auf der betretenen Bahn fortfahren und ſich beſtreben, das erſchütterte Prinzip des göttlichen Rechtes und der Le- gitimität wieder feſt zu begründen, um durch daſſelbe die Völker mit der Knute zu peitſchen. Nach menſchlicher Berechnung iſt der Krieg unvermeidlich; Frankreich wird von dem Norden angegriffen werden, um vorerſt in dieſem Lande, dann in den übrigen Ländern die Knecht- ſchaft wieder einzuführen; der Krieg wird ein Kreuzzug gegen die Frei- heit aller Völker, alſo auch gegen die der Deutſchen ſeyn. Aber, Patrioten! was iſt dann unſere Pflicht? Dann umgürte ſich jeder mit dem Schwerte und rufe die übrigen Patrioten zur Wehre, und die Sturmglocke töne durch alle deutſche Gauen und rufe zum Kampfe für Recht und für Freiheit. Fluch jedem deutſchen Manne, der das Schwert ſich nicht umgürten und dadurch dem Norden die Herr- ſchaft über Deutſchland verſchaffen würde. Dieſe Herrſchaft würde die entſetzlichſte Bedrückung ſeyn; das Vermögen würde geplündert, die Jugend in den Schlachten dahingewürgt, die Unſchuld geſchändet, der freiſinnige Mann geſchoren und gezeichnet, gleich den Thieren, nach Sibi- rien getrieben werden; die Freiheit wäre um Jahrhunderte zurückgeführt, und die ſchwärzeſte Nacht würde die ſchändlichſten Gräuel bedecken. Darum, verſammelte Patrioten! ſeyen wir ſtets wach auf dem Poſten, beleben wir zugleich unſeren Sinn für alles was wahr, gut und ſittlich iſt, damit wir das Erkannte mit Macht verlangen; möchte ein wahrer, deutſcher Nationalſtolz in uns erſtehen, der bei Anerkennung der eigenen Würde die der übrigen fremden Nationen nicht verläugnete; möchte insbeſondere die Repräſentanten der öffentlichen Meinung die Ueberzeu- gung durchdringen, daß die Begründung eines glücklichen materiellen Wohlſtandes und einer volksthümlichen Sittlichkeit bedingt ſey durch die politiſche Freiheit, durch die Freiheit Deutſchlands in föderativer re- publikaniſcher Verfaſſung. Hoch lebe die Freiheit und Einheit Deutſch- lands in dieſer demokratiſchen Verfaſſung!«

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Zitationshilfe: Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 2. Neustadt, 1832, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wirth_nationalfest02_1832/34>, abgerufen am 29.04.2024.