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Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 2. Neustadt, 1832.

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Rede von Stromeyer.

Lange Jahre lag das Vaterland in Schmach; lag unser Volk in
Finsterniß und in nächtlichem Schlummer. Es ist erwacht und an lich-
tem Tage seh' ich Tausende teutscher Männer vor meinen hocherfreuten
Blicken sich als Brüder, als Söhne eines gemeinsamen Vaterlandes be-
grüßen. Ja das teutsche Volk ist stark und der Freiheit würdig; es wäre
ungerecht, auf seinen Namen die Schmach zu laden, die nur eine Schuld
seiner Könige ist. Seht, sie haben unsere heilige Vatererde in Fetzen
zerrissen; sie haben durch Mauthlinien und Grenzkordons das große Volk
geschieden; sie haben die Stämme des teutschen Volkes ihrer Namen
beraubt, wie es der grausame Selbstherrscher seinen polnischen Schlacht-
opfern thut, bevor er sie in Sibiriens Bergwerke schickt, und sie haben
uns mit den Namen der Zwingherrnhäußer gebrandmarkt. Und dennoch
hat der Teutsche seine gemeinsame Abstammung niemals vergessen! Dennoch
sehen wir bei dem ersten Rufe, der im Namen der Freiheit und Nationalität
ergangen ist, die Tausende und abermals Tausende unter dem wieder-
standenen Banner des teutschen Volkes sich versammeln! Wenn dieser
Anblick uns mit der starken Hoffnung von des Vaterlandes Wiedergeburt
erfüllt, so dürfen wir uns nicht verhehlen, daß er auch zu den ernstesten
Betrachtungen Anlaß giebt. Nicht die Freunde allein sehen diese zahlreiche
Versammlung, auch die lauernden Feinde des Volkes richten hieher ihre
Blicke; sie schaudern zusammen vor der Kraft des wiedererwachten Volkes
und fürchterlich hallt in ihren Ohren der Fluch, den ein von heißer Be-
geisterung glühender Redner an diesem Orte über sie gesprochen; fürch-
terlicher noch ertönt in ihren Ohren der Nachruf der Tausende, die von
glühendem Hasse durchdrungen sind gegen alle, die sie als Feinde des
Vaterlandes betrachten. Werden sie nicht, wenn die versammelten Freunde
in die entfernten Thäler ihrer Heimath zerstreut sind, wie damals nach
dem Feste von Wartburg, neue Demagogen- Jagden anstellen und eure
besten Freunde dem politischen Ketzergericht und der sichern Verdammung
überliefern? -- Wird nicht die junge wiedererwachende Freiheit in dem
Blute ihrer besten Vertheidiger ersticken? --

Es thut Noth, daß ihr gegen Angriffe euch verwahret, es thut des
Entschlusses Noth, die Grundsätze, zu denen die Freunde der Freiheit sich
mit Ueberzeugung bekennen, im eintretenden Fall auch mit Gut und Blut
zu vertheidigen. Wer nicht mit ganzer Seele und aus allen Kräften die
Freiheit und Wiedergeburt des Vaterlandes verlanget, der möge aus die-
sem Kreis entschlossener Vaterlandsfreunde entweichen; wer aber bereit
ist, das Vaterland und seine kräftigsten, wärmsten Freunde mit Gut und

Rede von Stromeyer.

Lange Jahre lag das Vaterland in Schmach; lag unſer Volk in
Finſterniß und in naͤchtlichem Schlummer. Es iſt erwacht und an lich-
tem Tage ſeh’ ich Tauſende teutſcher Maͤnner vor meinen hocherfreuten
Blicken ſich als Bruͤder, als Söhne eines gemeinſamen Vaterlandes be-
gruͤßen. Ja das teutſche Volk iſt ſtark und der Freiheit wuͤrdig; es waͤre
ungerecht, auf ſeinen Namen die Schmach zu laden, die nur eine Schuld
ſeiner Koͤnige iſt. Seht, ſie haben unſere heilige Vatererde in Fetzen
zerriſſen; ſie haben durch Mauthlinien und Grenzkordons das große Volk
geſchieden; ſie haben die Staͤmme des teutſchen Volkes ihrer Namen
beraubt, wie es der grauſame Selbſtherrſcher ſeinen polniſchen Schlacht-
opfern thut, bevor er ſie in Sibiriens Bergwerke ſchickt, und ſie haben
uns mit den Namen der Zwingherrnhaͤußer gebrandmarkt. Und dennoch
hat der Teutſche ſeine gemeinſame Abſtammung niemals vergeſſen! Dennoch
ſehen wir bei dem erſten Rufe, der im Namen der Freiheit und Nationalitaͤt
ergangen iſt, die Tauſende und abermals Tauſende unter dem wieder-
ſtandenen Banner des teutſchen Volkes ſich verſammeln! Wenn dieſer
Anblick uns mit der ſtarken Hoffnung von des Vaterlandes Wiedergeburt
erfuͤllt, ſo duͤrfen wir uns nicht verhehlen, daß er auch zu den ernſteſten
Betrachtungen Anlaß giebt. Nicht die Freunde allein ſehen dieſe zahlreiche
Verſammlung, auch die lauernden Feinde des Volkes richten hieher ihre
Blicke; ſie ſchaudern zuſammen vor der Kraft des wiedererwachten Volkes
und fuͤrchterlich hallt in ihren Ohren der Fluch, den ein von heißer Be-
geiſterung gluͤhender Redner an dieſem Orte uͤber ſie geſprochen; fuͤrch-
terlicher noch ertoͤnt in ihren Ohren der Nachruf der Tauſende, die von
gluͤhendem Haſſe durchdrungen ſind gegen alle, die ſie als Feinde des
Vaterlandes betrachten. Werden ſie nicht, wenn die verſammelten Freunde
in die entfernten Thaͤler ihrer Heimath zerſtreut ſind, wie damals nach
dem Feſte von Wartburg, neue Demagogen- Jagden anſtellen und eure
beſten Freunde dem politiſchen Ketzergericht und der ſichern Verdammung
uͤberliefern? — Wird nicht die junge wiedererwachende Freiheit in dem
Blute ihrer beſten Vertheidiger erſticken? —

Es thut Noth, daß ihr gegen Angriffe euch verwahret, es thut des
Entſchluſſes Noth, die Grundſaͤtze, zu denen die Freunde der Freiheit ſich
mit Ueberzeugung bekennen, im eintretenden Fall auch mit Gut und Blut
zu vertheidigen. Wer nicht mit ganzer Seele und aus allen Kraͤften die
Freiheit und Wiedergeburt des Vaterlandes verlanget, der moͤge aus die-
ſem Kreis entſchloſſener Vaterlandsfreunde entweichen; wer aber bereit
iſt, das Vaterland und ſeine kraͤftigſten, waͤrmſten Freunde mit Gut und

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[93/0035] Rede von Stromeyer. Lange Jahre lag das Vaterland in Schmach; lag unſer Volk in Finſterniß und in naͤchtlichem Schlummer. Es iſt erwacht und an lich- tem Tage ſeh’ ich Tauſende teutſcher Maͤnner vor meinen hocherfreuten Blicken ſich als Bruͤder, als Söhne eines gemeinſamen Vaterlandes be- gruͤßen. Ja das teutſche Volk iſt ſtark und der Freiheit wuͤrdig; es waͤre ungerecht, auf ſeinen Namen die Schmach zu laden, die nur eine Schuld ſeiner Koͤnige iſt. Seht, ſie haben unſere heilige Vatererde in Fetzen zerriſſen; ſie haben durch Mauthlinien und Grenzkordons das große Volk geſchieden; ſie haben die Staͤmme des teutſchen Volkes ihrer Namen beraubt, wie es der grauſame Selbſtherrſcher ſeinen polniſchen Schlacht- opfern thut, bevor er ſie in Sibiriens Bergwerke ſchickt, und ſie haben uns mit den Namen der Zwingherrnhaͤußer gebrandmarkt. Und dennoch hat der Teutſche ſeine gemeinſame Abſtammung niemals vergeſſen! Dennoch ſehen wir bei dem erſten Rufe, der im Namen der Freiheit und Nationalitaͤt ergangen iſt, die Tauſende und abermals Tauſende unter dem wieder- ſtandenen Banner des teutſchen Volkes ſich verſammeln! Wenn dieſer Anblick uns mit der ſtarken Hoffnung von des Vaterlandes Wiedergeburt erfuͤllt, ſo duͤrfen wir uns nicht verhehlen, daß er auch zu den ernſteſten Betrachtungen Anlaß giebt. Nicht die Freunde allein ſehen dieſe zahlreiche Verſammlung, auch die lauernden Feinde des Volkes richten hieher ihre Blicke; ſie ſchaudern zuſammen vor der Kraft des wiedererwachten Volkes und fuͤrchterlich hallt in ihren Ohren der Fluch, den ein von heißer Be- geiſterung gluͤhender Redner an dieſem Orte uͤber ſie geſprochen; fuͤrch- terlicher noch ertoͤnt in ihren Ohren der Nachruf der Tauſende, die von gluͤhendem Haſſe durchdrungen ſind gegen alle, die ſie als Feinde des Vaterlandes betrachten. Werden ſie nicht, wenn die verſammelten Freunde in die entfernten Thaͤler ihrer Heimath zerſtreut ſind, wie damals nach dem Feſte von Wartburg, neue Demagogen- Jagden anſtellen und eure beſten Freunde dem politiſchen Ketzergericht und der ſichern Verdammung uͤberliefern? — Wird nicht die junge wiedererwachende Freiheit in dem Blute ihrer beſten Vertheidiger erſticken? — Es thut Noth, daß ihr gegen Angriffe euch verwahret, es thut des Entſchluſſes Noth, die Grundſaͤtze, zu denen die Freunde der Freiheit ſich mit Ueberzeugung bekennen, im eintretenden Fall auch mit Gut und Blut zu vertheidigen. Wer nicht mit ganzer Seele und aus allen Kraͤften die Freiheit und Wiedergeburt des Vaterlandes verlanget, der moͤge aus die- ſem Kreis entſchloſſener Vaterlandsfreunde entweichen; wer aber bereit iſt, das Vaterland und ſeine kraͤftigſten, waͤrmſten Freunde mit Gut und

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Zitationshilfe: Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 2. Neustadt, 1832, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wirth_nationalfest02_1832/35>, abgerufen am 29.04.2024.