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Wolff, Christian von: Der Anfangs-Gründe Aller Mathematischen Wissenschafften. Bd. 1. Halle (Saale), 1710.

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Vorrede.
ditiren nicht hinderlich fallen/ sondern vielmehr
die saure Arbeit dem Verstande versüssen helffen.
Ja die letztere giebet uns ein Muster der vollkom-
mensten Manier eines aus dem andern zuschliessen/
zu welcher der menschliche Verstand gelangen kan/
wenn er den höchsten Gipffel der Vollkommenheit
erstiegen. Die Optick und zum Theil die Astro-
nomie weisen einen klahren Unterscheid zwischen
der Erkäntnis des Verstandes und der Vorstel-
lung der Dinge in den Sinnen und der Imagina-
tion.
Derowegen ist kein gewisserer Weg zur
Erkäntnis der Kräffte des Menschlichen Verstan-
des zugelangen/ als wenn man mit Ernst die Mathe-
matischen Wissenschafften treibet/ und/ weil man
eine Fertigkeit nicht anders als durch stete Ubung
erhalten kan/ ist dieses zugleich das sicherste Mittel
zu hurtigem Gebrauche der Vernunfft/ so wol in
Erfindung der noch verborgenen/ als in Beurthei-
lung der bereits erfundenen Wahrheit zugelangen/
und sich von der schädlichen Herrschafft der Sin-
nen und Imagination zu befreyen/ das ist/ alle Jrr-
thümer und Vorurtheile glücklich zu vermeiden.
Und aus dieser Absicht liessen die alten Griechen
niemanden studiren/ er hatte denn zuvor die Rechen-
Kunst und Geometrie inne: welchem löblichen Exem-
pel heute zu Tage die Frantzosen und Engelländer
rühmlich und mit großem Nutzen nachfolgen.

Wer die Geheimnisse der Natur zu erforschen
Lust hat und sich darüber vergnüget/ wenn er die
unermäßliche Weisheit und Macht des allein wei-
sen und allmächtigen Schöpffers und Erhalters

der

Vorrede.
ditiren nicht hinderlich fallen/ ſondern vielmehr
die ſaure Arbeit dem Verſtande verſuͤſſen helffen.
Ja die letztere giebet uns ein Muſter der vollkom-
menſten Manier eines aus dem andern zuſchlieſſen/
zu welcher der menſchliche Verſtand gelangen kan/
wenn er den hoͤchſten Gipffel der Vollkommenheit
erſtiegen. Die Optick und zum Theil die Aſtro-
nomie weiſen einen klahren Unterſcheid zwiſchen
der Erkaͤntnis des Verſtandes und der Vorſtel-
lung der Dinge in den Sinnen und der Imagina-
tion.
Derowegen iſt kein gewiſſerer Weg zur
Erkaͤntnis der Kraͤffte des Menſchlichen Verſtan-
des zugelangen/ als wenn man mit Ernſt die Mathe-
matiſchen Wiſſenſchafften treibet/ und/ weil man
eine Fertigkeit nicht anders als durch ſtete Ubung
erhalten kan/ iſt dieſes zugleich das ſicherſte Mittel
zu hurtigem Gebrauche der Vernunfft/ ſo wol in
Erfindung der noch verborgenen/ als in Beurthei-
lung der bereits erfundenen Wahrheit zugelangen/
und ſich von der ſchaͤdlichen Herrſchafft der Sin-
nen und Imagination zu befreyen/ das iſt/ alle Jrr-
thuͤmer und Vorurtheile gluͤcklich zu vermeiden.
Und aus dieſer Abſicht lieſſen die alten Griechen
niemanden ſtudiren/ er hatte denn zuvor die Rechen-
Kunſt und Geometrie inne: welchem loͤblichen Exem-
pel heute zu Tage die Frantzoſen und Engellaͤnder
ruͤhmlich und mit großem Nutzen nachfolgen.

Wer die Geheimniſſe der Natur zu erforſchen
Luſt hat und ſich daruͤber vergnuͤget/ wenn er die
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ſen und allmaͤchtigen Schoͤpffers und Erhalters

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[0014] Vorrede. ditiren nicht hinderlich fallen/ ſondern vielmehr die ſaure Arbeit dem Verſtande verſuͤſſen helffen. Ja die letztere giebet uns ein Muſter der vollkom- menſten Manier eines aus dem andern zuſchlieſſen/ zu welcher der menſchliche Verſtand gelangen kan/ wenn er den hoͤchſten Gipffel der Vollkommenheit erſtiegen. Die Optick und zum Theil die Aſtro- nomie weiſen einen klahren Unterſcheid zwiſchen der Erkaͤntnis des Verſtandes und der Vorſtel- lung der Dinge in den Sinnen und der Imagina- tion. Derowegen iſt kein gewiſſerer Weg zur Erkaͤntnis der Kraͤffte des Menſchlichen Verſtan- des zugelangen/ als wenn man mit Ernſt die Mathe- matiſchen Wiſſenſchafften treibet/ und/ weil man eine Fertigkeit nicht anders als durch ſtete Ubung erhalten kan/ iſt dieſes zugleich das ſicherſte Mittel zu hurtigem Gebrauche der Vernunfft/ ſo wol in Erfindung der noch verborgenen/ als in Beurthei- lung der bereits erfundenen Wahrheit zugelangen/ und ſich von der ſchaͤdlichen Herrſchafft der Sin- nen und Imagination zu befreyen/ das iſt/ alle Jrr- thuͤmer und Vorurtheile gluͤcklich zu vermeiden. Und aus dieſer Abſicht lieſſen die alten Griechen niemanden ſtudiren/ er hatte denn zuvor die Rechen- Kunſt und Geometrie inne: welchem loͤblichen Exem- pel heute zu Tage die Frantzoſen und Engellaͤnder ruͤhmlich und mit großem Nutzen nachfolgen. Wer die Geheimniſſe der Natur zu erforſchen Luſt hat und ſich daruͤber vergnuͤget/ wenn er die unermaͤßliche Weisheit und Macht des allein wei- ſen und allmaͤchtigen Schoͤpffers und Erhalters der

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Der Anfangs-Gründe Aller Mathematischen Wissenschafften. Bd. 1. Halle (Saale), 1710. , S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_anfangsgruende01_1710/14>, abgerufen am 22.12.2024.