Wolff, Sabattia Joseph: Ausverkauf meiner schriftstellerischen Arbeiten. Berlin, 1824.Rettung auf. Mein Sohn, sprach die Mutter, deren Hoffnung auf den Wundermann noch nicht unterge- gangen war, mit dem Anbruch des Tages mußt du noch ein Mal zu dem Rabbi wandern, und ihm sa- gen, daß der Vater noch weit kränker geworden sey. Abermals ließ der Rabbi ihn etwas warten, als er seinen Auftrag ausgerichtet hatte, und schickte ihn dann mit der trostreichen Nachricht zurück, daß dem Kranken der Todesengel nichts anhaben könne, weil er ihm das Messer *) weggenommen habe. Noch schnel- ler, als das erste Mal, langte der Sohn mit dieser frohen Kunde zu Hause an; aber sie bestätigte sich sehr schlecht, denn schon nach einigen Stunden ging der Alte in die Ewigkeit. Trostlos forderte die eben so unglückliche als abergläubige Mutter ihren Sohn auf, dem Rabbi wenigstens die Todesnachricht zu überbringen, und sich zu erkundigen, wie dieß zuge- gangen sey, da er doch vorgegeben, dem Tode das Messer genommen zu haben. Aber, sich ganz ver- wundert stellend, sprach der verlegene Rabbi: Sage deiner Mutter nur, das Messer hätte ich allerdings in Beschlag genommen, es könne daher nicht anders *) Die alten Juden stellten nämlich den Tod in der
Gestalt eines Engels vor, und gaben ihm, statt der Sense, ein großes Messer in die Hand, womit er seine Funktion verrichtete. Rettung auf. Mein Sohn, ſprach die Mutter, deren Hoffnung auf den Wundermann noch nicht unterge- gangen war, mit dem Anbruch des Tages mußt du noch ein Mal zu dem Rabbi wandern, und ihm ſa- gen, daß der Vater noch weit kränker geworden ſey. Abermals ließ der Rabbi ihn etwas warten, als er ſeinen Auftrag ausgerichtet hatte, und ſchickte ihn dann mit der troſtreichen Nachricht zurück, daß dem Kranken der Todesengel nichts anhaben könne, weil er ihm das Meſſer *) weggenommen habe. Noch ſchnel- ler, als das erſte Mal, langte der Sohn mit dieſer frohen Kunde zu Hauſe an; aber ſie beſtätigte ſich ſehr ſchlecht, denn ſchon nach einigen Stunden ging der Alte in die Ewigkeit. Troſtlos forderte die eben ſo unglückliche als abergläubige Mutter ihren Sohn auf, dem Rabbi wenigſtens die Todesnachricht zu überbringen, und ſich zu erkundigen, wie dieß zuge- gangen ſey, da er doch vorgegeben, dem Tode das Meſſer genommen zu haben. Aber, ſich ganz ver- wundert ſtellend, ſprach der verlegene Rabbi: Sage deiner Mutter nur, das Meſſer hätte ich allerdings in Beſchlag genommen, es könne daher nicht anders *) Die alten Juden ſtellten nämlich den Tod in der
Geſtalt eines Engels vor, und gaben ihm, ſtatt der Senſe, ein großes Meſſer in die Hand, womit er ſeine Funktion verrichtete. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0043" n="27"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Rettung auf. Mein Sohn, ſprach die Mutter, deren<lb/> Hoffnung auf den Wundermann noch nicht unterge-<lb/> gangen war, mit dem Anbruch des Tages mußt du<lb/> noch ein Mal zu dem Rabbi wandern, und ihm ſa-<lb/> gen, daß der Vater noch weit kränker geworden ſey.<lb/> Abermals ließ der Rabbi ihn etwas warten, als er<lb/> ſeinen Auftrag ausgerichtet hatte, und ſchickte ihn<lb/> dann mit der troſtreichen Nachricht zurück, daß dem<lb/> Kranken der Todesengel nichts anhaben könne, weil er<lb/> ihm das Meſſer <note place="foot" n="*)">Die alten Juden ſtellten nämlich den Tod in der<lb/> Geſtalt eines Engels vor, und gaben ihm, ſtatt der Senſe,<lb/> ein großes Meſſer in die Hand, womit er ſeine Funktion<lb/> verrichtete.</note> weggenommen habe. Noch ſchnel-<lb/> ler, als das erſte Mal, langte der Sohn mit dieſer<lb/> frohen Kunde zu Hauſe an; aber ſie beſtätigte ſich<lb/> ſehr ſchlecht, denn ſchon nach einigen Stunden ging<lb/> der Alte in die Ewigkeit. Troſtlos forderte die eben<lb/> ſo unglückliche als abergläubige Mutter ihren Sohn<lb/> auf, dem Rabbi wenigſtens die Todesnachricht zu<lb/> überbringen, und ſich zu erkundigen, wie dieß zuge-<lb/> gangen ſey, da er doch vorgegeben, dem Tode das<lb/> Meſſer genommen zu haben. Aber, ſich ganz ver-<lb/> wundert ſtellend, ſprach der verlegene Rabbi: Sage<lb/> deiner Mutter nur, das Meſſer hätte ich allerdings<lb/> in Beſchlag genommen, es könne daher nicht anders<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [27/0043]
Rettung auf. Mein Sohn, ſprach die Mutter, deren
Hoffnung auf den Wundermann noch nicht unterge-
gangen war, mit dem Anbruch des Tages mußt du
noch ein Mal zu dem Rabbi wandern, und ihm ſa-
gen, daß der Vater noch weit kränker geworden ſey.
Abermals ließ der Rabbi ihn etwas warten, als er
ſeinen Auftrag ausgerichtet hatte, und ſchickte ihn
dann mit der troſtreichen Nachricht zurück, daß dem
Kranken der Todesengel nichts anhaben könne, weil er
ihm das Meſſer *) weggenommen habe. Noch ſchnel-
ler, als das erſte Mal, langte der Sohn mit dieſer
frohen Kunde zu Hauſe an; aber ſie beſtätigte ſich
ſehr ſchlecht, denn ſchon nach einigen Stunden ging
der Alte in die Ewigkeit. Troſtlos forderte die eben
ſo unglückliche als abergläubige Mutter ihren Sohn
auf, dem Rabbi wenigſtens die Todesnachricht zu
überbringen, und ſich zu erkundigen, wie dieß zuge-
gangen ſey, da er doch vorgegeben, dem Tode das
Meſſer genommen zu haben. Aber, ſich ganz ver-
wundert ſtellend, ſprach der verlegene Rabbi: Sage
deiner Mutter nur, das Meſſer hätte ich allerdings
in Beſchlag genommen, es könne daher nicht anders
*) Die alten Juden ſtellten nämlich den Tod in der
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