Gutbefinden einzurichten, wird die väter- liche Gewalt genennet.
§. 119.
Ein Kind, das in väterlicher Ge-Wer un- mündig und mündig ist. walt ist, wird unmündig genennet: wenn es aber von der väterlichen Gewalt frey wird, so heißet es mündig.
§. 120.
Weil nun die Eltern ihre Kin-Macht der El- tern den Kindern zu befeh- len. der regieren (§. 81) und also ihnen befehlen sollen, was sie zu thun und zu lassen ha- ben (§. 82); so fliesset die Macht zu befeh- len aus der väterlichen Gewalt (§. 118), und haben vermöge dieser Eltern ihre Kin- der dazu zu gewöhnen, daß sie nichts oh- ne ihr Vorwissen und Willen vornehmen dörffen, sondern vielmehr in allem der El- tern Willen ihren Willen seyn lassen. Zu dem Ende haben sie nicht allein sie dazu zu verbinden, daß sie allezeit erst fragen, ob sie dieses oder jenes thun oder lassen dörffen (§. 96); sondern auch stets ihnen zu sagen, was sie bey allen sich ereignenden Gelegen- heiten zu thun und zu lassen haben.
§. 121.
Da die Kinder, so lange sie un-Warum unmün- dige rei- nen Ver- gleich machen dörffen. mündig sind (§. 119) nicht thun dörffen, was sie wollen, sondern erst fragen müs- sen, ob es die Eltern haben wollen oder nicht (§. 120); so können sie auch ohne Ein- willigung der Eltern mit niemanden einen Vergleich aufrichten. Und demnach sind al- le ihre Vergleiche und Verträge ungültig, woferne es nicht solche Dinge betriefft, da
man
F 4
Vaͤterlichen Geſellſchafft.
Gutbefinden einzurichten, wird die vaͤter- liche Gewalt genennet.
§. 119.
Ein Kind, das in vaͤterlicher Ge-Wer un- muͤndig und muͤndig iſt. walt iſt, wird unmuͤndig genennet: wenn es aber von der vaͤterlichen Gewalt frey wird, ſo heißet es muͤndig.
§. 120.
Weil nun die Eltern ihre Kin-Macht der El- tern den Kindern zu befeh- len. der regieren (§. 81) und alſo ihnen befehlen ſollen, was ſie zu thun und zu laſſen ha- ben (§. 82); ſo flieſſet die Macht zu befeh- len aus der vaͤterlichen Gewalt (§. 118), und haben vermoͤge dieſer Eltern ihre Kin- der dazu zu gewoͤhnen, daß ſie nichts oh- ne ihr Vorwiſſen und Willen vornehmen doͤrffen, ſondern vielmehr in allem der El- tern Willen ihren Willen ſeyn laſſen. Zu dem Ende haben ſie nicht allein ſie dazu zu verbinden, daß ſie allezeit erſt fragen, ob ſie dieſes oder jenes thun oder laſſen doͤrffen (§. 96); ſondern auch ſtets ihnen zu ſagen, was ſie bey allen ſich ereignenden Gelegen- heiten zu thun und zu laſſen haben.
§. 121.
Da die Kinder, ſo lange ſie un-Warum unmuͤn- dige rei- nen Ver- gleich machen doͤrffen. muͤndig ſind (§. 119) nicht thun doͤrffen, was ſie wollen, ſondern erſt fragen muͤſ- ſen, ob es die Eltern haben wollen oder nicht (§. 120); ſo koͤnnen ſie auch ohne Ein- willigung der Eltern mit niemanden einen Vergleich aufrichten. Und demnach ſind al- le ihre Vergleiche und Vertraͤge unguͤltig, woferne es nicht ſolche Dinge betriefft, da
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Vaͤterlichen Geſellſchafft.
Gutbefinden einzurichten, wird die vaͤter-
liche Gewalt genennet.
§. 119.Ein Kind, das in vaͤterlicher Ge-
walt iſt, wird unmuͤndig genennet: wenn
es aber von der vaͤterlichen Gewalt frey
wird, ſo heißet es muͤndig.
Wer un-
muͤndig
und
muͤndig
iſt.
§. 120.Weil nun die Eltern ihre Kin-
der regieren (§. 81) und alſo ihnen befehlen
ſollen, was ſie zu thun und zu laſſen ha-
ben (§. 82); ſo flieſſet die Macht zu befeh-
len aus der vaͤterlichen Gewalt (§. 118),
und haben vermoͤge dieſer Eltern ihre Kin-
der dazu zu gewoͤhnen, daß ſie nichts oh-
ne ihr Vorwiſſen und Willen vornehmen
doͤrffen, ſondern vielmehr in allem der El-
tern Willen ihren Willen ſeyn laſſen. Zu
dem Ende haben ſie nicht allein ſie dazu zu
verbinden, daß ſie allezeit erſt fragen, ob
ſie dieſes oder jenes thun oder laſſen doͤrffen
(§. 96); ſondern auch ſtets ihnen zu ſagen,
was ſie bey allen ſich ereignenden Gelegen-
heiten zu thun und zu laſſen haben.
Macht
der El-
tern den
Kindern
zu befeh-
len.
§. 121.Da die Kinder, ſo lange ſie un-
muͤndig ſind (§. 119) nicht thun doͤrffen,
was ſie wollen, ſondern erſt fragen muͤſ-
ſen, ob es die Eltern haben wollen oder
nicht (§. 120); ſo koͤnnen ſie auch ohne Ein-
willigung der Eltern mit niemanden einen
Vergleich aufrichten. Und demnach ſind al-
le ihre Vergleiche und Vertraͤge unguͤltig,
woferne es nicht ſolche Dinge betriefft, da
man
Warum
unmuͤn-
dige rei-
nen Ver-
gleich
machen
doͤrffen.
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/105>, abgerufen am 22.11.2024.
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