Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Von dem Hause. der mit dem Gesinde nicht viel lässet zu thundorbenwerden. haben: allein weil hierdurch bloß die Ge- legenheit benommen, nicht aber das Ge- müthe der Kinder auf gehörige Weise geändert wird, so ist nöthig, daß ich we- nigstens eines und das andere etwas um- ständlicher anführe. Man muß also den Kindern nicht erlauben, daß sie das Gesin- de vor sich etwas heissen, ohne der Eltern Befehl oder Genehmhaltung. Denn da dieses bloß dem Hausvater und der Haus- mutter zustehet (§. 194); so können die- ses die Kinder sich nicht anmassen. Zu dem da die Kinder vor sich nichts thun dörf- fen, sondern alles mit Genehmhaltung der Eltern geschehen sol (§. 82); so kan auch das Gesinde auf ihren Befehl nichts thun, wenn es nicht vorher versichert ist, daß es der Herrschafft ihr Wille ist. Es gewöh- nen sich auch die Kinder dadurch an der Unterthänigkeit der Eltern zu entziehen und zu thun, was sie von ihnen sehen, indem sie unvermerckt auf den Wahn gerathen, sie hätten zu allem so gutes Recht als die Eltern: woraus nach diesem bey allerhand Gelegenheiten allerhand andere Untugen- den fliessen. Uber dieses werden sie hoch- müthig (§. 630 Mor.), und lassen sich be- düncken, sie seyn eben schon, was die El- tern sind: da doch die Demuth eine sehr nothwendige Tugend der Kinder ist (§. 631 Mor.
Von dem Hauſe. der mit dem Geſinde nicht viel laͤſſet zu thundorbenwerden. haben: allein weil hierdurch bloß die Ge- legenheit benommen, nicht aber das Ge- muͤthe der Kinder auf gehoͤrige Weiſe geaͤndert wird, ſo iſt noͤthig, daß ich we- nigſtens eines und das andere etwas um- ſtaͤndlicher anfuͤhre. Man muß alſo den Kindern nicht erlauben, daß ſie das Geſin- de vor ſich etwas heiſſen, ohne der Eltern Befehl oder Genehmhaltung. Denn da dieſes bloß dem Hausvater und der Haus- mutter zuſtehet (§. 194); ſo koͤnnen die- ſes die Kinder ſich nicht anmaſſen. Zu dem da die Kinder vor ſich nichts thun doͤrf- fen, ſondern alles mit Genehmhaltung der Eltern geſchehen ſol (§. 82); ſo kan auch das Geſinde auf ihren Befehl nichts thun, wenn es nicht vorher verſichert iſt, daß es der Herrſchafft ihr Wille iſt. Es gewoͤh- nen ſich auch die Kinder dadurch an der Unterthaͤnigkeit der Eltern zu entziehen und zu thun, was ſie von ihnen ſehen, indem ſie unvermerckt auf den Wahn gerathen, ſie haͤtten zu allem ſo gutes Recht als die Eltern: woraus nach dieſem bey allerhand Gelegenheiten allerhand andere Untugen- den flieſſen. Uber dieſes werden ſie hoch- muͤthig (§. 630 Mor.), und laſſen ſich be- duͤncken, ſie ſeyn eben ſchon, was die El- tern ſind: da doch die Demuth eine ſehr nothwendige Tugend der Kinder iſt (§. 631 Mor.
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Von dem Hauſe.
der mit dem Geſinde nicht viel laͤſſet zu thun
haben: allein weil hierdurch bloß die Ge-
legenheit benommen, nicht aber das Ge-
muͤthe der Kinder auf gehoͤrige Weiſe
geaͤndert wird, ſo iſt noͤthig, daß ich we-
nigſtens eines und das andere etwas um-
ſtaͤndlicher anfuͤhre. Man muß alſo den
Kindern nicht erlauben, daß ſie das Geſin-
de vor ſich etwas heiſſen, ohne der Eltern
Befehl oder Genehmhaltung. Denn da
dieſes bloß dem Hausvater und der Haus-
mutter zuſtehet (§. 194); ſo koͤnnen die-
ſes die Kinder ſich nicht anmaſſen. Zu
dem da die Kinder vor ſich nichts thun doͤrf-
fen, ſondern alles mit Genehmhaltung der
Eltern geſchehen ſol (§. 82); ſo kan auch
das Geſinde auf ihren Befehl nichts thun,
wenn es nicht vorher verſichert iſt, daß es
der Herrſchafft ihr Wille iſt. Es gewoͤh-
nen ſich auch die Kinder dadurch an der
Unterthaͤnigkeit der Eltern zu entziehen und
zu thun, was ſie von ihnen ſehen, indem
ſie unvermerckt auf den Wahn gerathen,
ſie haͤtten zu allem ſo gutes Recht als die
Eltern: woraus nach dieſem bey allerhand
Gelegenheiten allerhand andere Untugen-
den flieſſen. Uber dieſes werden ſie hoch-
muͤthig (§. 630 Mor.), und laſſen ſich be-
duͤncken, ſie ſeyn eben ſchon, was die El-
tern ſind: da doch die Demuth eine ſehr
nothwendige Tugend der Kinder iſt (§. 631
Mor.
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