Arbeit und Bemühung so verschiedener Menschen dazu erfordert worden. Und wer dieses erkennet, wird mehr als zu deutlich begreiffen, daß in einem Hause, es mag so weitläufftig eingerichtet seyn als es immer mehr wil, man unmöglich alles erhalten kan, was zur Bequemlichkeit des Lebens erfordert wird. Und dannenhero kan kein Haus vor sich allein wohl bestehen; son- dern es ist nöthig, daß sich viele Häuser in eine Gesellschafft zusammen begeben, die um so viel vollkommener ist, jemehr derselben sind, und je geschickter die Verrichtungen, welche zur Bequemlichkeit des Lebens erfor- dert werden, dadurch vertheilet sind. Die Erfahrung stimmet mit überein: denn man findet, was für ein Unterscheid ist zwischen Dörffern und Städten, ingleichen zwischen kleinen Städten und grossen, wo man al- les haben kan.
Einwurff wird be- antwor- tet.
§. 211.
Vielleicht werden einige ein- wenden, der Uberfluß mache den Menschen die meiste Mühe in der Welt, und würde es solcher Weitläufftigkeiten gar nicht brau- chen, wenn man wie die Thiere damit zu- frieden wäre, was die Nothdurfft des Lei- bes erfordert. Allein unerachtet hierunter etwas wahres ist, welches dem Einwurffe einen Schein giebet; so finde ich doch da- gegen verschiedenes zu errinnern. Jch sage anfangs, es sey etwas wahres darunter.
Nem-
Das 1. Capitel
Arbeit und Bemuͤhung ſo verſchiedener Menſchen dazu erfordert worden. Und wer dieſes erkennet, wird mehr als zu deutlich begreiffen, daß in einem Hauſe, es mag ſo weitlaͤufftig eingerichtet ſeyn als es immer mehr wil, man unmoͤglich alles erhalten kan, was zur Bequemlichkeit des Lebens erfordert wird. Und dannenhero kan kein Haus vor ſich allein wohl beſtehen; ſon- dern es iſt noͤthig, daß ſich viele Haͤuſer in eine Geſellſchafft zuſammen begeben, die um ſo viel vollkommener iſt, jemehr derſelben ſind, und je geſchickter die Verrichtungen, welche zur Bequemlichkeit des Lebens erfor- dert werden, dadurch vertheilet ſind. Die Erfahrung ſtimmet mit uͤberein: denn man findet, was fuͤr ein Unterſcheid iſt zwiſchen Doͤrffern und Staͤdten, ingleichen zwiſchen kleinen Staͤdten und groſſen, wo man al- les haben kan.
Einwuꝛff wird be- antwor- tet.
§. 211.
Vielleicht werden einige ein- wenden, der Uberfluß mache den Menſchen die meiſte Muͤhe in der Welt, und wuͤrde es ſolcher Weitlaͤufftigkeiten gar nicht brau- chen, wenn man wie die Thiere damit zu- frieden waͤre, was die Nothdurfft des Lei- bes erfordert. Allein unerachtet hierunter etwas wahres iſt, welches dem Einwurffe einen Schein giebet; ſo finde ich doch da- gegen verſchiedenes zu errinnern. Jch ſage anfangs, es ſey etwas wahres darunter.
Nem-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0170"n="152"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Das 1. Capitel</hi></fw><lb/>
Arbeit und Bemuͤhung ſo verſchiedener<lb/>
Menſchen dazu erfordert worden. Und wer<lb/>
dieſes erkennet, wird mehr als zu deutlich<lb/>
begreiffen, daß in einem Hauſe, es mag ſo<lb/>
weitlaͤufftig eingerichtet ſeyn als es immer<lb/>
mehr wil, man unmoͤglich alles erhalten<lb/>
kan, was zur Bequemlichkeit des Lebens<lb/>
erfordert wird. Und dannenhero kan kein<lb/>
Haus vor ſich allein wohl beſtehen; ſon-<lb/>
dern es iſt noͤthig, daß ſich viele Haͤuſer in<lb/>
eine Geſellſchafft zuſammen begeben, die um<lb/>ſo viel vollkommener iſt, jemehr derſelben<lb/>ſind, und je geſchickter die Verrichtungen,<lb/>
welche zur Bequemlichkeit des Lebens erfor-<lb/>
dert werden, dadurch vertheilet ſind. Die<lb/>
Erfahrung ſtimmet mit uͤberein: denn man<lb/>
findet, was fuͤr ein Unterſcheid iſt zwiſchen<lb/>
Doͤrffern und Staͤdten, ingleichen zwiſchen<lb/>
kleinen Staͤdten und groſſen, wo man al-<lb/>
les haben kan.</p><lb/><noteplace="left">Einwuꝛff<lb/>
wird be-<lb/>
antwor-<lb/>
tet.</note></div><lb/><divn="4"><head>§. 211.</head><p>Vielleicht werden einige ein-<lb/>
wenden, der Uberfluß mache den Menſchen<lb/>
die meiſte Muͤhe in der Welt, und wuͤrde<lb/>
es ſolcher Weitlaͤufftigkeiten gar nicht brau-<lb/>
chen, wenn man wie die Thiere damit zu-<lb/>
frieden waͤre, was die Nothdurfft des Lei-<lb/>
bes erfordert. Allein unerachtet hierunter<lb/>
etwas wahres iſt, welches dem Einwurffe<lb/>
einen Schein giebet; ſo finde ich doch da-<lb/>
gegen verſchiedenes zu errinnern. Jch ſage<lb/>
anfangs, es ſey etwas wahres darunter.<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Nem-</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[152/0170]
Das 1. Capitel
Arbeit und Bemuͤhung ſo verſchiedener
Menſchen dazu erfordert worden. Und wer
dieſes erkennet, wird mehr als zu deutlich
begreiffen, daß in einem Hauſe, es mag ſo
weitlaͤufftig eingerichtet ſeyn als es immer
mehr wil, man unmoͤglich alles erhalten
kan, was zur Bequemlichkeit des Lebens
erfordert wird. Und dannenhero kan kein
Haus vor ſich allein wohl beſtehen; ſon-
dern es iſt noͤthig, daß ſich viele Haͤuſer in
eine Geſellſchafft zuſammen begeben, die um
ſo viel vollkommener iſt, jemehr derſelben
ſind, und je geſchickter die Verrichtungen,
welche zur Bequemlichkeit des Lebens erfor-
dert werden, dadurch vertheilet ſind. Die
Erfahrung ſtimmet mit uͤberein: denn man
findet, was fuͤr ein Unterſcheid iſt zwiſchen
Doͤrffern und Staͤdten, ingleichen zwiſchen
kleinen Staͤdten und groſſen, wo man al-
les haben kan.
§. 211.Vielleicht werden einige ein-
wenden, der Uberfluß mache den Menſchen
die meiſte Muͤhe in der Welt, und wuͤrde
es ſolcher Weitlaͤufftigkeiten gar nicht brau-
chen, wenn man wie die Thiere damit zu-
frieden waͤre, was die Nothdurfft des Lei-
bes erfordert. Allein unerachtet hierunter
etwas wahres iſt, welches dem Einwurffe
einen Schein giebet; ſo finde ich doch da-
gegen verſchiedenes zu errinnern. Jch ſage
anfangs, es ſey etwas wahres darunter.
Nem-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/170>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.