es ist niemand verbunden fremden zu helf- fen, wenn dadurch die Wohlfahrt derer, die mit uns in einem gemeinen Wesen le- ben, nachgesetzet werden solte.
Gemei- nes We- senst ellet eine Per- son vor.
§. 220.
Weil man in einem gemeinen Wesen mit vereinigten Kräfften dasjenige zu erhalten suchet, was ein jeder Mensch zu suchen von Natur verbunden ist (§. 213) so kan man ein gemeines Wesen als eine eintzele Person ansehen. Und demnach verhalten sich viele gemeine Wesen gegen einander wie verschiedene eintzele Perso- nen.
Grund des Rech- tens zwi- schen ver- schiede- nen ge- meinen Wesen.
§. 221.
Derowegen wenn wir verstehen, was eine Person der andern schuldig ist, wie wir solches bereits (Part. 4 Mor) aus- geführet; so wissen wir auch, was ein ge- meines Wesen für Pflichten gegen andere hat. Und hieraus lassen sich viele wichti- ge Fragen entscheiden, was zwischen ver- schiedenen gemeinen Wesen in allerhand Fällen rechtens ist.
Grund der Ein- richtung des ge- meinen Wesens.
§. 222.
Weil man nun deswegen ein gemeines Wesen einführet, damit man die gemeine Wohlfahrt desto bequemer erhal- ten und die gemeine Sicherheit befördern kan (§. 213); so muß man dasselbe derge- stalt einrichten, daß es an nöthigen Mit- teln diese Absicht zu erreichen nicht fehlet.
Welche Art des gemeinen
§. 223.
Und demnach ist diejenige Art des gemeinen Wesens die beste, wo die ge-
meine
Das 1. Capitel Von dem
es iſt niemand verbunden fremden zu helf- fen, wenn dadurch die Wohlfahrt derer, die mit uns in einem gemeinen Weſen le- ben, nachgeſetzet werden ſolte.
Gemei- nes We- ſenſt ellet eine Per- ſon vor.
§. 220.
Weil man in einem gemeinen Weſen mit vereinigten Kraͤfften dasjenige zu erhalten ſuchet, was ein jeder Menſch zu ſuchen von Natur verbunden iſt (§. 213) ſo kan man ein gemeines Weſen als eine eintzele Perſon anſehen. Und demnach verhalten ſich viele gemeine Weſen gegen einander wie verſchiedene eintzele Perſo- nen.
Grund des Rech- tens zwi- ſchen ver- ſchiede- nen ge- meinen Weſen.
§. 221.
Derowegen wenn wir verſtehen, was eine Perſon der andern ſchuldig iſt, wie wir ſolches bereits (Part. 4 Mor) aus- gefuͤhret; ſo wiſſen wir auch, was ein ge- meines Weſen fuͤr Pflichten gegen andere hat. Und hieraus laſſen ſich viele wichti- ge Fragen entſcheiden, was zwiſchen ver- ſchiedenen gemeinen Weſen in allerhand Faͤllen rechtens iſt.
Grund der Ein- richtung des ge- meinen Weſens.
§. 222.
Weil man nun deswegen ein gemeines Weſen einfuͤhret, damit man die gemeine Wohlfahrt deſto bequemer erhal- ten und die gemeine Sicherheit befoͤrdern kan (§. 213); ſo muß man daſſelbe derge- ſtalt einrichten, daß es an noͤthigen Mit- teln dieſe Abſicht zu erreichen nicht fehlet.
Welche Art des gemeinen
§. 223.
Und demnach iſt diejenige Art des gemeinen Weſens die beſte, wo die ge-
meine
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Das 1. Capitel Von dem
es iſt niemand verbunden fremden zu helf-
fen, wenn dadurch die Wohlfahrt derer,
die mit uns in einem gemeinen Weſen le-
ben, nachgeſetzet werden ſolte.
§. 220.Weil man in einem gemeinen
Weſen mit vereinigten Kraͤfften dasjenige
zu erhalten ſuchet, was ein jeder Menſch
zu ſuchen von Natur verbunden iſt (§. 213)
ſo kan man ein gemeines Weſen als eine
eintzele Perſon anſehen. Und demnach
verhalten ſich viele gemeine Weſen gegen
einander wie verſchiedene eintzele Perſo-
nen.
§. 221.Derowegen wenn wir verſtehen,
was eine Perſon der andern ſchuldig iſt,
wie wir ſolches bereits (Part. 4 Mor) aus-
gefuͤhret; ſo wiſſen wir auch, was ein ge-
meines Weſen fuͤr Pflichten gegen andere
hat. Und hieraus laſſen ſich viele wichti-
ge Fragen entſcheiden, was zwiſchen ver-
ſchiedenen gemeinen Weſen in allerhand
Faͤllen rechtens iſt.
§. 222.Weil man nun deswegen ein
gemeines Weſen einfuͤhret, damit man die
gemeine Wohlfahrt deſto bequemer erhal-
ten und die gemeine Sicherheit befoͤrdern
kan (§. 213); ſo muß man daſſelbe derge-
ſtalt einrichten, daß es an noͤthigen Mit-
teln dieſe Abſicht zu erreichen nicht fehlet.
§. 223.Und demnach iſt diejenige Art
des gemeinen Weſens die beſte, wo die ge-
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/178>, abgerufen am 21.11.2024.
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