Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Cap. 2. Von den verschiedenen als sie verstehen, was zu thun ist; so tro-tzen sie auf ihre Freyheit, und aus Hart- näckigkeit lassen sie lieber alles zu Grunde gehen, ehe sie sich nach andern bequeme- ten und dadurch ihrer Freyheit etwas zu ver- geben vermeineten. Derowegen gehet es in einer Politie öffters schweer und lang- sam her, daß man zu einem Schlusse kom- men kan: wodurch absonderlich auswär- tige Feinde Gelegenheit finden, grösseren Schaden zu thun, als sonst geschehen wür- de, wo man bey Zeiten nützliche Gegenan- stalten machen könte. Am allermeisten a- ber sind hier die Partheyen, welche so wohl als in der Aristocratie gemacht werden (§. 261), schädlich, weil in der grossen Men- ge derselben mehr seyn können, als wo wenige Personen sich in Partheyen verthei- len sollen. Hierzu kommet, daß man in einer Politie gleich auf Aenderungen den- cket, so bald man einige Anstalten unbe- quem zu finden vermeinet. Es entstehet auch nicht eher eine innerliche Unruhe als in einer Politie, wo immer eine Parthey wie- der die andere ist, absonderlich wenn die eine sich mehr Macht anmasset als sie solte, und mit Gewalt durchdringen wil, oder auch wenn sie vermeinet, die andere sey ih- rem Interesse entgegen, und sie hingegen in dem Stande die andere unterzudrü- cken. §. 264.
Cap. 2. Von den verſchiedenen als ſie verſtehen, was zu thun iſt; ſo tro-tzen ſie auf ihre Freyheit, und aus Hart- naͤckigkeit laſſen ſie lieber alles zu Grunde gehen, ehe ſie ſich nach andern bequeme- ten und dadurch ihrer Freyheit etwas zu ver- geben vermeineten. Derowegen gehet es in einer Politie oͤffters ſchweer und lang- ſam her, daß man zu einem Schluſſe kom- men kan: wodurch abſonderlich auswaͤr- tige Feinde Gelegenheit finden, groͤſſeren Schaden zu thun, als ſonſt geſchehen wuͤr- de, wo man bey Zeiten nuͤtzliche Gegenan- ſtalten machen koͤnte. Am allermeiſten a- ber ſind hier die Partheyen, welche ſo wohl als in der Ariſtocratie gemacht werden (§. 261), ſchaͤdlich, weil in der groſſen Men- ge derſelben mehr ſeyn koͤnnen, als wo wenige Perſonen ſich in Partheyen verthei- len ſollen. Hierzu kommet, daß man in einer Politie gleich auf Aenderungen den- cket, ſo bald man einige Anſtalten unbe- quem zu finden vermeinet. Es entſtehet auch nicht eher eine innerliche Unruhe als in einer Politie, wo immer eine Parthey wie- der die andere iſt, abſonderlich wenn die eine ſich mehr Macht anmaſſet als ſie ſolte, und mit Gewalt durchdringen wil, oder auch wenn ſie vermeinet, die andere ſey ih- rem Intereſſe entgegen, und ſie hingegen in dem Stande die andere unterzudruͤ- cken. §. 264.
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Cap. 2. Von den verſchiedenen
als ſie verſtehen, was zu thun iſt; ſo tro-
tzen ſie auf ihre Freyheit, und aus Hart-
naͤckigkeit laſſen ſie lieber alles zu Grunde
gehen, ehe ſie ſich nach andern bequeme-
ten und dadurch ihrer Freyheit etwas zu ver-
geben vermeineten. Derowegen gehet es
in einer Politie oͤffters ſchweer und lang-
ſam her, daß man zu einem Schluſſe kom-
men kan: wodurch abſonderlich auswaͤr-
tige Feinde Gelegenheit finden, groͤſſeren
Schaden zu thun, als ſonſt geſchehen wuͤr-
de, wo man bey Zeiten nuͤtzliche Gegenan-
ſtalten machen koͤnte. Am allermeiſten a-
ber ſind hier die Partheyen, welche ſo wohl
als in der Ariſtocratie gemacht werden (§.
261), ſchaͤdlich, weil in der groſſen Men-
ge derſelben mehr ſeyn koͤnnen, als wo
wenige Perſonen ſich in Partheyen verthei-
len ſollen. Hierzu kommet, daß man in
einer Politie gleich auf Aenderungen den-
cket, ſo bald man einige Anſtalten unbe-
quem zu finden vermeinet. Es entſtehet
auch nicht eher eine innerliche Unruhe als in
einer Politie, wo immer eine Parthey wie-
der die andere iſt, abſonderlich wenn die
eine ſich mehr Macht anmaſſet als ſie ſolte,
und mit Gewalt durchdringen wil, oder
auch wenn ſie vermeinet, die andere ſey ih-
rem Intereſſe entgegen, und ſie hingegen
in dem Stande die andere unterzudruͤ-
cken.
§. 264.
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