Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.des gemeinen Wesens. man leicht. Denn ohne dieses pfleget es zugeschehen, daß die Lernenden entweder eine Sache gar verachten und nicht einmahl kommen sie anzuhören, oder doch wenigstens nicht recht darauf acht haben, noch mit Fleiß wiederhohlen. Wo Lernende vor sich verstehen, was ihnen gut ist, und eine Lust zu lernen haben, da braucht es dieser Verbindlichkeit nicht (§. 24. Mor.): hingegen wo sie nicht wissen, was ihnen gut ist, und Gelegenheit sich er- eignen kan, daß sie durch ungegründete Vorstellungen abgehalten werden zu lernen, was sich gebührete, da wird sie hauptsäch- lich erfordert. Und ist dannenhero ein gros- ser Verderb, wenn man den Lernenden hierinnen völlige Freyheit überlässet, daß sie zu ihrem grossen Schaden entweder gar nicht lernen, was ihnen höchstnöthig u. nütz- lich wäre, oder doch zur Unzeit, indem sie nachsetzen, was vorher gehen solte und zu erst lernen, was sich zuletzt zu lernen gehörete. Aus welcher Unordnung erfolget, daß sie mit vielem Fleiße und Bemühung nichts gründliches lernen, auch dasjenige, was sie endlich ins Gedächtniß fassen, nur oben- hin zu lernen mehr Zeit und Mühe anwen- den müssen, als sie sonst eben dasselbe aus dem Grunde zu lernen nicht nöthig hätten. Die tägliche Erfahrung bekräfftiget dieses auf unsern Universitäten und ist nicht nöthig sol-
des gemeinen Weſens. man leicht. Denn ohne dieſes pfleget es zugeſchehen, daß die Lernenden entweder eine Sache gar verachten und nicht einmahl kommen ſie anzuhoͤren, oder doch wenigſtens nicht recht darauf acht haben, noch mit Fleiß wiederhohlen. Wo Lernende vor ſich verſtehen, was ihnen gut iſt, und eine Luſt zu lernen haben, da braucht es dieſer Verbindlichkeit nicht (§. 24. Mor.): hingegen wo ſie nicht wiſſen, was ihnen gut iſt, und Gelegenheit ſich er- eignen kan, daß ſie durch ungegruͤndete Vorſtellungen abgehalten werden zu lernen, was ſich gebuͤhrete, da wird ſie hauptſaͤch- lich erfordert. Und iſt dannenhero ein groſ- ſer Verderb, wenn man den Lernenden hierinnen voͤllige Freyheit uͤberlaͤſſet, daß ſie zu ihrem groſſen Schaden entweder gar nicht lernen, was ihnen hoͤchſtnoͤthig u. nuͤtz- lich waͤre, oder doch zur Unzeit, indem ſie nachſetzen, was vorher gehen ſolte und zu erſt lernen, was ſich zuletzt zu lernen gehoͤrete. Aus welcher Unordnung erfolget, daß ſie mit vielem Fleiße und Bemuͤhung nichts gruͤndliches lernen, auch dasjenige, was ſie endlich ins Gedaͤchtniß faſſen, nur oben- hin zu lernen mehr Zeit und Muͤhe anwen- den muͤſſen, als ſie ſonſt eben daſſelbe aus dem Grunde zu lernen nicht noͤthig haͤtten. Die taͤgliche Erfahrung bekraͤfftiget dieſes auf unſern Univerſitaͤten und iſt nicht noͤthig ſol-
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des gemeinen Weſens.
man leicht. Denn ohne dieſes pfleget es zu
geſchehen, daß die Lernenden entweder eine
Sache gar verachten und nicht einmahl
kommen ſie anzuhoͤren, oder doch wenigſtens
nicht recht darauf acht haben, noch mit
Fleiß wiederhohlen. Wo Lernende vor
ſich verſtehen, was ihnen gut iſt, und eine
Luſt zu lernen haben, da braucht es dieſer
Verbindlichkeit nicht (§. 24. Mor.):
hingegen wo ſie nicht wiſſen, was
ihnen gut iſt, und Gelegenheit ſich er-
eignen kan, daß ſie durch ungegruͤndete
Vorſtellungen abgehalten werden zu lernen,
was ſich gebuͤhrete, da wird ſie hauptſaͤch-
lich erfordert. Und iſt dannenhero ein groſ-
ſer Verderb, wenn man den Lernenden
hierinnen voͤllige Freyheit uͤberlaͤſſet, daß ſie
zu ihrem groſſen Schaden entweder gar
nicht lernen, was ihnen hoͤchſtnoͤthig u. nuͤtz-
lich waͤre, oder doch zur Unzeit, indem ſie
nachſetzen, was vorher gehen ſolte und zu erſt
lernen, was ſich zuletzt zu lernen gehoͤrete.
Aus welcher Unordnung erfolget, daß ſie
mit vielem Fleiße und Bemuͤhung nichts
gruͤndliches lernen, auch dasjenige, was ſie
endlich ins Gedaͤchtniß faſſen, nur oben-
hin zu lernen mehr Zeit und Muͤhe anwen-
den muͤſſen, als ſie ſonſt eben daſſelbe aus
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Die taͤgliche Erfahrung bekraͤfftiget dieſes
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