Vielleicht werden einige mei- nen, es sey nicht nöthig, daß man beson- dere Kirchen erbaue, indem man in ge- meinen Gebäuden die Zusammenkünffte anstellen könne. Am allermeisten aber wer- den sie sich wundern, daß man die Noth- wendigkeit der Kirchen aus der Vernunfft beweisen wil, massen wir in der Welt- Weisheit, die wir hier abhandeln, nichts anders annehmen, als was wir aus den Gründen der Vernunfft erhärten können. Ja wir haben auch zum Beweise keine an- dere Gründe angeführet, als die aus der Vernunfft genommen werden (§. 320). Allein der Zweiffel kan bald benommen werden. Wenn in einem Orte wenige Leu- te bey einander sind, und ein grosses und hohes Zimmer in einem Gebäude vorhan- den, darinnen sie ihre Zusammenkünffte anstellen können; so brauchet es freylich keine besondere Gebäude zu den Kirchen. Wo aber die Menge groß ist, daß sie nicht in gemeinen Häusern zusammen kommen können, wenn man nicht die Zahl der Leh- rer ohne Noth und mit grosser Beschwer- de der Gemeinen vielfältigen wolte: da siehet man vor sich, daß besondere Gebäu- de oder Kirchen dazu müssen erbauet wer- den. Man begreiffet auch leicht, daß die Kirchen anders als gemeine Häuser aus- sehen müssen. Denn da man in der Kir-
che
Cap. 3. Von der Einrichtung
Einwurf wird be- antwor- wortet.
§. 321.
Vielleicht werden einige mei- nen, es ſey nicht noͤthig, daß man beſon- dere Kirchen erbaue, indem man in ge- meinen Gebaͤuden die Zuſammenkuͤnffte anſtellen koͤnne. Am allermeiſten aber wer- den ſie ſich wundern, daß man die Noth- wendigkeit der Kirchen aus der Vernunfft beweiſen wil, maſſen wir in der Welt- Weisheit, die wir hier abhandeln, nichts anders annehmen, als was wir aus den Gruͤnden der Vernunfft erhaͤrten koͤnnen. Ja wir haben auch zum Beweiſe keine an- dere Gruͤnde angefuͤhret, als die aus der Vernunfft genommen werden (§. 320). Allein der Zweiffel kan bald benommen werden. Wenn in einem Orte wenige Leu- te bey einander ſind, und ein groſſes und hohes Zimmer in einem Gebaͤude vorhan- den, darinnen ſie ihre Zuſammenkuͤnffte anſtellen koͤnnen; ſo brauchet es freylich keine beſondere Gebaͤude zu den Kirchen. Wo aber die Menge groß iſt, daß ſie nicht in gemeinen Haͤuſern zuſammen kommen koͤnnen, wenn man nicht die Zahl der Leh- rer ohne Noth und mit groſſer Beſchwer- de der Gemeinen vielfaͤltigen wolte: da ſiehet man vor ſich, daß beſondere Gebaͤu- de oder Kirchen dazu muͤſſen erbauet wer- den. Man begreiffet auch leicht, daß die Kirchen anders als gemeine Haͤuſer aus- ſehen muͤſſen. Denn da man in der Kir-
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[160[260]/0278]
Cap. 3. Von der Einrichtung
§. 321.Vielleicht werden einige mei-
nen, es ſey nicht noͤthig, daß man beſon-
dere Kirchen erbaue, indem man in ge-
meinen Gebaͤuden die Zuſammenkuͤnffte
anſtellen koͤnne. Am allermeiſten aber wer-
den ſie ſich wundern, daß man die Noth-
wendigkeit der Kirchen aus der Vernunfft
beweiſen wil, maſſen wir in der Welt-
Weisheit, die wir hier abhandeln, nichts
anders annehmen, als was wir aus den
Gruͤnden der Vernunfft erhaͤrten koͤnnen.
Ja wir haben auch zum Beweiſe keine an-
dere Gruͤnde angefuͤhret, als die aus der
Vernunfft genommen werden (§. 320).
Allein der Zweiffel kan bald benommen
werden. Wenn in einem Orte wenige Leu-
te bey einander ſind, und ein groſſes und
hohes Zimmer in einem Gebaͤude vorhan-
den, darinnen ſie ihre Zuſammenkuͤnffte
anſtellen koͤnnen; ſo brauchet es freylich
keine beſondere Gebaͤude zu den Kirchen.
Wo aber die Menge groß iſt, daß ſie nicht
in gemeinen Haͤuſern zuſammen kommen
koͤnnen, wenn man nicht die Zahl der Leh-
rer ohne Noth und mit groſſer Beſchwer-
de der Gemeinen vielfaͤltigen wolte: da
ſiehet man vor ſich, daß beſondere Gebaͤu-
de oder Kirchen dazu muͤſſen erbauet wer-
den. Man begreiffet auch leicht, daß die
Kirchen anders als gemeine Haͤuſer aus-
ſehen muͤſſen. Denn da man in der Kir-
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 160[260]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/278>, abgerufen am 22.11.2024.
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