Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Cap. 3. Von der Einrichtung bey dem Rathhause, welches nach untenanzuführenden Ursachen mitten in der Stadt liegen muß. Die Gerichtsstäte lieget ausserhalb der Stadt und den Vor- städten im freyen Felde, absonderlich auch wegen des Gestanckes der Leichnamme, die über der Erden bleiben, als z. E. bey uns der erhenckten und geräderten, und des Schind-Angers, wo das verreckte Vieh abgezogen wird, den man deswegen zur Gerichtsstäte zu legen hat, damit man zu verstehen giebet, ein Mensch, der durch den Trieb seiner Sinnnen und Affecten sich zu Schand- und Ubel-Thaten verlei- ten lässet, und die Vernunfft, welche ihn zum guten verbindet (§. 24 Mor.), gantz und gar bey Seite setzet, sey nicht anders als einem Viehe und insonderheit einem ra- senden Hunde gleich zu achten, der weiter zu nichts nutzet, als daß man ihn todtschläget und auf den Schind-Anger den Raben und andern Raub-Vögeln zur Speise hin- wirfft. Und so kan es auch dieser Ursa- chen halber nicht anders seyn, als daß die Gerichtsstäte von dem Orte, wo die Ver- urtheilung geschiehet, weit abgelegen. die Ge- richtsste- te an der Land- Strasse liegen/ §. 352. Aus eben dieser Ursache ist nö- an
Cap. 3. Von der Einrichtung bey dem Rathhauſe, welches nach untenanzufuͤhrenden Urſachen mitten in der Stadt liegen muß. Die Gerichtsſtaͤte lieget auſſerhalb der Stadt und den Vor- ſtaͤdten im freyen Felde, abſonderlich auch wegen des Geſtanckes der Leichnamme, die uͤber der Erden bleiben, als z. E. bey uns der erhenckten und geraͤderten, und des Schind-Angers, wo das verreckte Vieh abgezogen wird, den man deswegen zur Gerichtsſtaͤte zu legen hat, damit man zu verſtehen giebet, ein Menſch, der durch den Trieb ſeiner Sinnnen und Affecten ſich zu Schand- und Ubel-Thaten verlei- ten laͤſſet, und die Vernunfft, welche ihn zum guten verbindet (§. 24 Mor.), gantz und gar bey Seite ſetzet, ſey nicht anders als einem Viehe und inſonderheit einem ra- ſenden Hunde gleich zu achten, der weiter zu nichts nutzet, als daß man ihn todtſchlaͤget und auf den Schind-Anger den Raben und andern Raub-Voͤgeln zur Speiſe hin- wirfft. Und ſo kan es auch dieſer Urſa- chen halber nicht anders ſeyn, als daß die Gerichtsſtaͤte von dem Orte, wo die Ver- urtheilung geſchiehet, weit abgelegen. die Ge- richtsſte- te an der Land- Straſſe liegen/ §. 352. Aus eben dieſer Urſache iſt noͤ- an
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0312" n="294"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 3. Von der Einrichtung</hi></fw><lb/> bey dem Rathhauſe, welches nach unten<lb/> anzufuͤhrenden Urſachen mitten in der<lb/> Stadt liegen muß. Die Gerichtsſtaͤte<lb/> lieget auſſerhalb der Stadt und den Vor-<lb/> ſtaͤdten im freyen Felde, abſonderlich auch<lb/> wegen des Geſtanckes der Leichnamme, die<lb/> uͤber der Erden bleiben, als z. E. bey uns<lb/> der erhenckten und geraͤderten, und des<lb/> Schind-Angers, wo das verreckte Vieh<lb/> abgezogen wird, den man deswegen zur<lb/> Gerichtsſtaͤte zu legen hat, damit man zu<lb/> verſtehen giebet, ein Menſch, der durch<lb/> den Trieb ſeiner Sinnnen und Affecten<lb/> ſich zu Schand- und Ubel-Thaten verlei-<lb/> ten laͤſſet, und die Vernunfft, welche ihn<lb/> zum guten verbindet (§. 24 <hi rendition="#aq">Mor.</hi>), gantz<lb/> und gar bey Seite ſetzet, ſey nicht anders<lb/> als einem Viehe und inſonderheit einem ra-<lb/> ſenden Hunde gleich zu achten, der weiter zu<lb/> nichts nutzet, als daß man ihn todtſchlaͤget<lb/> und auf den Schind-Anger den Raben und<lb/> andern Raub-Voͤgeln zur Speiſe hin-<lb/> wirfft. Und ſo kan es auch dieſer Urſa-<lb/> chen halber nicht anders ſeyn, als daß die<lb/> Gerichtsſtaͤte von dem Orte, wo die Ver-<lb/> urtheilung geſchiehet, weit abgelegen.</p><lb/> <note place="left">Warum<lb/> die Ge-<lb/> richtsſte-<lb/> te an der<lb/> Land-<lb/> Straſſe<lb/> liegen/</note> </div><lb/> <div n="4"> <head>§. 352.</head> <p>Aus eben dieſer Urſache iſt noͤ-<lb/> thig, daß das Gerichte an einer oͤffentli-<lb/> chen Land-Straſſe lieget, und zwar an<lb/> derjenigen, wo die meiſten reiſenden paſ-<lb/> ſiren, damit deſto mehr Gelegenheit iſt<lb/> <fw place="bottom" type="catch">an</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [294/0312]
Cap. 3. Von der Einrichtung
bey dem Rathhauſe, welches nach unten
anzufuͤhrenden Urſachen mitten in der
Stadt liegen muß. Die Gerichtsſtaͤte
lieget auſſerhalb der Stadt und den Vor-
ſtaͤdten im freyen Felde, abſonderlich auch
wegen des Geſtanckes der Leichnamme, die
uͤber der Erden bleiben, als z. E. bey uns
der erhenckten und geraͤderten, und des
Schind-Angers, wo das verreckte Vieh
abgezogen wird, den man deswegen zur
Gerichtsſtaͤte zu legen hat, damit man zu
verſtehen giebet, ein Menſch, der durch
den Trieb ſeiner Sinnnen und Affecten
ſich zu Schand- und Ubel-Thaten verlei-
ten laͤſſet, und die Vernunfft, welche ihn
zum guten verbindet (§. 24 Mor.), gantz
und gar bey Seite ſetzet, ſey nicht anders
als einem Viehe und inſonderheit einem ra-
ſenden Hunde gleich zu achten, der weiter zu
nichts nutzet, als daß man ihn todtſchlaͤget
und auf den Schind-Anger den Raben und
andern Raub-Voͤgeln zur Speiſe hin-
wirfft. Und ſo kan es auch dieſer Urſa-
chen halber nicht anders ſeyn, als daß die
Gerichtsſtaͤte von dem Orte, wo die Ver-
urtheilung geſchiehet, weit abgelegen.
§. 352.Aus eben dieſer Urſache iſt noͤ-
thig, daß das Gerichte an einer oͤffentli-
chen Land-Straſſe lieget, und zwar an
derjenigen, wo die meiſten reiſenden paſ-
ſiren, damit deſto mehr Gelegenheit iſt
an
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |