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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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des gemeinen Wesens.
man hingegen, daß es anders beschaffen,
als wie es erwiesen; so lernet man, wor-
innen noch eine Besserung vorzunehmen.
Und dieses ist von allen übrigen Materien
gleichfalls zu behalten.

§. 371

Man siehet aber leicht, wenn einWelcher
Tod-
schlag zu
bestrafen

Todschlag zu bestraffen ist, nemlich wenn er
aus Vorsatz geschehen, indem der Todschlä-
ger entweder aus Rachgier oder anderen
Absichten, als seine Ubelthaten zu ver-
bergen, oder einen Diebstahl zu vollbrin-
gen etc. den andern um das Leben zu brin-
gen sich vornimmet, oder doch wenigstens
ihm einen Schaden an seinem Leibe zuzu-
fügen gedencket, daraus nach diesem der
Tod des andern erfolget, als wenn einer
den andern nur verwunden, nicht aber er-
stechen wil, der Stich aber mislinget.
Denn unerachtet er im letzten Falle nicht
den Vorsatz gehabt ihn zu ermorden; so
ist es doch unrecht auch den andern zu ver-
wunden, indem wir niemanden an seinem
Leibe einigen Schaden zufügen sollen (§.
824 Mor.). Zudem sind Stiche und
Schläge nicht abgemessen, wie weit sie oh-
ne Lebens-Gefahr gehen sollen, und sol-
chergestalt muß es jeder wagen, ob er den
andern, den er hauen, schlagen oder ste-
chen will, gar ermorden werde oder nicht.
Und demnach ist doch immer einiger
Vorsatz mit dabey den anderu um das Le-

ben
X 5

des gemeinen Weſens.
man hingegen, daß es anders beſchaffen,
als wie es erwieſen; ſo lernet man, wor-
innen noch eine Beſſerung vorzunehmen.
Und dieſes iſt von allen uͤbrigen Materien
gleichfalls zu behalten.

§. 371

Man ſiehet aber leicht, wenn einWelcher
Tod-
ſchlag zu
beſtrafen

Todſchlag zu beſtraffen iſt, nemlich wenn er
aus Vorſatz geſchehen, indem der Todſchlaͤ-
ger entweder aus Rachgier oder anderen
Abſichten, als ſeine Ubelthaten zu ver-
bergen, oder einen Diebſtahl zu vollbrin-
gen ꝛc. den andern um das Leben zu brin-
gen ſich vornimmet, oder doch wenigſtens
ihm einen Schaden an ſeinem Leibe zuzu-
fuͤgen gedencket, daraus nach dieſem der
Tod des andern erfolget, als wenn einer
den andern nur verwunden, nicht aber er-
ſtechen wil, der Stich aber mislinget.
Denn unerachtet er im letzten Falle nicht
den Vorſatz gehabt ihn zu ermorden; ſo
iſt es doch unrecht auch den andern zu ver-
wunden, indem wir niemanden an ſeinem
Leibe einigen Schaden zufuͤgen ſollen (§.
824 Mor.). Zudem ſind Stiche und
Schlaͤge nicht abgemeſſen, wie weit ſie oh-
ne Lebens-Gefahr gehen ſollen, und ſol-
chergeſtalt muß es jeder wagen, ob er den
andern, den er hauen, ſchlagen oder ſte-
chen will, gar ermorden werde oder nicht.
Und demnach iſt doch immer einiger
Vorſatz mit dabey den anderu um das Le-

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[329/0347] des gemeinen Weſens. man hingegen, daß es anders beſchaffen, als wie es erwieſen; ſo lernet man, wor- innen noch eine Beſſerung vorzunehmen. Und dieſes iſt von allen uͤbrigen Materien gleichfalls zu behalten. §. 371Man ſiehet aber leicht, wenn ein Todſchlag zu beſtraffen iſt, nemlich wenn er aus Vorſatz geſchehen, indem der Todſchlaͤ- ger entweder aus Rachgier oder anderen Abſichten, als ſeine Ubelthaten zu ver- bergen, oder einen Diebſtahl zu vollbrin- gen ꝛc. den andern um das Leben zu brin- gen ſich vornimmet, oder doch wenigſtens ihm einen Schaden an ſeinem Leibe zuzu- fuͤgen gedencket, daraus nach dieſem der Tod des andern erfolget, als wenn einer den andern nur verwunden, nicht aber er- ſtechen wil, der Stich aber mislinget. Denn unerachtet er im letzten Falle nicht den Vorſatz gehabt ihn zu ermorden; ſo iſt es doch unrecht auch den andern zu ver- wunden, indem wir niemanden an ſeinem Leibe einigen Schaden zufuͤgen ſollen (§. 824 Mor.). Zudem ſind Stiche und Schlaͤge nicht abgemeſſen, wie weit ſie oh- ne Lebens-Gefahr gehen ſollen, und ſol- chergeſtalt muß es jeder wagen, ob er den andern, den er hauen, ſchlagen oder ſte- chen will, gar ermorden werde oder nicht. Und demnach iſt doch immer einiger Vorſatz mit dabey den anderu um das Le- ben Welcher Tod- ſchlag zu beſtrafen X 5

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/347>, abgerufen am 22.11.2024.