Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Cap. 3. Von der Einrichtung weit durch anständige Worte und Redens-Arten jede Person das ihre vorbringet. Da aber von diesen Ergötzungs-Mitteln schon vorhin (§. 328) geredet worden; so würde unnöthig seyn, solches hier von neu- em zu wiederhohlen. Man siehet aber hieraus zugleich, daß man auch geschick- te Redner zu halten hat, die bey sich erei- gnenden Fällen dasjenige wohl vorzutragen wissen, was man in einer Rede vorzubrin- gen hat. Und müssen absonderlich auch die öffentlichen Lehrer gute Redner seyn, als die mit Nachdruck anderen nützliche Lehren beybringen sollen (§. 317 & seq.). Und gleichwie es überhaupt mit Lust anzu- hören, wenn einer seine Sachen wohl vor- zubringen weiß; hingegen mit Mißver- gnügen, wenn man solches zu thun nicht vermögend ist: so hat man jedermann, so viel nur immer möglich ist, in Schulen und auf Academien zur Beredsamkeit an- zuführen (§. 284.). Weil aber absonder- lich gute und sinnreiche Verse noch mehr Vergnügen geben, als eine wohlgesetzte Rede; so sind auch Poeten im gemeinen Wesen nicht unnütze Leute, die mit ihren Versen bey sich ereignenden Gelegenheiten zugleich ergötzen und Nutzen schaffen. Je- doch hat man zu verhüten, daß sie nicht durch verliebte und unzüchtige Verse gute Sitten verderben und die bösen Lüste rege machen: in welcher Absicht besondere Auf- seher
Cap. 3. Von der Einrichtung weit durch anſtaͤndige Worte und Redens-Arten jede Perſon das ihre vorbringet. Da aber von dieſen Ergoͤtzungs-Mitteln ſchon vorhin (§. 328) geredet worden; ſo wuͤrde unnoͤthig ſeyn, ſolches hier von neu- em zu wiederhohlen. Man ſiehet aber hieraus zugleich, daß man auch geſchick- te Redner zu halten hat, die bey ſich erei- gnenden Faͤllen dasjenige wohl vorzutragen wiſſen, was man in einer Rede vorzubrin- gen hat. Und muͤſſen abſonderlich auch die oͤffentlichen Lehrer gute Redner ſeyn, als die mit Nachdruck anderen nuͤtzliche Lehren beybringen ſollen (§. 317 & ſeq.). Und gleichwie es uͤberhaupt mit Luſt anzu- hoͤren, wenn einer ſeine Sachen wohl vor- zubringen weiß; hingegen mit Mißver- gnuͤgen, wenn man ſolches zu thun nicht vermoͤgend iſt: ſo hat man jedermann, ſo viel nur immer moͤglich iſt, in Schulen und auf Academien zur Beredſamkeit an- zufuͤhren (§. 284.). Weil aber abſonder- lich gute und ſinnreiche Verſe noch mehr Vergnuͤgen geben, als eine wohlgeſetzte Rede; ſo ſind auch Poeten im gemeinen Weſen nicht unnuͤtze Leute, die mit ihren Verſen bey ſich ereignenden Gelegenheiten zugleich ergoͤtzen und Nutzen ſchaffen. Je- doch hat man zu verhuͤten, daß ſie nicht durch verliebte und unzuͤchtige Verſe gute Sitten verderben und die boͤſen Luͤſte rege machen: in welcher Abſicht beſondere Auf- ſeher
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Cap. 3. Von der Einrichtung
weit durch anſtaͤndige Worte und Redens-
Arten jede Perſon das ihre vorbringet.
Da aber von dieſen Ergoͤtzungs-Mitteln
ſchon vorhin (§. 328) geredet worden; ſo
wuͤrde unnoͤthig ſeyn, ſolches hier von neu-
em zu wiederhohlen. Man ſiehet aber
hieraus zugleich, daß man auch geſchick-
te Redner zu halten hat, die bey ſich erei-
gnenden Faͤllen dasjenige wohl vorzutragen
wiſſen, was man in einer Rede vorzubrin-
gen hat. Und muͤſſen abſonderlich auch
die oͤffentlichen Lehrer gute Redner ſeyn,
als die mit Nachdruck anderen nuͤtzliche
Lehren beybringen ſollen (§. 317 & ſeq.).
Und gleichwie es uͤberhaupt mit Luſt anzu-
hoͤren, wenn einer ſeine Sachen wohl vor-
zubringen weiß; hingegen mit Mißver-
gnuͤgen, wenn man ſolches zu thun nicht
vermoͤgend iſt: ſo hat man jedermann, ſo
viel nur immer moͤglich iſt, in Schulen
und auf Academien zur Beredſamkeit an-
zufuͤhren (§. 284.). Weil aber abſonder-
lich gute und ſinnreiche Verſe noch mehr
Vergnuͤgen geben, als eine wohlgeſetzte
Rede; ſo ſind auch Poeten im gemeinen
Weſen nicht unnuͤtze Leute, die mit ihren
Verſen bey ſich ereignenden Gelegenheiten
zugleich ergoͤtzen und Nutzen ſchaffen. Je-
doch hat man zu verhuͤten, daß ſie nicht
durch verliebte und unzuͤchtige Verſe gute
Sitten verderben und die boͤſen Luͤſte rege
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