Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Cap. 4. Von den bürgerlichen che man die bürgerlichen zu nennen pfle-get, weil sie im bürgerlichen Leben nöthig sind. Nemlich anfangs ist schon oben (§. 341) angemercket worden, daß die natür- liche Verbindlichkeit nicht hinlänglich ist die Menschen zur Erfüllung des Gesetzes der Natur zu bringen und man dannenhe- ro im gemeinen Wesen noch eine neue Verbindlichkeit einführen müße, die da durchdringet, wo die natürliche unkräfftig erfunden wird. Die Natur verbindet uns durch dasjenige, was aus unseren Handlungen veränderliches für uns und unseren Zustand erfolget (§. 9. Mor.). Da nun dieses durch die Vernunfft beurtheilet werden muß (§. 23. Mor.), nicht aber je- dermann den Grad der Vernunfft besitzet, welcher zu dieser Beurtheilung erfordert wird, absonderlich wo es sich nicht deut- lich zeiget, daß etwas aus diesen, oder je- nen Handlungen entsprungen, absonder- lich da in der Natur öffters nach langen Zeiten sich erst zeiget, was durch eine Hand- lung angestifftet worden; so kan auch nicht jedermann durch die natürliche Ver- bindlichkeit zu Beobachtung seiner Pflich- ten gebracht werden. Wenn man nun im gemeinen Wesen durch eine besondere Art die Unterthanen zu dem verbindet, was das Gesetze der Natur erfordert; so wird das natürliche Gesetze zu einem
Cap. 4. Von den buͤrgerlichen che man die buͤrgerlichen zu nennen pfle-get, weil ſie im buͤrgerlichen Leben noͤthig ſind. Nemlich anfangs iſt ſchon oben (§. 341) angemercket worden, daß die natuͤr- liche Verbindlichkeit nicht hinlaͤnglich iſt die Menſchen zur Erfuͤllung des Geſetzes der Natur zu bringen und man dannenhe- ro im gemeinen Weſen noch eine neue Verbindlichkeit einfuͤhren muͤße, die da durchdringet, wo die natuͤrliche unkraͤfftig erfunden wird. Die Natur verbindet uns durch dasjenige, was aus unſeren Handlungen veraͤnderliches fuͤr uns und unſeren Zuſtand erfolget (§. 9. Mor.). Da nun dieſes durch die Vernunfft beurtheilet werden muß (§. 23. Mor.), nicht aber je- dermann den Grad der Vernunfft beſitzet, welcher zu dieſer Beurtheilung erfordert wird, abſonderlich wo es ſich nicht deut- lich zeiget, daß etwas aus dieſen, oder je- nen Handlungen entſprungen, abſonder- lich da in der Natur oͤffters nach langen Zeiten ſich erſt zeiget, was durch eine Hand- lung angeſtifftet worden; ſo kan auch nicht jedermann durch die natuͤrliche Ver- bindlichkeit zu Beobachtung ſeiner Pflich- ten gebracht werden. Wenn man nun im gemeinen Weſen durch eine beſondere Art die Unterthanen zu dem verbindet, was das Geſetze der Natur erfordert; ſo wird das natuͤrliche Geſetze zu einem
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Cap. 4. Von den buͤrgerlichen
che man die buͤrgerlichen zu nennen pfle-
get, weil ſie im buͤrgerlichen Leben noͤthig
ſind. Nemlich anfangs iſt ſchon oben (§.
341) angemercket worden, daß die natuͤr-
liche Verbindlichkeit nicht hinlaͤnglich iſt
die Menſchen zur Erfuͤllung des Geſetzes
der Natur zu bringen und man dannenhe-
ro im gemeinen Weſen noch eine neue
Verbindlichkeit einfuͤhren muͤße, die da
durchdringet, wo die natuͤrliche unkraͤfftig
erfunden wird. Die Natur verbindet
uns durch dasjenige, was aus unſeren
Handlungen veraͤnderliches fuͤr uns und
unſeren Zuſtand erfolget (§. 9. Mor.). Da
nun dieſes durch die Vernunfft beurtheilet
werden muß (§. 23. Mor.), nicht aber je-
dermann den Grad der Vernunfft beſitzet,
welcher zu dieſer Beurtheilung erfordert
wird, abſonderlich wo es ſich nicht deut-
lich zeiget, daß etwas aus dieſen, oder je-
nen Handlungen entſprungen, abſonder-
lich da in der Natur oͤffters nach langen
Zeiten ſich erſt zeiget, was durch eine Hand-
lung angeſtifftet worden; ſo kan auch
nicht jedermann durch die natuͤrliche Ver-
bindlichkeit zu Beobachtung ſeiner Pflich-
ten gebracht werden. Wenn man nun
im gemeinen Weſen durch eine beſondere
Art die Unterthanen zu dem verbindet,
was das Geſetze der Natur erfordert;
ſo wird das natuͤrliche Geſetze zu
einem
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