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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Cap. 4. Von den bürgerlichen
men wir abermahl bürgerliche Gesetze, die
von dem natürlichen unterweilen abwei-
chen. Es erfordert diese beyde letztere Ar-
ten der Gesetze auch noch eine andere Ur-
sache. Da man im gemeinen Wesen ge-
wiße Personen bestellen muß, die denen
Recht sprechen, welche sich nicht selbst
mit einander vergleichen können, oder
auch nicht dörffen (§. 330.): so hat man
darauf zu sehen, daß ihnen nicht schweer
gemacht wird die Gesetze in allen vorkom-
menden Fällen anzubringen, damit sie
nicht aus Jrrthum etwas versehen und
dadurch denen Partheyen zu klagen Ursa-
che geben, noch auch sie wegen der vielen
Umstände, die bey Anbringung der Gese-
tze zu überlegen sind, desto leichter ihren
Vorsatz einigen Unrecht zu thun verber-
gen können, damit sie nicht mit Wissen
und Willen wiederrechtlich verfahren.

Wieweit
die bür-
gerlichen
Gesetze
von dem
natürli-
chen ab-
weichen
dörffen.
§. 402.

Da das Gesetze der Natur un-
veränderlich ist (§. 25. Mor.) und wir ver-
bunden sind darüber zu halten (§. 9. 16.
Mor); so sol man auch niemanden im
gemeinen Wesen dazu verbinden, was
dem Gesetze der Narur zuwieder ist. De-
rowegen wenn die dürgerlichen Gesetze
von dem Gesetze der Natur abweichen;
sol diese Abweichung nur verstattet, keines-
weges aber befohlen werden. Nemlich
vermöge der bürgerlichen Gesetze ist es aus

dringen-

Cap. 4. Von den buͤrgerlichen
men wir abermahl buͤrgerliche Geſetze, die
von dem natuͤrlichen unterweilen abwei-
chen. Es erfordert dieſe beyde letztere Ar-
ten der Geſetze auch noch eine andere Ur-
ſache. Da man im gemeinen Weſen ge-
wiße Perſonen beſtellen muß, die denen
Recht ſprechen, welche ſich nicht ſelbſt
mit einander vergleichen koͤnnen, oder
auch nicht doͤrffen (§. 330.): ſo hat man
darauf zu ſehen, daß ihnen nicht ſchweer
gemacht wird die Geſetze in allen vorkom-
menden Faͤllen anzubringen, damit ſie
nicht aus Jrrthum etwas verſehen und
dadurch denen Partheyen zu klagen Urſa-
che geben, noch auch ſie wegen der vielen
Umſtaͤnde, die bey Anbringung der Geſe-
tze zu uͤberlegen ſind, deſto leichter ihren
Vorſatz einigen Unrecht zu thun verber-
gen koͤnnen, damit ſie nicht mit Wiſſen
und Willen wiederrechtlich verfahren.

Wieweit
die buͤr-
gerlichen
Geſetze
von dem
natuͤrli-
chen ab-
weichen
doͤrffen.
§. 402.

Da das Geſetze der Natur un-
veraͤnderlich iſt (§. 25. Mor.) und wir ver-
bunden ſind daruͤber zu halten (§. 9. 16.
Mor); ſo ſol man auch niemanden im
gemeinen Weſen dazu verbinden, was
dem Geſetze der Narur zuwieder iſt. De-
rowegen wenn die duͤrgerlichen Geſetze
von dem Geſetze der Natur abweichen;
ſol dieſe Abweichung nur verſtattet, keines-
weges aber befohlen werden. Nemlich
vermoͤge der buͤrgerlichen Geſetze iſt es aus

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[412/0430] Cap. 4. Von den buͤrgerlichen men wir abermahl buͤrgerliche Geſetze, die von dem natuͤrlichen unterweilen abwei- chen. Es erfordert dieſe beyde letztere Ar- ten der Geſetze auch noch eine andere Ur- ſache. Da man im gemeinen Weſen ge- wiße Perſonen beſtellen muß, die denen Recht ſprechen, welche ſich nicht ſelbſt mit einander vergleichen koͤnnen, oder auch nicht doͤrffen (§. 330.): ſo hat man darauf zu ſehen, daß ihnen nicht ſchweer gemacht wird die Geſetze in allen vorkom- menden Faͤllen anzubringen, damit ſie nicht aus Jrrthum etwas verſehen und dadurch denen Partheyen zu klagen Urſa- che geben, noch auch ſie wegen der vielen Umſtaͤnde, die bey Anbringung der Geſe- tze zu uͤberlegen ſind, deſto leichter ihren Vorſatz einigen Unrecht zu thun verber- gen koͤnnen, damit ſie nicht mit Wiſſen und Willen wiederrechtlich verfahren. §. 402.Da das Geſetze der Natur un- veraͤnderlich iſt (§. 25. Mor.) und wir ver- bunden ſind daruͤber zu halten (§. 9. 16. Mor); ſo ſol man auch niemanden im gemeinen Weſen dazu verbinden, was dem Geſetze der Narur zuwieder iſt. De- rowegen wenn die duͤrgerlichen Geſetze von dem Geſetze der Natur abweichen; ſol dieſe Abweichung nur verſtattet, keines- weges aber befohlen werden. Nemlich vermoͤge der buͤrgerlichen Geſetze iſt es aus dringen-

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/430>, abgerufen am 22.11.2024.