klar, daß alsdenn die Heyrath nachblei- ben soll. Jch rede, wie es nach der Ver- nunfft seyn soll, nicht aber von dem, was die bürgerlichen Gesetze erfordern. Es wären bey genauer Eintheilung dieser Frage noch viele andere Umstände zu erwegen, die zum Theil aus dem Zustande des gemeinen We- sens genommen werden: allein unser ge- genwärtiges Vorhaben leidet es nicht die besonderen Arten der Fälle genauer zu über- legen, welches wir künfftig an einem an- dern Orte thun wollen.
Ob ein Weib viel Män- ner ha- ben kan.
§. 41.
Weil ein Mann, der im Stande ist Kinder zu erzeugen, einem Weibe ein Gnügen thun kan, in soweit es die Erzeu- gung der Kinder erfordert, der übrige Bey- schlaff aber, der zur bloßen Lust geschiehet, unzuläßig ist (§. 23); so darf auch keine Frau mehr als einen Mann haben. Hier- zu kommet, daß wenn viele Männer einem Weibe zugleich beywohneten, man nicht eigentlich wüste, von welchem sie wäre schwanger worden, und daher in vielen Fäl- len die Auferziehung des Kindes würde verabsäumet werden: ja es würden auch an sich viele Uneinigkeiten unter den Män- nern entstehen, theils wegen des Weibes, theils wegen der Kinder, welche alle allhier weitläufftiger auszuführen unnöthig ist. Es ist wohl wahr, daß man unterweilen mei- net, es geschehe solches zufälliger Weise, und
hät-
Cap. 2. Von dem Eheſtande.
klar, daß alsdenn die Heyrath nachblei- ben ſoll. Jch rede, wie es nach der Ver- nunfft ſeyn ſoll, nicht aber von dem, was die buͤrgerlichen Geſetze erfordern. Es waͤren bey genauer Eintheilung dieſer Frage noch viele andere Umſtaͤnde zu erwegen, die zum Theil aus dem Zuſtande des gemeinen We- ſens genommen werden: allein unſer ge- genwaͤrtiges Vorhaben leidet es nicht die beſonderen Arten der Faͤlle genauer zu uͤber- legen, welches wir kuͤnfftig an einem an- dern Orte thun wollen.
Ob ein Weib viel Maͤn- ner ha- ben kan.
§. 41.
Weil ein Mann, der im Stande iſt Kinder zu erzeugen, einem Weibe ein Gnuͤgen thun kan, in ſoweit es die Erzeu- gung der Kinder erfordert, der uͤbrige Bey- ſchlaff aber, der zur bloßen Luſt geſchiehet, unzulaͤßig iſt (§. 23); ſo darf auch keine Frau mehr als einen Mann haben. Hier- zu kommet, daß wenn viele Maͤnner einem Weibe zugleich beywohneten, man nicht eigentlich wuͤſte, von welchem ſie waͤre ſchwanger worden, und daher in vielen Faͤl- len die Auferziehung des Kindes wuͤrde verabſaͤumet werden: ja es wuͤrden auch an ſich viele Uneinigkeiten unter den Maͤn- nern entſtehen, theils wegen des Weibes, theils wegen der Kinder, welche alle allhier weitlaͤufftiger auszufuͤhren unnoͤthig iſt. Es iſt wohl wahr, daß man unterweilen mei- net, es geſchehe ſolches zufaͤlliger Weiſe, und
haͤt-
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Cap. 2. Von dem Eheſtande.
klar, daß alsdenn die Heyrath nachblei-
ben ſoll. Jch rede, wie es nach der Ver-
nunfft ſeyn ſoll, nicht aber von dem, was die
buͤrgerlichen Geſetze erfordern. Es waͤren
bey genauer Eintheilung dieſer Frage noch
viele andere Umſtaͤnde zu erwegen, die zum
Theil aus dem Zuſtande des gemeinen We-
ſens genommen werden: allein unſer ge-
genwaͤrtiges Vorhaben leidet es nicht die
beſonderen Arten der Faͤlle genauer zu uͤber-
legen, welches wir kuͤnfftig an einem an-
dern Orte thun wollen.
§. 41.Weil ein Mann, der im Stande
iſt Kinder zu erzeugen, einem Weibe ein
Gnuͤgen thun kan, in ſoweit es die Erzeu-
gung der Kinder erfordert, der uͤbrige Bey-
ſchlaff aber, der zur bloßen Luſt geſchiehet,
unzulaͤßig iſt (§. 23); ſo darf auch keine
Frau mehr als einen Mann haben. Hier-
zu kommet, daß wenn viele Maͤnner einem
Weibe zugleich beywohneten, man nicht
eigentlich wuͤſte, von welchem ſie waͤre
ſchwanger worden, und daher in vielen Faͤl-
len die Auferziehung des Kindes wuͤrde
verabſaͤumet werden: ja es wuͤrden auch
an ſich viele Uneinigkeiten unter den Maͤn-
nern entſtehen, theils wegen des Weibes,
theils wegen der Kinder, welche alle allhier
weitlaͤufftiger auszufuͤhren unnoͤthig iſt. Es
iſt wohl wahr, daß man unterweilen mei-
net, es geſchehe ſolches zufaͤlliger Weiſe, und
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/44>, abgerufen am 21.11.2024.
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