Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. 2. Von dem Ehestande.
klar, daß alsdenn die Heyrath nachblei-
ben soll. Jch rede, wie es nach der Ver-
nunfft seyn soll, nicht aber von dem, was die
bürgerlichen Gesetze erfordern. Es wären
bey genauer Eintheilung dieser Frage noch
viele andere Umstände zu erwegen, die zum
Theil aus dem Zustande des gemeinen We-
sens genommen werden: allein unser ge-
genwärtiges Vorhaben leidet es nicht die
besonderen Arten der Fälle genauer zu über-
legen, welches wir künfftig an einem an-
dern Orte thun wollen.

Ob ein
Weib
viel Män-
ner ha-
ben kan.
§. 41.

Weil ein Mann, der im Stande
ist Kinder zu erzeugen, einem Weibe ein
Gnügen thun kan, in soweit es die Erzeu-
gung der Kinder erfordert, der übrige Bey-
schlaff aber, der zur bloßen Lust geschiehet,
unzuläßig ist (§. 23); so darf auch keine
Frau mehr als einen Mann haben. Hier-
zu kommet, daß wenn viele Männer einem
Weibe zugleich beywohneten, man nicht
eigentlich wüste, von welchem sie wäre
schwanger worden, und daher in vielen Fäl-
len die Auferziehung des Kindes würde
verabsäumet werden: ja es würden auch
an sich viele Uneinigkeiten unter den Män-
nern entstehen, theils wegen des Weibes,
theils wegen der Kinder, welche alle allhier
weitläufftiger auszuführen unnöthig ist. Es
ist wohl wahr, daß man unterweilen mei-
net, es geschehe solches zufälliger Weise, und

hät-

Cap. 2. Von dem Eheſtande.
klar, daß alsdenn die Heyrath nachblei-
ben ſoll. Jch rede, wie es nach der Ver-
nunfft ſeyn ſoll, nicht aber von dem, was die
buͤrgerlichen Geſetze erfordern. Es waͤren
bey genauer Eintheilung dieſer Frage noch
viele andere Umſtaͤnde zu erwegen, die zum
Theil aus dem Zuſtande des gemeinen We-
ſens genommen werden: allein unſer ge-
genwaͤrtiges Vorhaben leidet es nicht die
beſonderen Arten der Faͤlle genauer zu uͤber-
legen, welches wir kuͤnfftig an einem an-
dern Orte thun wollen.

Ob ein
Weib
viel Maͤn-
ner ha-
ben kan.
§. 41.

Weil ein Mann, der im Stande
iſt Kinder zu erzeugen, einem Weibe ein
Gnuͤgen thun kan, in ſoweit es die Erzeu-
gung der Kinder erfordert, der uͤbrige Bey-
ſchlaff aber, der zur bloßen Luſt geſchiehet,
unzulaͤßig iſt (§. 23); ſo darf auch keine
Frau mehr als einen Mann haben. Hier-
zu kommet, daß wenn viele Maͤnner einem
Weibe zugleich beywohneten, man nicht
eigentlich wuͤſte, von welchem ſie waͤre
ſchwanger worden, und daher in vielen Faͤl-
len die Auferziehung des Kindes wuͤrde
verabſaͤumet werden: ja es wuͤrden auch
an ſich viele Uneinigkeiten unter den Maͤn-
nern entſtehen, theils wegen des Weibes,
theils wegen der Kinder, welche alle allhier
weitlaͤufftiger auszufuͤhren unnoͤthig iſt. Es
iſt wohl wahr, daß man unterweilen mei-
net, es geſchehe ſolches zufaͤlliger Weiſe, und

haͤt-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0044" n="26"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 2. Von dem Ehe&#x017F;tande.</hi></fw><lb/>
klar, daß alsdenn die Heyrath nachblei-<lb/>
ben &#x017F;oll. Jch rede, wie es nach der Ver-<lb/>
nunfft &#x017F;eyn &#x017F;oll, nicht aber von dem, was die<lb/>
bu&#x0364;rgerlichen Ge&#x017F;etze erfordern. Es wa&#x0364;ren<lb/>
bey genauer Eintheilung die&#x017F;er Frage noch<lb/>
viele andere Um&#x017F;ta&#x0364;nde zu erwegen, die zum<lb/>
Theil aus dem Zu&#x017F;tande des gemeinen We-<lb/>
&#x017F;ens genommen werden: allein un&#x017F;er ge-<lb/>
genwa&#x0364;rtiges Vorhaben leidet es nicht die<lb/>
be&#x017F;onderen Arten der Fa&#x0364;lle genauer zu u&#x0364;ber-<lb/>
legen, welches wir ku&#x0364;nfftig an einem an-<lb/>
dern Orte thun wollen.</p><lb/>
              <note place="left">Ob ein<lb/>
Weib<lb/>
viel Ma&#x0364;n-<lb/>
ner ha-<lb/>
ben kan.</note>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 41.</head>
              <p>Weil ein Mann, der im Stande<lb/>
i&#x017F;t Kinder zu erzeugen, einem Weibe ein<lb/>
Gnu&#x0364;gen thun kan, in &#x017F;oweit es die Erzeu-<lb/>
gung der Kinder erfordert, der u&#x0364;brige Bey-<lb/>
&#x017F;chlaff aber, der zur bloßen Lu&#x017F;t ge&#x017F;chiehet,<lb/>
unzula&#x0364;ßig i&#x017F;t (§. 23); &#x017F;o darf auch keine<lb/>
Frau mehr als einen Mann haben. Hier-<lb/>
zu kommet, daß wenn viele Ma&#x0364;nner einem<lb/>
Weibe zugleich beywohneten, man nicht<lb/>
eigentlich wu&#x0364;&#x017F;te, von welchem &#x017F;ie wa&#x0364;re<lb/>
&#x017F;chwanger worden, und daher in vielen Fa&#x0364;l-<lb/>
len die Auferziehung des Kindes wu&#x0364;rde<lb/>
verab&#x017F;a&#x0364;umet werden: ja es wu&#x0364;rden auch<lb/>
an &#x017F;ich viele Uneinigkeiten unter den Ma&#x0364;n-<lb/>
nern ent&#x017F;tehen, theils wegen des Weibes,<lb/>
theils wegen der Kinder, welche alle allhier<lb/>
weitla&#x0364;ufftiger auszufu&#x0364;hren unno&#x0364;thig i&#x017F;t. Es<lb/>
i&#x017F;t wohl wahr, daß man unterweilen mei-<lb/>
net, es ge&#x017F;chehe &#x017F;olches zufa&#x0364;lliger Wei&#x017F;e, und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ha&#x0364;t-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0044] Cap. 2. Von dem Eheſtande. klar, daß alsdenn die Heyrath nachblei- ben ſoll. Jch rede, wie es nach der Ver- nunfft ſeyn ſoll, nicht aber von dem, was die buͤrgerlichen Geſetze erfordern. Es waͤren bey genauer Eintheilung dieſer Frage noch viele andere Umſtaͤnde zu erwegen, die zum Theil aus dem Zuſtande des gemeinen We- ſens genommen werden: allein unſer ge- genwaͤrtiges Vorhaben leidet es nicht die beſonderen Arten der Faͤlle genauer zu uͤber- legen, welches wir kuͤnfftig an einem an- dern Orte thun wollen. §. 41.Weil ein Mann, der im Stande iſt Kinder zu erzeugen, einem Weibe ein Gnuͤgen thun kan, in ſoweit es die Erzeu- gung der Kinder erfordert, der uͤbrige Bey- ſchlaff aber, der zur bloßen Luſt geſchiehet, unzulaͤßig iſt (§. 23); ſo darf auch keine Frau mehr als einen Mann haben. Hier- zu kommet, daß wenn viele Maͤnner einem Weibe zugleich beywohneten, man nicht eigentlich wuͤſte, von welchem ſie waͤre ſchwanger worden, und daher in vielen Faͤl- len die Auferziehung des Kindes wuͤrde verabſaͤumet werden: ja es wuͤrden auch an ſich viele Uneinigkeiten unter den Maͤn- nern entſtehen, theils wegen des Weibes, theils wegen der Kinder, welche alle allhier weitlaͤufftiger auszufuͤhren unnoͤthig iſt. Es iſt wohl wahr, daß man unterweilen mei- net, es geſchehe ſolches zufaͤlliger Weiſe, und haͤt-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/44
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/44>, abgerufen am 21.11.2024.