Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. 2. Von dem Ehestande.
hätte man dahero nicht mit darauf zuse-
hen: allein ich finde dagegen zweyerley zu
errinnern. Einmahl muß man sich recht
erklären, was man zufälliger Weise nen-
net, so wird man finden, daß vieles
nicht für zufällig zuhalten ist, das man
davor ausgiebet. Nach diesem ist auch
nicht an dem, daß man in Beurthei-
lung der Handlungen nicht darauf zu se-
hen, was zufälliger Weise kommet. Es
mag etwas aus einer Handlung erfolgen,
wie es will; wenn solches zu vermeiden
in unserer Gewalt stehet, und wir wissen,
daß es erfolgen werde, oder müssen doch
mehr vermuthen, es werde eher erfolgen als
außen bleiben; so sind wir verbunden die
Handlung zu unterlassen (§. 19. Mor.). Ja
kein vernünfftiger Mensch wird dergleichen
vorzunehmen verlangen (§. 24. Mor.).

§. 42.

Weil diejenigen, welche die Kin-Ob man
viele
Weiber
haben
soll.

der erzeugen, auch verbunden sind, sie auf-
zuerziehen (§. 18); so ist klar, daß ein
Mann, der nicht mehr Kinder auferziehen
kan, als er mit einem Weibe erzeuget, auch
nicht mehr als ein Weib nehmen darf. Es
solte demnach daß Ansehen gewinnen, als
wenn es in dem Falle erlaubet wäre viel
Weiber zu nehmen, da ein Mann in dem
Stande ist mehrere zu ernehren, als er mit
einer erzeuget: noch mehr aber, wenn er
durch viel Weiber sich in den Stand se-

tzet

Cap. 2. Von dem Eheſtande.
haͤtte man dahero nicht mit darauf zuſe-
hen: allein ich finde dagegen zweyerley zu
errinnern. Einmahl muß man ſich recht
erklaͤren, was man zufaͤlliger Weiſe nen-
net, ſo wird man finden, daß vieles
nicht fuͤr zufaͤllig zuhalten iſt, das man
davor ausgiebet. Nach dieſem iſt auch
nicht an dem, daß man in Beurthei-
lung der Handlungen nicht darauf zu ſe-
hen, was zufaͤlliger Weiſe kommet. Es
mag etwas aus einer Handlung erfolgen,
wie es will; wenn ſolches zu vermeiden
in unſerer Gewalt ſtehet, und wir wiſſen,
daß es erfolgen werde, oder muͤſſen doch
mehr vermuthen, es werde eher erfolgen als
außen bleiben; ſo ſind wir verbunden die
Handlung zu unterlaſſen (§. 19. Mor.). Ja
kein vernuͤnfftiger Menſch wird dergleichen
vorzunehmen verlangen (§. 24. Mor.).

§. 42.

Weil diejenigen, welche die Kin-Ob man
viele
Weiber
haben
ſoll.

der erzeugen, auch verbunden ſind, ſie auf-
zuerziehen (§. 18); ſo iſt klar, daß ein
Mann, der nicht mehr Kinder auferziehen
kan, als er mit einem Weibe erzeuget, auch
nicht mehr als ein Weib nehmen darf. Es
ſolte demnach daß Anſehen gewinnen, als
wenn es in dem Falle erlaubet waͤre viel
Weiber zu nehmen, da ein Mann in dem
Stande iſt mehrere zu ernehren, als er mit
einer erzeuget: noch mehr aber, wenn er
durch viel Weiber ſich in den Stand ſe-

tzet
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0045" n="27"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 2. Von dem Ehe&#x017F;tande.</hi></fw><lb/>
ha&#x0364;tte man dahero nicht mit darauf zu&#x017F;e-<lb/>
hen: allein ich finde dagegen zweyerley zu<lb/>
errinnern. Einmahl muß man &#x017F;ich recht<lb/>
erkla&#x0364;ren, was man zufa&#x0364;lliger Wei&#x017F;e nen-<lb/>
net, &#x017F;o wird man finden, daß vieles<lb/>
nicht fu&#x0364;r zufa&#x0364;llig zuhalten i&#x017F;t, das man<lb/>
davor ausgiebet. Nach die&#x017F;em i&#x017F;t auch<lb/>
nicht an dem, daß man in Beurthei-<lb/>
lung der Handlungen nicht darauf zu &#x017F;e-<lb/>
hen, was zufa&#x0364;lliger Wei&#x017F;e kommet. Es<lb/>
mag etwas aus einer Handlung erfolgen,<lb/>
wie es will; wenn &#x017F;olches zu vermeiden<lb/>
in un&#x017F;erer Gewalt &#x017F;tehet, und wir wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
daß es erfolgen werde, oder mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en doch<lb/>
mehr vermuthen, es werde eher erfolgen als<lb/>
außen bleiben; &#x017F;o &#x017F;ind wir verbunden die<lb/>
Handlung zu unterla&#x017F;&#x017F;en (§. 19. <hi rendition="#aq">Mor.</hi>). Ja<lb/>
kein vernu&#x0364;nfftiger Men&#x017F;ch wird dergleichen<lb/>
vorzunehmen verlangen (§. 24. <hi rendition="#aq">Mor.</hi>).</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 42.</head>
              <p>Weil diejenigen, welche die Kin-<note place="right">Ob man<lb/>
viele<lb/>
Weiber<lb/>
haben<lb/>
&#x017F;oll.</note><lb/>
der erzeugen, auch verbunden &#x017F;ind, &#x017F;ie auf-<lb/>
zuerziehen (§. 18); &#x017F;o i&#x017F;t klar, daß ein<lb/>
Mann, der nicht mehr Kinder auferziehen<lb/>
kan, als er mit einem Weibe erzeuget, auch<lb/>
nicht mehr als ein Weib nehmen darf. Es<lb/>
&#x017F;olte demnach daß An&#x017F;ehen gewinnen, als<lb/>
wenn es in dem Falle erlaubet wa&#x0364;re viel<lb/>
Weiber zu nehmen, da ein Mann in dem<lb/>
Stande i&#x017F;t mehrere zu ernehren, als er mit<lb/>
einer erzeuget: noch mehr aber, wenn er<lb/>
durch viel Weiber &#x017F;ich in den Stand &#x017F;e-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">tzet</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0045] Cap. 2. Von dem Eheſtande. haͤtte man dahero nicht mit darauf zuſe- hen: allein ich finde dagegen zweyerley zu errinnern. Einmahl muß man ſich recht erklaͤren, was man zufaͤlliger Weiſe nen- net, ſo wird man finden, daß vieles nicht fuͤr zufaͤllig zuhalten iſt, das man davor ausgiebet. Nach dieſem iſt auch nicht an dem, daß man in Beurthei- lung der Handlungen nicht darauf zu ſe- hen, was zufaͤlliger Weiſe kommet. Es mag etwas aus einer Handlung erfolgen, wie es will; wenn ſolches zu vermeiden in unſerer Gewalt ſtehet, und wir wiſſen, daß es erfolgen werde, oder muͤſſen doch mehr vermuthen, es werde eher erfolgen als außen bleiben; ſo ſind wir verbunden die Handlung zu unterlaſſen (§. 19. Mor.). Ja kein vernuͤnfftiger Menſch wird dergleichen vorzunehmen verlangen (§. 24. Mor.). §. 42.Weil diejenigen, welche die Kin- der erzeugen, auch verbunden ſind, ſie auf- zuerziehen (§. 18); ſo iſt klar, daß ein Mann, der nicht mehr Kinder auferziehen kan, als er mit einem Weibe erzeuget, auch nicht mehr als ein Weib nehmen darf. Es ſolte demnach daß Anſehen gewinnen, als wenn es in dem Falle erlaubet waͤre viel Weiber zu nehmen, da ein Mann in dem Stande iſt mehrere zu ernehren, als er mit einer erzeuget: noch mehr aber, wenn er durch viel Weiber ſich in den Stand ſe- tzet Ob man viele Weiber haben ſoll.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/45
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/45>, abgerufen am 21.11.2024.