Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Cap. 2. Von dem Ehestande. tzet die Kinder besser zu erziehen, die er beymisgelungener Heyrath schweerlich erneh- ren kan. Allein wenn wir bedencken, daß uns die Natur zu dem besseren verbindet (§. 19. Mor.), und wir dannenhero in zweiffelhafften Fällen dasjenige erwehlen sollen, wobey wir am gewissesten gehen; so werden wir nach reifferer Uberlegung fin- den, daß es besser sey nur ein, als viel Wei- ber zu haben. Es ist Anfangs nicht ge- wis, wie viel wir Kinder mit einem Weibe erzeugen, wie es mit unserem Vermögen in künfftigen Zeiten stehen, und was wir dazu brauchen werden, wenn wir unsere Kinder unserem Stande gemäs auferzie- hen und sie in der Welt wohl anbringen wollen, damit wir sie glücklich und uns da- durch eine Freude machen. Und dannen- hero wird der Fall, da die Vielweiberey erlaubet zu seyn scheinet, schweer zu deter- miniren seyn, und dörffte man in den mei- sten Fällen thun, was einen nach diesem mit gutem Grunde gereuete. Darnach ist mehr als zu gewis, daß unter den Weibern selbst, ingleichen ihren Kindern, viel Streit und Verdruß sich ereignen, auch wir da- durch vielen Verdruß haben würden, da von wir frey blieben, wenn wir mit einem Weibe vergnüget wären. Was denen zu antworten, die diese Gründe verwerffen, weil sie dergleichen Erfolg aus der Viel- wei-
Cap. 2. Von dem Eheſtande. tzet die Kinder beſſer zu erziehen, die er beymisgelungener Heyrath ſchweerlich erneh- ren kan. Allein wenn wir bedencken, daß uns die Natur zu dem beſſeren verbindet (§. 19. Mor.), und wir dannenhero in zweiffelhafften Faͤllen dasjenige erwehlen ſollen, wobey wir am gewiſſeſten gehen; ſo werden wir nach reifferer Uberlegung fin- den, daß es beſſer ſey nur ein, als viel Wei- ber zu haben. Es iſt Anfangs nicht ge- wis, wie viel wir Kinder mit einem Weibe erzeugen, wie es mit unſerem Vermoͤgen in kuͤnfftigen Zeiten ſtehen, und was wir dazu brauchen werden, wenn wir unſere Kinder unſerem Stande gemaͤs auferzie- hen und ſie in der Welt wohl anbringen wollen, damit wir ſie gluͤcklich und uns da- durch eine Freude machen. Und dannen- hero wird der Fall, da die Vielweiberey erlaubet zu ſeyn ſcheinet, ſchweer zu deter- miniren ſeyn, und doͤrffte man in den mei- ſten Faͤllen thun, was einen nach dieſem mit gutem Grunde gereuete. Darnach iſt mehr als zu gewis, daß unter den Weibern ſelbſt, ingleichen ihren Kindern, viel Streit und Verdruß ſich ereignen, auch wir da- durch vielen Verdruß haben wuͤrden, da von wir frey blieben, wenn wir mit einem Weibe vergnuͤget waͤren. Was denen zu antworten, die dieſe Gruͤnde verwerffen, weil ſie dergleichen Erfolg aus der Viel- wei-
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Cap. 2. Von dem Eheſtande.
tzet die Kinder beſſer zu erziehen, die er bey
misgelungener Heyrath ſchweerlich erneh-
ren kan. Allein wenn wir bedencken, daß
uns die Natur zu dem beſſeren verbindet
(§. 19. Mor.), und wir dannenhero in
zweiffelhafften Faͤllen dasjenige erwehlen
ſollen, wobey wir am gewiſſeſten gehen; ſo
werden wir nach reifferer Uberlegung fin-
den, daß es beſſer ſey nur ein, als viel Wei-
ber zu haben. Es iſt Anfangs nicht ge-
wis, wie viel wir Kinder mit einem Weibe
erzeugen, wie es mit unſerem Vermoͤgen
in kuͤnfftigen Zeiten ſtehen, und was wir
dazu brauchen werden, wenn wir unſere
Kinder unſerem Stande gemaͤs auferzie-
hen und ſie in der Welt wohl anbringen
wollen, damit wir ſie gluͤcklich und uns da-
durch eine Freude machen. Und dannen-
hero wird der Fall, da die Vielweiberey
erlaubet zu ſeyn ſcheinet, ſchweer zu deter-
miniren ſeyn, und doͤrffte man in den mei-
ſten Faͤllen thun, was einen nach dieſem mit
gutem Grunde gereuete. Darnach iſt mehr
als zu gewis, daß unter den Weibern
ſelbſt, ingleichen ihren Kindern, viel Streit
und Verdruß ſich ereignen, auch wir da-
durch vielen Verdruß haben wuͤrden, da
von wir frey blieben, wenn wir mit einem
Weibe vergnuͤget waͤren. Was denen zu
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