weiberey für zufällig halten, ist aus dem abzunehmen, was kurtz vorhin in einem ähnlichen Falle (§. 41.) errinnert worden. Freylich wenn Weiber und Männer, oder die Menschen überhaupt, Engel wären, das ist, in allen ihren Handlungen sich einig und allein nach der Vernunfft richteten, niemahls den bösen Begierden und Affecten Raum gäben; so wären viele Dinge mög- lich; die jetzund bey der Unvollkommenheit der Menschen sich nicht thun lassen. Und alsdenn würde auch das Recht der Natur in den besandern Fällen anders seyn, ob- gleich die allgemeine Regeln einerley ver- blieben. Jetzt muß man es nach dem Zu- stande der Menschen einrichten, wie man ihn findet.
§. 43.
Weil die Absicht des EhestandesWie lan- ge der Ehestand wehren soll. ist Kinder zu erzeugen und zu erziehen (§. 16); so müssen auch Mann und Weib so lange bey einander bleiben, bis die Kin- der erzogen, das ist, dahin gebracht sind, daß sie sich selbst versorgen können. Wir sehen es selbst bey den Thieren, z. E. bey den Vögeln, wo das Männlein nicht ihr Weiblein wieder wieder verlässet, als bis die Jungen ihrer Hülffe nicht mehr nöthig haben, sondern ihnen nun selbst ihr Futter suchen, und sich wieder auswertige Gewalt wehren können.
§. 44.
Cap. 2. Von dem Eheſtande.
weiberey fuͤr zufaͤllig halten, iſt aus dem abzunehmen, was kurtz vorhin in einem aͤhnlichen Falle (§. 41.) errinnert worden. Freylich wenn Weiber und Maͤnner, oder die Menſchen uͤberhaupt, Engel waͤren, das iſt, in allen ihren Handlungen ſich einig und allein nach der Vernunfft richteten, niemahls den boͤſen Begierden und Affecten Raum gaͤben; ſo waͤren viele Dinge moͤg- lich; die jetzund bey der Unvollkommenheit der Menſchen ſich nicht thun laſſen. Und alsdenn wuͤrde auch das Recht der Natur in den beſandern Faͤllen anders ſeyn, ob- gleich die allgemeine Regeln einerley ver- blieben. Jetzt muß man es nach dem Zu- ſtande der Menſchen einrichten, wie man ihn findet.
§. 43.
Weil die Abſicht des EheſtandesWie lan- ge der Eheſtand wehren ſoll. iſt Kinder zu erzeugen und zu erziehen (§. 16); ſo muͤſſen auch Mann und Weib ſo lange bey einander bleiben, bis die Kin- der erzogen, das iſt, dahin gebracht ſind, daß ſie ſich ſelbſt verſorgen koͤnnen. Wir ſehen es ſelbſt bey den Thieren, z. E. bey den Voͤgeln, wo das Maͤnnlein nicht ihr Weiblein wieder wieder verlaͤſſet, als bis die Jungen ihrer Huͤlffe nicht mehr noͤthig haben, ſondern ihnen nun ſelbſt ihr Futter ſuchen, und ſich wieder auswertige Gewalt wehren koͤnnen.
§. 44.
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Cap. 2. Von dem Eheſtande.
weiberey fuͤr zufaͤllig halten, iſt aus dem
abzunehmen, was kurtz vorhin in einem
aͤhnlichen Falle (§. 41.) errinnert worden.
Freylich wenn Weiber und Maͤnner, oder
die Menſchen uͤberhaupt, Engel waͤren, das
iſt, in allen ihren Handlungen ſich einig
und allein nach der Vernunfft richteten,
niemahls den boͤſen Begierden und Affecten
Raum gaͤben; ſo waͤren viele Dinge moͤg-
lich; die jetzund bey der Unvollkommenheit
der Menſchen ſich nicht thun laſſen. Und
alsdenn wuͤrde auch das Recht der Natur
in den beſandern Faͤllen anders ſeyn, ob-
gleich die allgemeine Regeln einerley ver-
blieben. Jetzt muß man es nach dem Zu-
ſtande der Menſchen einrichten, wie man
ihn findet.
§. 43.Weil die Abſicht des Eheſtandes
iſt Kinder zu erzeugen und zu erziehen (§.
16); ſo muͤſſen auch Mann und Weib
ſo lange bey einander bleiben, bis die Kin-
der erzogen, das iſt, dahin gebracht ſind,
daß ſie ſich ſelbſt verſorgen koͤnnen. Wir
ſehen es ſelbſt bey den Thieren, z. E. bey
den Voͤgeln, wo das Maͤnnlein nicht
ihr Weiblein wieder wieder verlaͤſſet, als
bis die Jungen ihrer Huͤlffe nicht mehr
noͤthig haben, ſondern ihnen nun ſelbſt ihr
Futter ſuchen, und ſich wieder auswertige
Gewalt wehren koͤnnen.
Wie lan-
ge der
Eheſtand
wehren
ſoll.
§. 44.
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/47>, abgerufen am 21.11.2024.
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