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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Gesetzen.
Und dadurch wird das natürliche Gesetze,
daß man sein Versprechen, was nicht un-
recht ist, halten sol, ein bürgerliches Ge-
setze. Underdessen da auch einige Kleinig-
keiten nicht halten, die sie versprochen ha-
ben; so kan man nicht in bürgerlichen Ge-
setzen überhaupt verordnen, daß das Ver-
sprechen gehalten werde, weil sonst zu vie-
le Gerichts-Händel daraus entstehen wür-
den, sondern es ist gnung, wenn man es
in solchen Fällen verordnet, wo dem einen
Theile ein empfindlicher Schaden gesche-
hen würde, wenn der andere sein Verspre-
chen nicht hielte. Weil nun alle Verträ-
ge und Vergleiche auf einem Versprechen
beruhen (§. 1008. Mor.); so muß man
auch nach den bürgerlichen Gesetze einen
jeden anhalten seinen Vertrag und Ver-
gleich in allem zuerfüllen.

§. 423.

Die natürliche Billigkeit erfor-Von Er-
setzung
des Scha
des in
Verträ-
gen und
Verglei-
chen.

dert, daß man in Verträgen und Verglei-
chen niemanden im geringsten bevorthei-
le (§. 897. Mor.), und, woferne dieses ge-
schehen, allen, auch den allergeringsten
Schaden ersetze (§. 825. Mor.). Nehmlich
wo erwiesen worden, daß niemand sol be-
vortheilet und der verursachte Schaden
ersetzet werden, da ist keine gewisse Grösse
voraus gesetzet worden; sondern der Be-
weis ist überhaupt von allen Fällen zuver-
stehen. Jm gemeinen Wesen sol man den

durch
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Geſetzen.
Und dadurch wird das natuͤrliche Geſetze,
daß man ſein Verſprechen, was nicht un-
recht iſt, halten ſol, ein buͤrgerliches Ge-
ſetze. Underdeſſen da auch einige Kleinig-
keiten nicht halten, die ſie verſprochen ha-
ben; ſo kan man nicht in buͤrgerlichen Ge-
ſetzen uͤberhaupt verordnen, daß das Ver-
ſprechen gehalten werde, weil ſonſt zu vie-
le Gerichts-Haͤndel daraus entſtehen wuͤr-
den, ſondern es iſt gnung, wenn man es
in ſolchen Faͤllen verordnet, wo dem einen
Theile ein empfindlicher Schaden geſche-
hen wuͤrde, wenn der andere ſein Verſpre-
chen nicht hielte. Weil nun alle Vertraͤ-
ge und Vergleiche auf einem Verſprechen
beruhen (§. 1008. Mor.); ſo muß man
auch nach den buͤrgerlichen Geſetze einen
jeden anhalten ſeinen Vertrag und Ver-
gleich in allem zuerfuͤllen.

§. 423.

Die natuͤrliche Billigkeit erfor-Von Er-
ſetzung
des Scha
des in
Vertraͤ-
gen und
Verglei-
chen.

dert, daß man in Vertraͤgen und Verglei-
chen niemanden im geringſten bevorthei-
le (§. 897. Mor.), und, woferne dieſes ge-
ſchehen, allen, auch den allergeringſten
Schaden erſetze (§. 825. Mor.). Nehmlich
wo erwieſen worden, daß niemand ſol be-
vortheilet und der verurſachte Schaden
erſetzet werden, da iſt keine gewiſſe Groͤſſe
voraus geſetzet worden; ſondern der Be-
weis iſt uͤberhaupt von allen Faͤllen zuver-
ſtehen. Jm gemeinen Weſen ſol man den

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[435/0453] Geſetzen. Und dadurch wird das natuͤrliche Geſetze, daß man ſein Verſprechen, was nicht un- recht iſt, halten ſol, ein buͤrgerliches Ge- ſetze. Underdeſſen da auch einige Kleinig- keiten nicht halten, die ſie verſprochen ha- ben; ſo kan man nicht in buͤrgerlichen Ge- ſetzen uͤberhaupt verordnen, daß das Ver- ſprechen gehalten werde, weil ſonſt zu vie- le Gerichts-Haͤndel daraus entſtehen wuͤr- den, ſondern es iſt gnung, wenn man es in ſolchen Faͤllen verordnet, wo dem einen Theile ein empfindlicher Schaden geſche- hen wuͤrde, wenn der andere ſein Verſpre- chen nicht hielte. Weil nun alle Vertraͤ- ge und Vergleiche auf einem Verſprechen beruhen (§. 1008. Mor.); ſo muß man auch nach den buͤrgerlichen Geſetze einen jeden anhalten ſeinen Vertrag und Ver- gleich in allem zuerfuͤllen. §. 423.Die natuͤrliche Billigkeit erfor- dert, daß man in Vertraͤgen und Verglei- chen niemanden im geringſten bevorthei- le (§. 897. Mor.), und, woferne dieſes ge- ſchehen, allen, auch den allergeringſten Schaden erſetze (§. 825. Mor.). Nehmlich wo erwieſen worden, daß niemand ſol be- vortheilet und der verurſachte Schaden erſetzet werden, da iſt keine gewiſſe Groͤſſe voraus geſetzet worden; ſondern der Be- weis iſt uͤberhaupt von allen Faͤllen zuver- ſtehen. Jm gemeinen Weſen ſol man den durch Von Er- ſetzung des Scha des in Vertraͤ- gen und Verglei- chen. E e 2

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/453>, abgerufen am 22.11.2024.