Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. 4. Von den bürgerlichen
ner die Handschrifft nicht wieder gefordert,
oder bekommen, ob er gleich kein Geld be-
zahlet bekommen. Da hier viel Fälle vor-
kommen können, so wäre dasjenige in
acht zunehmen, was wir oben zu besserer
Handhabung der Gerechtigkeit angegeben
(§. 412). Unterdessen ist auch die-
ses zu beobachten, daß, wo man Personen
zu Richtern nimmet, welche Sachen zu
überlegen und zu untersuchen nicht sehr fä-
hig sind, man die Gesetze nicht gar zu sehr
nach besondern Umständen einrichten kan:
weil es wegen der vielen Umstände, die
zubedencken sind, schweer fället zu urthei-
len, welches Gesetze sich in einem ereignen-
den Falle anbringen lässet. Und bleiben
deswegen die Gesetze etwas allgemein, da-
mit nicht durch die Richter, indem sie sie
anwenden sollen, mehr versehen wird, als
durch ihre Allgemeinheit Schaden gesche-
hen kan.

Verkauf-
fung der
Pfande.
§. 426.

Wenn wir an einem Pfande
noch Sicherheit genung haben, wir auch
das unsrige noch nicht selbst brauchen, und
der andere ist zubestimmter Zeit nicht in
dem Stande die Zahlung zuthun, so kön-
nen wir auf den Verkauf des Pfandes
nicht dringen, absonderlich wenn der
Schuldner dadurch in Schaden gesetzet
würde (§. 951. Mor.). Unterdessen da es
in Gerichten zuvielen Weitläufftigkeiten

An-

Cap. 4. Von den buͤrgerlichen
ner die Handſchrifft nicht wieder gefordert,
oder bekommen, ob er gleich kein Geld be-
zahlet bekommen. Da hier viel Faͤlle vor-
kommen koͤnnen, ſo waͤre dasjenige in
acht zunehmen, was wir oben zu beſſerer
Handhabung der Gerechtigkeit angegeben
(§. 412). Unterdeſſen iſt auch die-
ſes zu beobachten, daß, wo man Perſonen
zu Richtern nimmet, welche Sachen zu
uͤberlegen und zu unterſuchen nicht ſehr faͤ-
hig ſind, man die Geſetze nicht gar zu ſehr
nach beſondern Umſtaͤnden einrichten kan:
weil es wegen der vielen Umſtaͤnde, die
zubedencken ſind, ſchweer faͤllet zu urthei-
len, welches Geſetze ſich in einem ereignen-
den Falle anbringen laͤſſet. Und bleiben
deswegen die Geſetze etwas allgemein, da-
mit nicht durch die Richter, indem ſie ſie
anwenden ſollen, mehr verſehen wird, als
durch ihre Allgemeinheit Schaden geſche-
hen kan.

Verkauf-
fung der
Pfande.
§. 426.

Wenn wir an einem Pfande
noch Sicherheit genung haben, wir auch
das unſrige noch nicht ſelbſt brauchen, und
der andere iſt zubeſtimmter Zeit nicht in
dem Stande die Zahlung zuthun, ſo koͤn-
nen wir auf den Verkauf des Pfandes
nicht dringen, abſonderlich wenn der
Schuldner dadurch in Schaden geſetzet
wuͤrde (§. 951. Mor.). Unterdeſſen da es
in Gerichten zuvielen Weitlaͤufftigkeiten

An-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0458" n="440"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 4. Von den bu&#x0364;rgerlichen</hi></fw><lb/>
ner die Hand&#x017F;chrifft nicht wieder gefordert,<lb/>
oder bekommen, ob er gleich kein Geld be-<lb/>
zahlet bekommen. Da hier viel Fa&#x0364;lle vor-<lb/>
kommen ko&#x0364;nnen, &#x017F;o wa&#x0364;re dasjenige in<lb/>
acht zunehmen, was wir oben zu be&#x017F;&#x017F;erer<lb/>
Handhabung der Gerechtigkeit angegeben<lb/>
(§. 412). Unterde&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t auch die-<lb/>
&#x017F;es zu beobachten, daß, wo man Per&#x017F;onen<lb/>
zu Richtern nimmet, welche Sachen zu<lb/>
u&#x0364;berlegen und zu unter&#x017F;uchen nicht &#x017F;ehr fa&#x0364;-<lb/>
hig &#x017F;ind, man die Ge&#x017F;etze nicht gar zu &#x017F;ehr<lb/>
nach be&#x017F;ondern Um&#x017F;ta&#x0364;nden einrichten kan:<lb/>
weil es wegen der vielen Um&#x017F;ta&#x0364;nde, die<lb/>
zubedencken &#x017F;ind, &#x017F;chweer fa&#x0364;llet zu urthei-<lb/>
len, welches Ge&#x017F;etze &#x017F;ich in einem ereignen-<lb/>
den Falle anbringen la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et. Und bleiben<lb/>
deswegen die Ge&#x017F;etze etwas allgemein, da-<lb/>
mit nicht durch die Richter, indem &#x017F;ie &#x017F;ie<lb/>
anwenden &#x017F;ollen, mehr ver&#x017F;ehen wird, als<lb/>
durch ihre Allgemeinheit Schaden ge&#x017F;che-<lb/>
hen kan.</p><lb/>
              <note place="left">Verkauf-<lb/>
fung der<lb/>
Pfande.</note>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 426.</head>
              <p>Wenn wir an einem Pfande<lb/>
noch Sicherheit genung haben, wir auch<lb/>
das un&#x017F;rige noch nicht &#x017F;elb&#x017F;t brauchen, und<lb/>
der andere i&#x017F;t zube&#x017F;timmter Zeit nicht in<lb/>
dem Stande die Zahlung zuthun, &#x017F;o ko&#x0364;n-<lb/>
nen wir auf den Verkauf des Pfandes<lb/>
nicht dringen, ab&#x017F;onderlich wenn der<lb/>
Schuldner dadurch in Schaden ge&#x017F;etzet<lb/>
wu&#x0364;rde (§. 951. <hi rendition="#aq">Mor.</hi>). Unterde&#x017F;&#x017F;en da es<lb/>
in Gerichten zuvielen Weitla&#x0364;ufftigkeiten<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">An-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[440/0458] Cap. 4. Von den buͤrgerlichen ner die Handſchrifft nicht wieder gefordert, oder bekommen, ob er gleich kein Geld be- zahlet bekommen. Da hier viel Faͤlle vor- kommen koͤnnen, ſo waͤre dasjenige in acht zunehmen, was wir oben zu beſſerer Handhabung der Gerechtigkeit angegeben (§. 412). Unterdeſſen iſt auch die- ſes zu beobachten, daß, wo man Perſonen zu Richtern nimmet, welche Sachen zu uͤberlegen und zu unterſuchen nicht ſehr faͤ- hig ſind, man die Geſetze nicht gar zu ſehr nach beſondern Umſtaͤnden einrichten kan: weil es wegen der vielen Umſtaͤnde, die zubedencken ſind, ſchweer faͤllet zu urthei- len, welches Geſetze ſich in einem ereignen- den Falle anbringen laͤſſet. Und bleiben deswegen die Geſetze etwas allgemein, da- mit nicht durch die Richter, indem ſie ſie anwenden ſollen, mehr verſehen wird, als durch ihre Allgemeinheit Schaden geſche- hen kan. §. 426.Wenn wir an einem Pfande noch Sicherheit genung haben, wir auch das unſrige noch nicht ſelbſt brauchen, und der andere iſt zubeſtimmter Zeit nicht in dem Stande die Zahlung zuthun, ſo koͤn- nen wir auf den Verkauf des Pfandes nicht dringen, abſonderlich wenn der Schuldner dadurch in Schaden geſetzet wuͤrde (§. 951. Mor.). Unterdeſſen da es in Gerichten zuvielen Weitlaͤufftigkeiten An-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/458
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/458>, abgerufen am 22.11.2024.