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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Cap. 5. Von der Macht
Mor.); so muß man solchergestalt GOTT
mehr gehorchen als den Menschen. GOtt
selbst richtet sich nach dieser Regel: er lässet
das Böse zu, aber er thut es nicht selbst
(§. 1056. 1057. Met.).

Gewalt
der O-
brigkeit.
§. 435.

Die Freyheit zu befehlen, oder
überhaupt etwas zuthun, nennen wir Ge-
walt.
Da nun die Obrigkeit Freyheit
hat zubefehlen, was die Unterthanen thun
und lassen sollen und alles zu thun, was
zur Beförderung der gemeinen Wohlfahrt
und Sicherheit dienlich befunden wird
(§. 433); so hat sie auch Gewalt. Und
demnach sind die Unterthanen unter der
Gewalt der Obrigkeit, und wird solcher
gestalt dadurch ihre natürliche Freyheit
eingeschräncket. Es ist auch diese Gewalt
der Grund des Gehorsams, den man der
Obrigkeit schuldig ist (§. 433). Man sol
demnach der Obrigkeit unterthan seyn die
Gewalt über uns hat und eben deswegen,
weil sie Gewalt über uns hat. Die Kin-
der sind gleicher gestalt unter der Gewalt
ihrer Eltern (§. 118) und demnach dienet
die väterliche Gewalt die Gewalt der O-
brigkeit zuerläutern, auch sind Obrigkeiten
in diesem Stücke Vätern ähnlich (§. 18.
Met.) und Unterthanen sind wie ihre
Kinder.

Unter-
scheid der
Obrig-
§. 436.

Die Gewalt ist entweder gantz
uneingeschräncket, oder aber auf gewisse

Wei-

Cap. 5. Von der Macht
Mor.); ſo muß man ſolchergeſtalt GOTT
mehr gehorchen als den Menſchen. GOtt
ſelbſt richtet ſich nach dieſer Regel: er laͤſſet
das Boͤſe zu, aber er thut es nicht ſelbſt
(§. 1056. 1057. Met.).

Gewalt
der O-
brigkeit.
§. 435.

Die Freyheit zu befehlen, oder
uͤberhaupt etwas zuthun, nennen wir Ge-
walt.
Da nun die Obrigkeit Freyheit
hat zubefehlen, was die Unterthanen thun
und laſſen ſollen und alles zu thun, was
zur Befoͤrderung der gemeinen Wohlfahrt
und Sicherheit dienlich befunden wird
(§. 433); ſo hat ſie auch Gewalt. Und
demnach ſind die Unterthanen unter der
Gewalt der Obrigkeit, und wird ſolcher
geſtalt dadurch ihre natuͤrliche Freyheit
eingeſchraͤncket. Es iſt auch dieſe Gewalt
der Grund des Gehorſams, den man der
Obrigkeit ſchuldig iſt (§. 433). Man ſol
demnach der Obrigkeit unterthan ſeyn die
Gewalt uͤber uns hat und eben deswegen,
weil ſie Gewalt uͤber uns hat. Die Kin-
der ſind gleicher geſtalt unter der Gewalt
ihrer Eltern (§. 118) und demnach dienet
die vaͤterliche Gewalt die Gewalt der O-
brigkeit zuerlaͤutern, auch ſind Obrigkeiten
in dieſem Stuͤcke Vaͤtern aͤhnlich (§. 18.
Met.) und Unterthanen ſind wie ihre
Kinder.

Unter-
ſcheid der
Obrig-
§. 436.

Die Gewalt iſt entweder gantz
uneingeſchraͤncket, oder aber auf gewiſſe

Wei-
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[458/0476] Cap. 5. Von der Macht Mor.); ſo muß man ſolchergeſtalt GOTT mehr gehorchen als den Menſchen. GOtt ſelbſt richtet ſich nach dieſer Regel: er laͤſſet das Boͤſe zu, aber er thut es nicht ſelbſt (§. 1056. 1057. Met.). §. 435.Die Freyheit zu befehlen, oder uͤberhaupt etwas zuthun, nennen wir Ge- walt. Da nun die Obrigkeit Freyheit hat zubefehlen, was die Unterthanen thun und laſſen ſollen und alles zu thun, was zur Befoͤrderung der gemeinen Wohlfahrt und Sicherheit dienlich befunden wird (§. 433); ſo hat ſie auch Gewalt. Und demnach ſind die Unterthanen unter der Gewalt der Obrigkeit, und wird ſolcher geſtalt dadurch ihre natuͤrliche Freyheit eingeſchraͤncket. Es iſt auch dieſe Gewalt der Grund des Gehorſams, den man der Obrigkeit ſchuldig iſt (§. 433). Man ſol demnach der Obrigkeit unterthan ſeyn die Gewalt uͤber uns hat und eben deswegen, weil ſie Gewalt uͤber uns hat. Die Kin- der ſind gleicher geſtalt unter der Gewalt ihrer Eltern (§. 118) und demnach dienet die vaͤterliche Gewalt die Gewalt der O- brigkeit zuerlaͤutern, auch ſind Obrigkeiten in dieſem Stuͤcke Vaͤtern aͤhnlich (§. 18. Met.) und Unterthanen ſind wie ihre Kinder. §. 436.Die Gewalt iſt entweder gantz uneingeſchraͤncket, oder aber auf gewiſſe Wei-

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/476>, abgerufen am 22.11.2024.