Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

und Gewalt der Obrigkeit.
Macht und Gewalt zum Nachtheil unter-
nimmet, und also auch allzeit, wenn man
seine Person beleidiget, als durch welche
die Macht und Gewalt in einem Staate
bestehet und von der man die Majestät
nicht trennen kan, so lange sie bey ihm
verbleibet. Z. E. Wer die hohe Obrig-
keit in einem Staate umbbringen wollte,
der beraubet sie ihrer Macht und Gewalt,
weil im Tode alles aufhöret, und solcher
Gestalt handelt er der Majestät zuwieder,
ja dieser Mord ist die gröste Beleidigung
der Majestät. Hingegen wenn einer der-
selben aus ihrem besonderen Schatze von
ihrem besonderen Vermögen etwas ent-
wendet, derselbe ist anzusehen als ein ver-
wegener Dieb, nemlich als ein Dieb, weil
er wieder des Eigenthums-Herrn Wissen
und Willen etwas entwendet (§. 893. Mor.)
und als ein verwegener Dieb, weil er so gar
frey von aller Furcht der Straffe bey sei-
nem Diebstahle ist, da er doch den be-
stiehlet, der Gewalt hat nach seinem Gut-
befinden Straffen zu setzen und Macht die-
selben zu vollstrecken (§. 642. Mor.). Da nun
aber (§. 452) in einem jeden Staate die
Majestät anzutreffen (denn wo dieselbe
nicht zu finden, da ist in der That kein
besonderer Staat, sondern nur ein
Theil von einem anderen Staate); so
wird in einem jeden Staate wieder die Ma-

jestät
H h 5

und Gewalt der Obrigkeit.
Macht und Gewalt zum Nachtheil unter-
nimmet, und alſo auch allzeit, wenn man
ſeine Perſon beleidiget, als durch welche
die Macht und Gewalt in einem Staate
beſtehet und von der man die Majeſtaͤt
nicht trennen kan, ſo lange ſie bey ihm
verbleibet. Z. E. Wer die hohe Obrig-
keit in einem Staate umbbringen wollte,
der beraubet ſie ihrer Macht und Gewalt,
weil im Tode alles aufhoͤret, und ſolcher
Geſtalt handelt er der Majeſtaͤt zuwieder,
ja dieſer Mord iſt die groͤſte Beleidigung
der Majeſtaͤt. Hingegen wenn einer der-
ſelben aus ihrem beſonderen Schatze von
ihrem beſonderen Vermoͤgen etwas ent-
wendet, derſelbe iſt anzuſehen als ein ver-
wegener Dieb, nemlich als ein Dieb, weil
er wieder des Eigenthums-Herrn Wiſſen
und Willen etwas entwendet (§. 893. Mor.)
und als ein verwegener Dieb, weil er ſo gar
frey von aller Furcht der Straffe bey ſei-
nem Diebſtahle iſt, da er doch den be-
ſtiehlet, der Gewalt hat nach ſeinem Gut-
befinden Straffen zu ſetzen und Macht die-
ſelben zu vollſtrecken (§. 642. Mor.). Da nun
aber (§. 452) in einem jeden Staate die
Majeſtaͤt anzutreffen (denn wo dieſelbe
nicht zu finden, da iſt in der That kein
beſonderer Staat, ſondern nur ein
Theil von einem anderen Staate); ſo
wird in einem jeden Staate wieder die Ma-

jeſtaͤt
H h 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0507" n="489"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">und Gewalt der Obrigkeit.</hi></fw><lb/>
Macht und Gewalt zum Nachtheil unter-<lb/>
nimmet, und al&#x017F;o auch allzeit, wenn man<lb/>
&#x017F;eine Per&#x017F;on beleidiget, als durch welche<lb/>
die Macht und Gewalt in einem Staate<lb/>
be&#x017F;tehet und von der man die Maje&#x017F;ta&#x0364;t<lb/>
nicht trennen kan, &#x017F;o lange &#x017F;ie bey ihm<lb/>
verbleibet. Z. E. Wer die hohe Obrig-<lb/>
keit in einem Staate umbbringen wollte,<lb/>
der beraubet &#x017F;ie ihrer Macht und Gewalt,<lb/>
weil im Tode alles aufho&#x0364;ret, und &#x017F;olcher<lb/>
Ge&#x017F;talt handelt er der Maje&#x017F;ta&#x0364;t zuwieder,<lb/>
ja die&#x017F;er Mord i&#x017F;t die gro&#x0364;&#x017F;te Beleidigung<lb/>
der Maje&#x017F;ta&#x0364;t. Hingegen wenn einer der-<lb/>
&#x017F;elben aus ihrem be&#x017F;onderen Schatze von<lb/>
ihrem be&#x017F;onderen Vermo&#x0364;gen etwas ent-<lb/>
wendet, der&#x017F;elbe i&#x017F;t anzu&#x017F;ehen als ein ver-<lb/>
wegener Dieb, nemlich als ein Dieb, weil<lb/>
er wieder des Eigenthums-Herrn Wi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
und Willen etwas entwendet (§. 893. <hi rendition="#aq">Mor.</hi>)<lb/>
und als ein verwegener Dieb, weil er &#x017F;o gar<lb/>
frey von aller Furcht der Straffe bey &#x017F;ei-<lb/>
nem Dieb&#x017F;tahle i&#x017F;t, da er doch den be-<lb/>
&#x017F;tiehlet, der Gewalt hat nach &#x017F;einem Gut-<lb/>
befinden Straffen zu &#x017F;etzen und Macht die-<lb/>
&#x017F;elben zu voll&#x017F;trecken (§. 642. <hi rendition="#aq">Mor.</hi>). Da nun<lb/>
aber (§. 452) in einem jeden Staate die<lb/>
Maje&#x017F;ta&#x0364;t anzutreffen (denn wo die&#x017F;elbe<lb/>
nicht zu finden, da i&#x017F;t in der That kein<lb/>
be&#x017F;onderer Staat, &#x017F;ondern nur ein<lb/>
Theil von einem anderen Staate); &#x017F;o<lb/>
wird in einem jeden Staate wieder die Ma-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H h 5</fw><fw place="bottom" type="catch">je&#x017F;ta&#x0364;t</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[489/0507] und Gewalt der Obrigkeit. Macht und Gewalt zum Nachtheil unter- nimmet, und alſo auch allzeit, wenn man ſeine Perſon beleidiget, als durch welche die Macht und Gewalt in einem Staate beſtehet und von der man die Majeſtaͤt nicht trennen kan, ſo lange ſie bey ihm verbleibet. Z. E. Wer die hohe Obrig- keit in einem Staate umbbringen wollte, der beraubet ſie ihrer Macht und Gewalt, weil im Tode alles aufhoͤret, und ſolcher Geſtalt handelt er der Majeſtaͤt zuwieder, ja dieſer Mord iſt die groͤſte Beleidigung der Majeſtaͤt. Hingegen wenn einer der- ſelben aus ihrem beſonderen Schatze von ihrem beſonderen Vermoͤgen etwas ent- wendet, derſelbe iſt anzuſehen als ein ver- wegener Dieb, nemlich als ein Dieb, weil er wieder des Eigenthums-Herrn Wiſſen und Willen etwas entwendet (§. 893. Mor.) und als ein verwegener Dieb, weil er ſo gar frey von aller Furcht der Straffe bey ſei- nem Diebſtahle iſt, da er doch den be- ſtiehlet, der Gewalt hat nach ſeinem Gut- befinden Straffen zu ſetzen und Macht die- ſelben zu vollſtrecken (§. 642. Mor.). Da nun aber (§. 452) in einem jeden Staate die Majeſtaͤt anzutreffen (denn wo dieſelbe nicht zu finden, da iſt in der That kein beſonderer Staat, ſondern nur ein Theil von einem anderen Staate); ſo wird in einem jeden Staate wieder die Ma- jeſtaͤt H h 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/507
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/507>, abgerufen am 22.11.2024.