Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Cap. 6. Von der Regierung Unterthanen zu träglich ist oder nicht. Undalso fliesset dieses aus der schlimmen Staats-Maxime, dadurch Land und Leu- te verdorben werden, daß man das In- teresse des Landes-Herrn von dem Inter- esse der Unterthanen trennet und als zwey wiedrige Dinge einander entgegen setzet. Allein in unserem gegenwärtigen Falle ist es auch für den Landes-Herrn vortheilhaff- ter, wenn das Geld unter viele im Lande vertheilet ist, als wenn es einige wenige bey einander haben. Denn wenn Gaben zu geben sind, so sind alsdenn die meisten in dem Stande sie ohne Empfindung ab- zutragen, indem man erst die Gaben em- pfindet, wenn man dadurch entweder in seiner Nahrung zurücke gesetzt wird, oder eine ansehnliche Summe auf einmahl zah- len muß. Wo man die Gaben empfin- det, da entstehet viel Wehe-Klagen und kommet dadurch das Land in einen übelen Ruff, welches man doch auf das äuserste zu verhüten hat. Hingegen wo man sie nicht empfindet, da wird niemand dadurch gedrucket und man führet darüber keine Klage. Weil nun dadurch vermögende Leute im Lande erhalten und darein gezo- gen werden (§. 483. 486); so befestiget solches mit die Macht eines Staats (§. 459), absonderlich da man auch den Han- del dabey ins Land ziehet (§. 486). Uber- dieses
Cap. 6. Von der Regierung Unterthanen zu traͤglich iſt oder nicht. Undalſo flieſſet dieſes aus der ſchlimmen Staats-Maxime, dadurch Land und Leu- te verdorben werden, daß man das In- tereſſe des Landes-Herrn von dem Inter- eſſe der Unterthanen trennet und als zwey wiedrige Dinge einander entgegen ſetzet. Allein in unſerem gegenwaͤrtigen Falle iſt es auch fuͤr den Landes-Herrn vortheilhaff- ter, wenn das Geld unter viele im Lande vertheilet iſt, als wenn es einige wenige bey einander haben. Denn wenn Gaben zu geben ſind, ſo ſind alsdenn die meiſten in dem Stande ſie ohne Empfindung ab- zutragen, indem man erſt die Gaben em- pfindet, wenn man dadurch entweder in ſeiner Nahrung zuruͤcke geſetzt wird, oder eine anſehnliche Summe auf einmahl zah- len muß. Wo man die Gaben empfin- det, da entſtehet viel Wehe-Klagen und kommet dadurch das Land in einen uͤbelen Ruff, welches man doch auf das aͤuſerſte zu verhuͤten hat. Hingegen wo man ſie nicht empfindet, da wird niemand dadurch gedrucket und man fuͤhret daruͤber keine Klage. Weil nun dadurch vermoͤgende Leute im Lande erhalten und darein gezo- gen werden (§. 483. 486); ſo befeſtiget ſolches mit die Macht eines Staats (§. 459), abſonderlich da man auch den Han- del dabey ins Land ziehet (§. 486). Uber- dieſes
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Cap. 6. Von der Regierung
Unterthanen zu traͤglich iſt oder nicht. Und
alſo flieſſet dieſes aus der ſchlimmen
Staats-Maxime, dadurch Land und Leu-
te verdorben werden, daß man das In-
tereſſe des Landes-Herrn von dem Inter-
eſſe der Unterthanen trennet und als zwey
wiedrige Dinge einander entgegen ſetzet.
Allein in unſerem gegenwaͤrtigen Falle iſt
es auch fuͤr den Landes-Herrn vortheilhaff-
ter, wenn das Geld unter viele im Lande
vertheilet iſt, als wenn es einige wenige
bey einander haben. Denn wenn Gaben
zu geben ſind, ſo ſind alsdenn die meiſten
in dem Stande ſie ohne Empfindung ab-
zutragen, indem man erſt die Gaben em-
pfindet, wenn man dadurch entweder in
ſeiner Nahrung zuruͤcke geſetzt wird, oder
eine anſehnliche Summe auf einmahl zah-
len muß. Wo man die Gaben empfin-
det, da entſtehet viel Wehe-Klagen und
kommet dadurch das Land in einen uͤbelen
Ruff, welches man doch auf das aͤuſerſte
zu verhuͤten hat. Hingegen wo man ſie
nicht empfindet, da wird niemand dadurch
gedrucket und man fuͤhret daruͤber keine
Klage. Weil nun dadurch vermoͤgende
Leute im Lande erhalten und darein gezo-
gen werden (§. 483. 486); ſo befeſtiget
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459), abſonderlich da man auch den Han-
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