Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.der hohen Landes-Obrigkeit. will. Ja es wird nächst diesem erhellen,wie große Weisheit (§. 914. Met.) und Klugheit (§. 327. Mor.) zum regieren er- fordert wird, wenn man in allem vernünf- tig regieren soll. Es ist wohl wahr, daß unterweilen diejenigen, welche erfahren haben, wie es mit denen beschaffen, wel- che Land und Leute regieren sollen, zu sa- gen pflegen: Die Welt werde mit gar kleiner Weisheit regieret. Allein was hier aus der Erfahrung angeführet wird, ist demjenigen nicht zuwieder, was aus der Vernunfft erwiesen worden. Denn an- fangs ist die Frage, ob es daselbst, wo man mit weniger Weisheit regieret, auch in allem wohl zugehet und, wenn es wohl zugehet, ob solches der Geschickligkeit derer, die regieren, oder vielmehr dem Glücke zu zuschreiben sey. Darnach kan es seyn, daß diejenigen, welche regieren, viel Er- fahrung haben, ob sie zwar wenig Wis- senschafft besitzen, und daher ihre Weis- heit und Klugheit auch nicht gar so kleine ist, wie sie denen scheinet, welche die Er- fahrung nicht sehen, den Mangel aber der Wissenschafft und hurtigen Gebrauches des Verstandes wahrnehmen. Uberdie- ses muß zur Weisheit und Klugheit, da- mit das Land regieret wird, nicht allein diejenige gerechnet werden, die man bey dem Landes-Herrn und seinen Räthen bey Hoffe
der hohen Landes-Obrigkeit. will. Ja es wird naͤchſt dieſem erhellen,wie große Weisheit (§. 914. Met.) und Klugheit (§. 327. Mor.) zum regieren er- fordert wird, wenn man in allem vernuͤnf- tig regieren ſoll. Es iſt wohl wahr, daß unterweilen diejenigen, welche erfahren haben, wie es mit denen beſchaffen, wel- che Land und Leute regieren ſollen, zu ſa- gen pflegen: Die Welt werde mit gar kleiner Weisheit regieret. Allein was hier aus der Erfahrung angefuͤhret wird, iſt demjenigen nicht zuwieder, was aus der Vernunfft erwieſen worden. Denn an- fangs iſt die Frage, ob es daſelbſt, wo man mit weniger Weisheit regieret, auch in allem wohl zugehet und, wenn es wohl zugehet, ob ſolches der Geſchickligkeit derer, die regieren, oder vielmehr dem Gluͤcke zu zuſchreiben ſey. Darnach kan es ſeyn, daß diejenigen, welche regieren, viel Er- fahrung haben, ob ſie zwar wenig Wiſ- ſenſchafft beſitzen, und daher ihre Weis- heit und Klugheit auch nicht gar ſo kleine iſt, wie ſie denen ſcheinet, welche die Er- fahrung nicht ſehen, den Mangel aber der Wiſſenſchafft und hurtigen Gebrauches des Verſtandes wahrnehmen. Uberdie- ſes muß zur Weisheit und Klugheit, da- mit das Land regieret wird, nicht allein diejenige gerechnet werden, die man bey dem Landes-Herrn und ſeinen Raͤthen bey Hoffe
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der hohen Landes-Obrigkeit.
will. Ja es wird naͤchſt dieſem erhellen,
wie große Weisheit (§. 914. Met.) und
Klugheit (§. 327. Mor.) zum regieren er-
fordert wird, wenn man in allem vernuͤnf-
tig regieren ſoll. Es iſt wohl wahr, daß
unterweilen diejenigen, welche erfahren
haben, wie es mit denen beſchaffen, wel-
che Land und Leute regieren ſollen, zu ſa-
gen pflegen: Die Welt werde mit gar
kleiner Weisheit regieret. Allein was
hier aus der Erfahrung angefuͤhret wird,
iſt demjenigen nicht zuwieder, was aus der
Vernunfft erwieſen worden. Denn an-
fangs iſt die Frage, ob es daſelbſt, wo
man mit weniger Weisheit regieret, auch
in allem wohl zugehet und, wenn es wohl
zugehet, ob ſolches der Geſchickligkeit derer,
die regieren, oder vielmehr dem Gluͤcke zu
zuſchreiben ſey. Darnach kan es ſeyn,
daß diejenigen, welche regieren, viel Er-
fahrung haben, ob ſie zwar wenig Wiſ-
ſenſchafft beſitzen, und daher ihre Weis-
heit und Klugheit auch nicht gar ſo kleine
iſt, wie ſie denen ſcheinet, welche die Er-
fahrung nicht ſehen, den Mangel aber der
Wiſſenſchafft und hurtigen Gebrauches
des Verſtandes wahrnehmen. Uberdie-
ſes muß zur Weisheit und Klugheit, da-
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