Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Cap. 6. Von der Regierung wollen, oder wenn sie eine starcke Familiezu versorgen haben. Da man nun im gemeinen Wesen davor sorgen soll, daß die meisten Menschen neben einander glück- seelig leben (§. 223), und also niemand durch die Schuld der hohen Landes-O- brigkeit unglückseelig gemacht wird; der Mensch aber glückseelig ist, der in beständi- ger Freude leben kan (§. 52. Mor.) und al- so mehr Vergnügen als Misvergnügen hat (§. 446. Met.); so müssen die Aufla- gen dergestalt eingerichtet werden, daß niemand dadurch an seiner Nahrung zu- rücke gesetzet wird, noch an nöthigem Unter- halte Mangel leiden darf. Denn solcherge- stalt findet er keine Ursache über die Ga- ben zu klagen und dadurch sein Gemühte zu beunruhigen, folgends wird er nicht da- durch unglückseelig gemachet. Wer oh- ne Grund darüber Klage führet und sein Gemüthe beunruhiget, der hat es nicht dem Landes-Herrn, sondern ihm selbst zu zuschreiben. Man hat allerhand Manie- ren der Contributionen oder Abgaben erdacht. Z. E. Man fordert etwas auf gewisse Termine von liegenden Gründen, und was ihnen anhängig ist, und diese Gaben werden Steuren genennet, inson- derheit Land-Steuren. Man leget et- was auf den Kopff einer jeden Person und nennet diese Gaben Kopff-Steuren. Man
Cap. 6. Von der Regierung wollen, oder wenn ſie eine ſtarcke Familiezu verſorgen haben. Da man nun im gemeinen Weſen davor ſorgen ſoll, daß die meiſten Menſchen neben einander gluͤck- ſeelig leben (§. 223), und alſo niemand durch die Schuld der hohen Landes-O- brigkeit ungluͤckſeelig gemacht wird; der Menſch aber gluͤckſeelig iſt, der in beſtaͤndi- ger Freude leben kan (§. 52. Mor.) und al- ſo mehr Vergnuͤgen als Misvergnuͤgen hat (§. 446. Met.); ſo muͤſſen die Aufla- gen dergeſtalt eingerichtet werden, daß niemand dadurch an ſeiner Nahrung zu- ruͤcke geſetzet wird, noch an noͤthigem Unter- halte Mangel leiden darf. Denn ſolcherge- ſtalt findet er keine Urſache uͤber die Ga- ben zu klagen und dadurch ſein Gemuͤhte zu beunruhigen, folgends wird er nicht da- durch ungluͤckſeelig gemachet. Wer oh- ne Grund daruͤber Klage fuͤhret und ſein Gemuͤthe beunruhiget, der hat es nicht dem Landes-Herrn, ſondern ihm ſelbſt zu zuſchreiben. Man hat allerhand Manie- ren der Contributionen oder Abgaben erdacht. Z. E. Man fordert etwas auf gewiſſe Termine von liegenden Gruͤnden, und was ihnen anhaͤngig iſt, und dieſe Gaben werden Steuren genennet, inſon- derheit Land-Steuren. Man leget et- was auf den Kopff einer jeden Perſon und nennet dieſe Gaben Kopff-Steuren. Man
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Cap. 6. Von der Regierung
wollen, oder wenn ſie eine ſtarcke Familie
zu verſorgen haben. Da man nun im
gemeinen Weſen davor ſorgen ſoll, daß
die meiſten Menſchen neben einander gluͤck-
ſeelig leben (§. 223), und alſo niemand
durch die Schuld der hohen Landes-O-
brigkeit ungluͤckſeelig gemacht wird; der
Menſch aber gluͤckſeelig iſt, der in beſtaͤndi-
ger Freude leben kan (§. 52. Mor.) und al-
ſo mehr Vergnuͤgen als Misvergnuͤgen
hat (§. 446. Met.); ſo muͤſſen die Aufla-
gen dergeſtalt eingerichtet werden, daß
niemand dadurch an ſeiner Nahrung zu-
ruͤcke geſetzet wird, noch an noͤthigem Unter-
halte Mangel leiden darf. Denn ſolcherge-
ſtalt findet er keine Urſache uͤber die Ga-
ben zu klagen und dadurch ſein Gemuͤhte
zu beunruhigen, folgends wird er nicht da-
durch ungluͤckſeelig gemachet. Wer oh-
ne Grund daruͤber Klage fuͤhret und ſein
Gemuͤthe beunruhiget, der hat es nicht
dem Landes-Herrn, ſondern ihm ſelbſt zu
zuſchreiben. Man hat allerhand Manie-
ren der Contributionen oder Abgaben
erdacht. Z. E. Man fordert etwas auf
gewiſſe Termine von liegenden Gruͤnden,
und was ihnen anhaͤngig iſt, und dieſe
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was auf den Kopff einer jeden Perſon und
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