Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Kriege. lich im natürlichen Stande, wo kein Rich-ter ist, der die Sache entscheiden kan, kan man Gewalt mit gleicher Gewalt vertrei- ben (§. 833. Mor.), und finden alsdenn die Repressalien stat. Da nun die Staa- te und ihre Oberhäupter, die Potentaten, in der natürlichen Freyheit leben und kei- nen Richter über sich haben, so sind ihnen auch die Repressalien erlaubet. Denn es wird wohl niemand in Abrede seyn, daß Repressalien ein gelinderes Mittel sind als der Krieg. Gleichwie man aber in der natürlichen Freyheit einen Schieds- mann erwehlen kan, der den Streit, wel- chen wir mit unserem Gegentheile nicht ausmachen können, entscheidet: also können auch die Staate und Potentaten, als Personen, die in der natürlichen Freyheit leben, andere unpartheyische Po- tentaten erwehlen, welche die zwischen ihnen schwebende Streitigkeiten entschei- den helffen und zwar mit dem Gedinge, daß, woferne der eine Theil von dem ge- troffenen Vergleiche abgehen würde, sie ihn selbst dazu mit anhalten wollen, daß er ihm besser ein Gnügen thue. Nemlich dieses ist nöthig diejenigen, welche sich vergleichen, zu verbinden, daß sie den Vergleich halten (§. 5. Mor.). Damit wir aber desto weniger zweiffeln dörffen, daß grosse Herren dieses zuthun verbunden, und
Kriege. lich im natuͤrlichen Stande, wo kein Rich-ter iſt, der die Sache entſcheiden kan, kan man Gewalt mit gleicher Gewalt vertrei- ben (§. 833. Mor.), und finden alsdenn die Repreſſalien ſtat. Da nun die Staa- te und ihre Oberhaͤupter, die Potentaten, in der natuͤrlichen Freyheit leben und kei- nen Richter uͤber ſich haben, ſo ſind ihnen auch die Repreſſalien erlaubet. Denn es wird wohl niemand in Abrede ſeyn, daß Repreſſalien ein gelinderes Mittel ſind als der Krieg. Gleichwie man aber in der natuͤrlichen Freyheit einen Schieds- mann erwehlen kan, der den Streit, wel- chen wir mit unſerem Gegentheile nicht ausmachen koͤnnen, entſcheidet: alſo koͤnnen auch die Staate und Potentaten, als Perſonen, die in der natuͤrlichen Freyheit leben, andere unpartheyiſche Po- tentaten erwehlen, welche die zwiſchen ihnen ſchwebende Streitigkeiten entſchei- den helffen und zwar mit dem Gedinge, daß, woferne der eine Theil von dem ge- troffenen Vergleiche abgehen wuͤrde, ſie ihn ſelbſt dazu mit anhalten wollen, daß er ihm beſſer ein Gnuͤgen thue. Nemlich dieſes iſt noͤthig diejenigen, welche ſich vergleichen, zu verbinden, daß ſie den Vergleich halten (§. 5. Mor.). Damit wir aber deſto weniger zweiffeln doͤrffen, daß groſſe Herren dieſes zuthun verbunden, und
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Kriege.
lich im natuͤrlichen Stande, wo kein Rich-
ter iſt, der die Sache entſcheiden kan, kan
man Gewalt mit gleicher Gewalt vertrei-
ben (§. 833. Mor.), und finden alsdenn die
Repreſſalien ſtat. Da nun die Staa-
te und ihre Oberhaͤupter, die Potentaten,
in der natuͤrlichen Freyheit leben und kei-
nen Richter uͤber ſich haben, ſo ſind ihnen
auch die Repreſſalien erlaubet. Denn
es wird wohl niemand in Abrede ſeyn,
daß Repreſſalien ein gelinderes Mittel
ſind als der Krieg. Gleichwie man aber
in der natuͤrlichen Freyheit einen Schieds-
mann erwehlen kan, der den Streit, wel-
chen wir mit unſerem Gegentheile nicht
ausmachen koͤnnen, entſcheidet: alſo
koͤnnen auch die Staate und Potentaten,
als Perſonen, die in der natuͤrlichen
Freyheit leben, andere unpartheyiſche Po-
tentaten erwehlen, welche die zwiſchen
ihnen ſchwebende Streitigkeiten entſchei-
den helffen und zwar mit dem Gedinge,
daß, woferne der eine Theil von dem ge-
troffenen Vergleiche abgehen wuͤrde, ſie
ihn ſelbſt dazu mit anhalten wollen, daß er
ihm beſſer ein Gnuͤgen thue. Nemlich
dieſes iſt noͤthig diejenigen, welche ſich
vergleichen, zu verbinden, daß ſie den
Vergleich halten (§. 5. Mor.). Damit wir
aber deſto weniger zweiffeln doͤrffen, daß
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