Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Cap. 7. Von dem und nicht berechtiget sind ohne dringendeNoth zum Verderb ihrer und frembder Unterthanen die Waffen zu ergreiffen; so will ich noch einen Beweiß hieher setzen. Wenn wir wissen, daß ein Feind uns beleidi- gen wird, wir können aber verhindern, daß es geschiehet, ohne daß wir ihm einigen Schaden zufügen; so sind wir verbunden dasselbe Mittel zu erwehlen, und wäre un- recht, wenn wir ihm einigen Schaden zu- fügen wollten (§. 861. Mor.). Da nun die Staate mit ihren Oberhäuptern sich gegen einander verhalten wie Personen, die in der natürlichen Freyheit leben; so sind sie auch verbunden dergleichen Mittel zu erwehlen. Und findet sich bey ihnen noch ein besonderer Umstand, der bey eintzelen Personen nicht anzutreffen. Nemlich wenn grosse Herren einander zunahe kom- men, und sie es durch Krieg mit einander ausmachen wollen, so trifft es insgemein die Unterthanen, deren Gut und Blut ko- stet es: die Unterthanen aber sind gemei- niglich unschuldig, haben auch öffters, ja wohl meistens selbst an dem harten Ver- fahren des Landes-Herrn keinen Gefallen. Es ist aber einem vernünfftigen Potenta- ten bedencklich unschuldige ohne Noth zu drucken. Wiederumb wenn ein Feind nicht das Ansehen haben will, als wenn er uns ohne Ursache beleidigte und daher Ge-
Cap. 7. Von dem und nicht berechtiget ſind ohne dringendeNoth zum Verderb ihrer und frembder Unterthanen die Waffen zu ergreiffen; ſo will ich noch einen Beweiß hieher ſetzen. Wenn wir wiſſen, daß ein Feind uns beleidi- gen wird, wir koͤnnen aber verhindern, daß es geſchiehet, ohne daß wir ihm einigen Schaden zufuͤgen; ſo ſind wir verbunden daſſelbe Mittel zu erwehlen, und waͤre un- recht, wenn wir ihm einigen Schaden zu- fuͤgen wollten (§. 861. Mor.). Da nun die Staate mit ihren Oberhaͤuptern ſich gegen einander verhalten wie Perſonen, die in der natuͤrlichen Freyheit leben; ſo ſind ſie auch verbunden dergleichen Mittel zu erwehlen. Und findet ſich bey ihnen noch ein beſonderer Umſtand, der bey eintzelen Perſonen nicht anzutreffen. Nemlich wenn groſſe Herren einander zunahe kom- men, und ſie es durch Krieg mit einander ausmachen wollen, ſo trifft es insgemein die Unterthanen, deren Gut und Blut ko- ſtet es: die Unterthanen aber ſind gemei- niglich unſchuldig, haben auch oͤffters, ja wohl meiſtens ſelbſt an dem harten Ver- fahren des Landes-Herrn keinen Gefallen. Es iſt aber einem vernuͤnfftigen Potenta- ten bedencklich unſchuldige ohne Noth zu drucken. Wiederumb wenn ein Feind nicht das Anſehen haben will, als wenn er uns ohne Urſache beleidigte und daher Ge-
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Cap. 7. Von dem
und nicht berechtiget ſind ohne dringende
Noth zum Verderb ihrer und frembder
Unterthanen die Waffen zu ergreiffen; ſo
will ich noch einen Beweiß hieher ſetzen.
Wenn wir wiſſen, daß ein Feind uns beleidi-
gen wird, wir koͤnnen aber verhindern, daß
es geſchiehet, ohne daß wir ihm einigen
Schaden zufuͤgen; ſo ſind wir verbunden
daſſelbe Mittel zu erwehlen, und waͤre un-
recht, wenn wir ihm einigen Schaden zu-
fuͤgen wollten (§. 861. Mor.). Da nun
die Staate mit ihren Oberhaͤuptern ſich
gegen einander verhalten wie Perſonen, die
in der natuͤrlichen Freyheit leben; ſo ſind
ſie auch verbunden dergleichen Mittel zu
erwehlen. Und findet ſich bey ihnen noch
ein beſonderer Umſtand, der bey eintzelen
Perſonen nicht anzutreffen. Nemlich
wenn groſſe Herren einander zunahe kom-
men, und ſie es durch Krieg mit einander
ausmachen wollen, ſo trifft es insgemein
die Unterthanen, deren Gut und Blut ko-
ſtet es: die Unterthanen aber ſind gemei-
niglich unſchuldig, haben auch oͤffters, ja
wohl meiſtens ſelbſt an dem harten Ver-
fahren des Landes-Herrn keinen Gefallen.
Es iſt aber einem vernuͤnfftigen Potenta-
ten bedencklich unſchuldige ohne Noth zu
drucken. Wiederumb wenn ein Feind
nicht das Anſehen haben will, als wenn
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