Herren zur Ehre auslegen wil, daß sie sich wie unvernünfftige Menschen auff- führen; hingegen zur Schande deuten, daß sie sich wie vernünfftige bezeigen. Wir finden selbst, daß GOTT, der gröste Potentat und Monarch, sich nach den Regeln der Vernunfft richtet (§. 994. Met.). Wir müssen nicht die Fehler und Gebrechen niedriger Personen zu Tugenden hoher Häupter machen.
Wie man sich im Kriege auffzu- führen.
§. 500.
Auf eben diese Art lässet sich erweisen, wie man sich im Kriege aufzu- führen habe und wie weit diese, oder jene Gewalt auszuüben erlaubet. Nehmlich in dem Stande der natürlichen Freyheit und auch im gemeinen Wesen in denen Fällen, wo die natürliche Freyheit unein- geschränckt verblieben, müssen wir uns gegen einen Feind, der Feindseeligkeit wieder uns auszuüben trachtet, folgender Gestalt aufführen. Wenn ein Feind in dem Begriffe ist uns Schaden zuthun, und wir können solches auf keine andere Weise abwenden, als daß wir ihn durch ihm zugefügten Schaden unvermögend machen seinen Vorsatz zuvollführen; so sind wir verbunden diese Mittel dazu zu- gebrauchen: jedoch müssen wir soviel möglich darauf sehen, daß wir nicht durch einen grösseren Schaden zu erhalten su-
chen,
Cap. 7. Von dem
Herren zur Ehre auslegen wil, daß ſie ſich wie unvernuͤnfftige Menſchen auff- fuͤhren; hingegen zur Schande deuten, daß ſie ſich wie vernuͤnfftige bezeigen. Wir finden ſelbſt, daß GOTT, der groͤſte Potentat und Monarch, ſich nach den Regeln der Vernunfft richtet (§. 994. Met.). Wir muͤſſen nicht die Fehler und Gebrechen niedriger Perſonen zu Tugenden hoher Haͤupter machen.
Wie man ſich im Kriege auffzu- fuͤhren.
§. 500.
Auf eben dieſe Art laͤſſet ſich erweiſen, wie man ſich im Kriege aufzu- fuͤhren habe und wie weit dieſe, oder jene Gewalt auszuuͤben erlaubet. Nehmlich in dem Stande der natuͤrlichen Freyheit und auch im gemeinen Weſen in denen Faͤllen, wo die natuͤrliche Freyheit unein- geſchraͤnckt verblieben, muͤſſen wir uns gegen einen Feind, der Feindſeeligkeit wieder uns auszuuͤben trachtet, folgender Geſtalt auffuͤhren. Wenn ein Feind in dem Begriffe iſt uns Schaden zuthun, und wir koͤnnen ſolches auf keine andere Weiſe abwenden, als daß wir ihn durch ihm zugefuͤgten Schaden unvermoͤgend machen ſeinen Vorſatz zuvollfuͤhren; ſo ſind wir verbunden dieſe Mittel dazu zu- gebrauchen: jedoch muͤſſen wir ſoviel moͤglich darauf ſehen, daß wir nicht durch einen groͤſſeren Schaden zu erhalten ſu-
chen,
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Cap. 7. Von dem
Herren zur Ehre auslegen wil, daß ſie
ſich wie unvernuͤnfftige Menſchen auff-
fuͤhren; hingegen zur Schande deuten,
daß ſie ſich wie vernuͤnfftige bezeigen.
Wir finden ſelbſt, daß GOTT, der
groͤſte Potentat und Monarch, ſich nach
den Regeln der Vernunfft richtet (§.
994. Met.). Wir muͤſſen nicht die
Fehler und Gebrechen niedriger Perſonen
zu Tugenden hoher Haͤupter machen.
§. 500.Auf eben dieſe Art laͤſſet ſich
erweiſen, wie man ſich im Kriege aufzu-
fuͤhren habe und wie weit dieſe, oder jene
Gewalt auszuuͤben erlaubet. Nehmlich
in dem Stande der natuͤrlichen Freyheit
und auch im gemeinen Weſen in denen
Faͤllen, wo die natuͤrliche Freyheit unein-
geſchraͤnckt verblieben, muͤſſen wir uns
gegen einen Feind, der Feindſeeligkeit
wieder uns auszuuͤben trachtet, folgender
Geſtalt auffuͤhren. Wenn ein Feind in
dem Begriffe iſt uns Schaden zuthun,
und wir koͤnnen ſolches auf keine andere
Weiſe abwenden, als daß wir ihn durch
ihm zugefuͤgten Schaden unvermoͤgend
machen ſeinen Vorſatz zuvollfuͤhren; ſo
ſind wir verbunden dieſe Mittel dazu zu-
gebrauchen: jedoch muͤſſen wir ſoviel
moͤglich darauf ſehen, daß wir nicht durch
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 610. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/628>, abgerufen am 22.11.2024.
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