Und hieraus ersiehet man ferner,Wie lan- ge ein Cörper kälter werden kan. daß ein Cörper so lange noch kälter werden kan, als er noch einige Wärme bey sich hat und er in die Nähe anderer Cörper kommen kan, die weniger Wärme haben als er und ihn seiner Wärme berauben. Derowe- gen kan auch das Eis und der Schnee käl- ter werden als er ist, und hat folgends noch einige Wärme bey sich, die ihm bey zuneh- mender Kälte der Lufft entgehet (§. 87. T. II. Exper.).
§. 80.
Wiederumb weil die Kälte einOb die gröste Kälte in der Na- tur seyn kan. blosser Mangel der Wärme ist (§. 116 T. II. Exper.), und daher zunimmet, indem die Wärme abnimmet (§. 79); so siehet ein jeder, daß die Kälte alsdenn am grösten ist, wenn gar keine Wärme mehr in einem Cörper vorhanden. Ob ein Cörper den grösten Grad der Kälte jemahls erreichen könne, wird billich in Zweiffel gezogen. Denn wenn er in in der Natur kalt werden soll, so muß ihm die Wärme entgehen und er nicht andere an deren Stelle von aussen bekom- men (§. 76). Wenn ihm die Wärme ent- gehen soll, so muß ein anderer ihn berühren, der kälter ist als er (§. cit.). Dieser aber kan ihn nicht aller Wärme berauben. Denn wenn er einen Theil der Wärme dem an- dern weggenommen, so muß diesem soviel übrig bleiben, als derselbe würde an sich ge- nommen haben, wenn beyde in einem war-
men
(Physick) H
wegen der veraͤnderlichen Materie.
§. 79.
Und hieraus erſiehet man ferner,Wie lan- ge ein Coͤrper kaͤlter werden kan. daß ein Coͤrper ſo lange noch kaͤlter werden kan, als er noch einige Waͤrme bey ſich hat und er in die Naͤhe anderer Coͤrper kommen kan, die weniger Waͤrme haben als er und ihn ſeiner Waͤrme berauben. Derowe- gen kan auch das Eis und der Schnee kaͤl- ter werden als er iſt, und hat folgends noch einige Waͤrme bey ſich, die ihm bey zuneh- mender Kaͤlte der Lufft entgehet (§. 87. T. II. Exper.).
§. 80.
Wiederumb weil die Kaͤlte einOb die groͤſte Kaͤlte in der Na- tur ſeyn kan. bloſſer Mangel der Waͤrme iſt (§. 116 T. II. Exper.), und daher zunimmet, indem die Waͤrme abnim̃et (§. 79); ſo ſiehet ein jeder, daß die Kaͤlte alsdenn am groͤſten iſt, wenn gar keine Waͤrme mehr in einem Coͤrper vorhanden. Ob ein Coͤrper den groͤſten Grad der Kaͤlte jemahls erreichen koͤnne, wird billich in Zweiffel gezogen. Denn wenn er in in der Natur kalt werden ſoll, ſo muß ihm die Waͤrme entgehen und er nicht andere an deren Stelle von auſſen bekom- men (§. 76). Wenn ihm die Waͤrme ent- gehen ſoll, ſo muß ein anderer ihn beruͤhren, der kaͤlter iſt als er (§. cit.). Dieſer aber kan ihn nicht aller Waͤrme berauben. Denn wenn er einen Theil der Waͤrme dem an- dern weggenommen, ſo muß dieſem ſoviel uͤbrig bleiben, als derſelbe wuͤrde an ſich ge- nommen haben, wenn beyde in einem war-
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(Phyſick) H
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wegen der veraͤnderlichen Materie.
§. 79. Und hieraus erſiehet man ferner,
daß ein Coͤrper ſo lange noch kaͤlter werden
kan, als er noch einige Waͤrme bey ſich hat
und er in die Naͤhe anderer Coͤrper kommen
kan, die weniger Waͤrme haben als er und
ihn ſeiner Waͤrme berauben. Derowe-
gen kan auch das Eis und der Schnee kaͤl-
ter werden als er iſt, und hat folgends noch
einige Waͤrme bey ſich, die ihm bey zuneh-
mender Kaͤlte der Lufft entgehet (§. 87. T.
II. Exper.).
Wie lan-
ge ein
Coͤrper
kaͤlter
werden
kan.
§. 80. Wiederumb weil die Kaͤlte ein
bloſſer Mangel der Waͤrme iſt (§. 116 T. II.
Exper.), und daher zunimmet, indem die
Waͤrme abnim̃et (§. 79); ſo ſiehet ein jeder,
daß die Kaͤlte alsdenn am groͤſten iſt, wenn
gar keine Waͤrme mehr in einem Coͤrper
vorhanden. Ob ein Coͤrper den groͤſten
Grad der Kaͤlte jemahls erreichen koͤnne,
wird billich in Zweiffel gezogen. Denn
wenn er in in der Natur kalt werden ſoll, ſo
muß ihm die Waͤrme entgehen und er nicht
andere an deren Stelle von auſſen bekom-
men (§. 76). Wenn ihm die Waͤrme ent-
gehen ſoll, ſo muß ein anderer ihn beruͤhren,
der kaͤlter iſt als er (§. cit.). Dieſer aber
kan ihn nicht aller Waͤrme berauben. Denn
wenn er einen Theil der Waͤrme dem an-
dern weggenommen, ſo muß dieſem ſoviel
uͤbrig bleiben, als derſelbe wuͤrde an ſich ge-
nommen haben, wenn beyde in einem war-
men
Ob die
groͤſte
Kaͤlte in
der Na-
tur ſeyn
kan.
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/149>, abgerufen am 21.11.2024.
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