Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.wegen der veränderlichen Materie. Flamme unterhält, indem eine neue in dieStelle der andern tritt, die sich zertheilet und verschwindet. Wenn man demnach genau reden will, wie es die Wahrheit er- fordert, so kan man nicht wohl sagen, daß die Wärme eine Eigenschafft des Feuers ist, und daher das Feuer ein Cörper, wel- ches die Wärme zu einer beständigen Ei- genschafft hat. Denn es ist der gröste Grad, oder ein sehr grosser Grad der Wär- me, den wir kennen. Wo Feuer ist, da ist viel Wärme zugegen. Wir müssen nem- lich in der Welt-Weisheit nicht nach un- sern Sinnen und der Einbildungs-Krafft urtheilen, die Sachen verschieden vorstel- len, ob sie gleich dem Wesen nach einerley sind. Es ist wohl wahr, daß in der Flam- me des Feuers noch etwas mehr als Wär- me ist: allein dieses kommet zufälliger Weise mit dazu, wie wir solches an seinem Orte weiter untersuchen werden. Wollte man man aber auch das, was wir zufällig nennen, mit dem zu Feuer rechnen und ihm die Wärme bloß als eine beständige Eigen- schafft beylegen; so würden wir darüber mit niemanden einen Streit anfangen. Wir sehen doch aber nicht, was wir sagen sollen, wenn durch blosse Concentrirung der Sonnen-Strahlen auch bey solchen Cörpern ein Feuer erreget wird, die keine ver- H 2
wegen der veraͤnderlichen Materie. Flamme unterhaͤlt, indem eine neue in dieStelle der andern tritt, die ſich zertheilet und verſchwindet. Wenn man demnach genau reden will, wie es die Wahrheit er- fordert, ſo kan man nicht wohl ſagen, daß die Waͤrme eine Eigenſchafft des Feuers iſt, und daher das Feuer ein Coͤrper, wel- ches die Waͤrme zu einer beſtaͤndigen Ei- genſchafft hat. Denn es iſt der groͤſte Grad, oder ein ſehr groſſer Grad der Waͤr- me, den wir kennen. Wo Feuer iſt, da iſt viel Waͤrme zugegen. Wir muͤſſen nem- lich in der Welt-Weisheit nicht nach un- ſern Sinnen und der Einbildungs-Krafft urtheilen, die Sachen verſchieden vorſtel- len, ob ſie gleich dem Weſen nach einerley ſind. Es iſt wohl wahr, daß in der Flam- me des Feuers noch etwas mehr als Waͤr- me iſt: allein dieſes kommet zufaͤlliger Weiſe mit dazu, wie wir ſolches an ſeinem Orte weiter unterſuchen werden. Wollte man man aber auch das, was wir zufaͤllig neñen, mit dem zu Feuer rechnen und ihm die Waͤrme bloß als eine beſtaͤndige Eigen- ſchafft beylegen; ſo wuͤrden wir daruͤber mit niemanden einen Streit anfangen. Wir ſehen doch aber nicht, was wir ſagen ſollen, wenn durch bloſſe Concentrirung der Sonnen-Strahlen auch bey ſolchen Coͤrpern ein Feuer erreget wird, die keine ver- H 2
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wegen der veraͤnderlichen Materie.
Flamme unterhaͤlt, indem eine neue in die
Stelle der andern tritt, die ſich zertheilet
und verſchwindet. Wenn man demnach
genau reden will, wie es die Wahrheit er-
fordert, ſo kan man nicht wohl ſagen, daß
die Waͤrme eine Eigenſchafft des Feuers
iſt, und daher das Feuer ein Coͤrper, wel-
ches die Waͤrme zu einer beſtaͤndigen Ei-
genſchafft hat. Denn es iſt der groͤſte
Grad, oder ein ſehr groſſer Grad der Waͤr-
me, den wir kennen. Wo Feuer iſt, da iſt
viel Waͤrme zugegen. Wir muͤſſen nem-
lich in der Welt-Weisheit nicht nach un-
ſern Sinnen und der Einbildungs-Krafft
urtheilen, die Sachen verſchieden vorſtel-
len, ob ſie gleich dem Weſen nach einerley
ſind. Es iſt wohl wahr, daß in der Flam-
me des Feuers noch etwas mehr als Waͤr-
me iſt: allein dieſes kommet zufaͤlliger
Weiſe mit dazu, wie wir ſolches an ſeinem
Orte weiter unterſuchen werden. Wollte
man man aber auch das, was wir zufaͤllig
neñen, mit dem zu Feuer rechnen und ihm die
Waͤrme bloß als eine beſtaͤndige Eigen-
ſchafft beylegen; ſo wuͤrden wir daruͤber
mit niemanden einen Streit anfangen.
Wir ſehen doch aber nicht, was wir ſagen
ſollen, wenn durch bloſſe Concentrirung
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