Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. III. Von dem Winde.
bringet er warme Lufft mit sich und ist dan-
nenhero ein warmer Wind. Wiederum
im Winter ist die See, welche nicht zuge-
froren, wärmer als die Erde, welche gefro-
ren und mit Schnee bedecket ist. Derowe-
gen wenn der Wind über die offenbahre
See bläset, so ist er des Winters warm (§.
216).

Warumb
unter-
weilen
Winde
warm
scheinen.
§. 218.

Jn Beurtheilung der Wärme
pflegen uns öffters die Sinnen zu betrügen:
denn wir nennen die Lufft warm, wenn sie
wärmer ist, als diejenige, darinnen wir ge-
wesen (§. 108 T. II. Exper.). Derowe-
gen wenn die Lufft bey uns kälter ist als die-
jenige, welche der Wind mit bringet; so
kommet uns der Wind warm vor: hinge-
gegen wenn bey uns die Lufft wärmer ist als
die der Wind mit bringet, so kommet uns
der Wind kalt vor. Und demnach ist es
möglich daß der Wind einmahl so warm ist
als das andere, und dessen ungeachtet von
uns einmahl für warm, das andere mahl a-
ber für kalt gehalten wird.

Einem
Zweiffel
wird be-
gegnet.
§. 219.

Wir haben vorhin gesehen, daß
der Wind die Lufft abkühlet (§. 214). De-
rowegen sollten wir vermeinen, es könne
kein Wind warm seyn. Allein es ist zu mer-
cken, daß ein Unterscheid zu machen sey un-
ter starcken und schwachen Winden, wie die
ordentliche Winde sind. Jene erkälten die
Lufft, diese aber nicht. Darnach hat man

auch

Cap. III. Von dem Winde.
bringet er warme Lufft mit ſich und iſt dan-
nenhero ein warmer Wind. Wiederum
im Winter iſt die See, welche nicht zuge-
froren, waͤrmer als die Erde, welche gefro-
ren und mit Schnee bedecket iſt. Derowe-
gen wenn der Wind uͤber die offenbahre
See blaͤſet, ſo iſt er des Winters warm (§.
216).

Warumb
unter-
weilen
Winde
warm
ſcheinen.
§. 218.

Jn Beurtheilung der Waͤrme
pflegen uns oͤffters die Sinnen zu betruͤgen:
denn wir nennen die Lufft warm, wenn ſie
waͤrmer iſt, als diejenige, darinnen wir ge-
weſen (§. 108 T. II. Exper.). Derowe-
gen wenn die Lufft bey uns kaͤlter iſt als die-
jenige, welche der Wind mit bringet; ſo
kommet uns der Wind warm vor: hinge-
gegen wenn bey uns die Lufft waͤrmer iſt als
die der Wind mit bringet, ſo kommet uns
der Wind kalt vor. Und demnach iſt es
moͤglich daß der Wind einmahl ſo warm iſt
als das andere, und deſſen ungeachtet von
uns einmahl fuͤr warm, das andere mahl a-
ber fuͤr kalt gehalten wird.

Einem
Zweiffel
wird be-
gegnet.
§. 219.

Wir haben vorhin geſehen, daß
der Wind die Lufft abkuͤhlet (§. 214). De-
rowegen ſollten wir vermeinen, es koͤnne
kein Wind warm ſeyn. Allein es iſt zu mer-
cken, daß ein Unterſcheid zu machen ſey un-
ter ſtarcken und ſchwachen Winden, wie die
ordentliche Winde ſind. Jene erkaͤlten die
Lufft, dieſe aber nicht. Darnach hat man

auch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0336" n="300"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Cap. III.</hi> Von dem Winde.</hi></fw><lb/>
bringet er warme Lufft mit &#x017F;ich und i&#x017F;t dan-<lb/>
nenhero ein warmer Wind. Wiederum<lb/>
im Winter i&#x017F;t die See, welche nicht zuge-<lb/>
froren, wa&#x0364;rmer als die Erde, welche gefro-<lb/>
ren und mit Schnee bedecket i&#x017F;t. Derowe-<lb/>
gen wenn der Wind u&#x0364;ber die offenbahre<lb/>
See bla&#x0364;&#x017F;et, &#x017F;o i&#x017F;t er des Winters warm (§.<lb/>
216).</p><lb/>
              <note place="left">Warumb<lb/>
unter-<lb/>
weilen<lb/>
Winde<lb/>
warm<lb/>
&#x017F;cheinen.</note>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 218.</head>
              <p>Jn Beurtheilung der Wa&#x0364;rme<lb/>
pflegen uns o&#x0364;ffters die Sinnen zu betru&#x0364;gen:<lb/>
denn wir nennen die Lufft warm, wenn &#x017F;ie<lb/>
wa&#x0364;rmer i&#x017F;t, als diejenige, darinnen wir ge-<lb/>
we&#x017F;en (§. 108 <hi rendition="#aq">T. II. Exper.</hi>). Derowe-<lb/>
gen wenn die Lufft bey uns ka&#x0364;lter i&#x017F;t als die-<lb/>
jenige, welche der Wind mit bringet; &#x017F;o<lb/>
kommet uns der Wind warm vor: hinge-<lb/>
gegen wenn bey uns die Lufft wa&#x0364;rmer i&#x017F;t als<lb/>
die der Wind mit bringet, &#x017F;o kommet uns<lb/>
der Wind kalt vor. Und demnach i&#x017F;t es<lb/>
mo&#x0364;glich daß der Wind einmahl &#x017F;o warm i&#x017F;t<lb/>
als das andere, und de&#x017F;&#x017F;en ungeachtet von<lb/>
uns einmahl fu&#x0364;r warm, das andere mahl a-<lb/>
ber fu&#x0364;r kalt gehalten wird.</p><lb/>
              <note place="left">Einem<lb/>
Zweiffel<lb/>
wird be-<lb/>
gegnet.</note>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 219.</head>
              <p>Wir haben vorhin ge&#x017F;ehen, daß<lb/>
der Wind die Lufft abku&#x0364;hlet (§. 214). De-<lb/>
rowegen &#x017F;ollten wir vermeinen, es ko&#x0364;nne<lb/>
kein Wind warm &#x017F;eyn. Allein es i&#x017F;t zu mer-<lb/>
cken, daß ein Unter&#x017F;cheid zu machen &#x017F;ey un-<lb/>
ter &#x017F;tarcken und &#x017F;chwachen Winden, wie die<lb/>
ordentliche Winde &#x017F;ind. Jene erka&#x0364;lten die<lb/>
Lufft, die&#x017F;e aber nicht. Darnach hat man<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">auch</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[300/0336] Cap. III. Von dem Winde. bringet er warme Lufft mit ſich und iſt dan- nenhero ein warmer Wind. Wiederum im Winter iſt die See, welche nicht zuge- froren, waͤrmer als die Erde, welche gefro- ren und mit Schnee bedecket iſt. Derowe- gen wenn der Wind uͤber die offenbahre See blaͤſet, ſo iſt er des Winters warm (§. 216). §. 218. Jn Beurtheilung der Waͤrme pflegen uns oͤffters die Sinnen zu betruͤgen: denn wir nennen die Lufft warm, wenn ſie waͤrmer iſt, als diejenige, darinnen wir ge- weſen (§. 108 T. II. Exper.). Derowe- gen wenn die Lufft bey uns kaͤlter iſt als die- jenige, welche der Wind mit bringet; ſo kommet uns der Wind warm vor: hinge- gegen wenn bey uns die Lufft waͤrmer iſt als die der Wind mit bringet, ſo kommet uns der Wind kalt vor. Und demnach iſt es moͤglich daß der Wind einmahl ſo warm iſt als das andere, und deſſen ungeachtet von uns einmahl fuͤr warm, das andere mahl a- ber fuͤr kalt gehalten wird. §. 219. Wir haben vorhin geſehen, daß der Wind die Lufft abkuͤhlet (§. 214). De- rowegen ſollten wir vermeinen, es koͤnne kein Wind warm ſeyn. Allein es iſt zu mer- cken, daß ein Unterſcheid zu machen ſey un- ter ſtarcken und ſchwachen Winden, wie die ordentliche Winde ſind. Jene erkaͤlten die Lufft, dieſe aber nicht. Darnach hat man auch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/336
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/336>, abgerufen am 22.11.2024.