ginnet, so daß man auch schon vor alten Zeiten diesen Reim gemacht:
Wenn der Tag beginnt zu langen, Kommt die Kälte herbey gegan- gen.
Nemlich den Sommer über ist die Erde durchwärmet worden und muß dannenhero erst wieder ihre Wärme alle ablegen, ehe die Lufft recht kalt werden kan. Denn so lange die Erde noch warm ist, gehet bestän- dig Wärme aus der Erde in die Lufft (§. 79) und hindert dadurch die Kälte (§. 116 T. II. Exper.). Nun weisen es die Versuche, welche Mariotte mit den Wetter-Gläsern in den Kellern zu Paris angestellet, daß die Wärme erst gegen den 18 Decembr. aus der Erde gehet, als nach welcher Zeit das Wetterglaß unverändert den gantzen Win- ter durch stehen bleibet a. Derowegen kan es auch vor der Zeit nicht recht kalt werden. Wenn aber die Erde ihrer Wär- me völlig beraubet ist, so bleibet die Lufft kalt und, da die ersten Wochen im Jenner die Sonne nicht mehr Krafft hat, als die beyden letzten Wochen im December (§. 227); so kan auch diese Zeit über die Kälte zunehmen. Solchergestalt findet sich die gröste Kälte gegen das Ende des Januarii oder den Anfang des Hornungs ein.
§. 234.
aEssay du chaud & du froid p. 40 & seqq. edit. Paris.
Cap. IV. Von den Witterungen
ginnet, ſo daß man auch ſchon vor alten Zeiten dieſen Reim gemacht:
Wenn der Tag beginnt zu langen, Kommt die Kaͤlte herbey gegan- gen.
Nemlich den Sommer uͤber iſt die Erde durchwaͤrmet worden und muß dannenhero erſt wieder ihre Waͤrme alle ablegen, ehe die Lufft recht kalt werden kan. Denn ſo lange die Erde noch warm iſt, gehet beſtaͤn- dig Waͤrme aus der Erde in die Lufft (§. 79) und hindert dadurch die Kaͤlte (§. 116 T. II. Exper.). Nun weiſen es die Verſuche, welche Mariotte mit den Wetter-Glaͤſern in den Kellern zu Paris angeſtellet, daß die Waͤrme erſt gegen den 18 Decembr. aus der Erde gehet, als nach welcher Zeit das Wetterglaß unveraͤndert den gantzen Win- ter durch ſtehen bleibet a. Derowegen kan es auch vor der Zeit nicht recht kalt werden. Wenn aber die Erde ihrer Waͤr- me voͤllig beraubet iſt, ſo bleibet die Lufft kalt und, da die erſten Wochen im Jenner die Sonne nicht mehr Krafft hat, als die beyden letzten Wochen im December (§. 227); ſo kan auch dieſe Zeit uͤber die Kaͤlte zunehmen. Solchergeſtalt findet ſich die groͤſte Kaͤlte gegen das Ende des Januarii oder den Anfang des Hornungs ein.
§. 234.
aEſſay du chaud & du froid p. 40 & ſeqq. edit. Pariſ.
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Cap. IV. Von den Witterungen
ginnet, ſo daß man auch ſchon vor alten
Zeiten dieſen Reim gemacht:
Wenn der Tag beginnt zu langen,
Kommt die Kaͤlte herbey gegan-
gen.
Nemlich den Sommer uͤber iſt die Erde
durchwaͤrmet worden und muß dannenhero
erſt wieder ihre Waͤrme alle ablegen, ehe
die Lufft recht kalt werden kan. Denn ſo
lange die Erde noch warm iſt, gehet beſtaͤn-
dig Waͤrme aus der Erde in die Lufft (§. 79)
und hindert dadurch die Kaͤlte (§. 116 T. II.
Exper.). Nun weiſen es die Verſuche,
welche Mariotte mit den Wetter-Glaͤſern
in den Kellern zu Paris angeſtellet, daß die
Waͤrme erſt gegen den 18 Decembr. aus
der Erde gehet, als nach welcher Zeit das
Wetterglaß unveraͤndert den gantzen Win-
ter durch ſtehen bleibet a. Derowegen
kan es auch vor der Zeit nicht recht kalt
werden. Wenn aber die Erde ihrer Waͤr-
me voͤllig beraubet iſt, ſo bleibet die Lufft
kalt und, da die erſten Wochen im Jenner
die Sonne nicht mehr Krafft hat, als die
beyden letzten Wochen im December (§.
227); ſo kan auch dieſe Zeit uͤber die Kaͤlte
zunehmen. Solchergeſtalt findet ſich die
groͤſte Kaͤlte gegen das Ende des Januarii
oder den Anfang des Hornungs ein.
§. 234.
a Eſſay du chaud & du froid p. 40 & ſeqq. edit.
Pariſ.
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/354>, abgerufen am 17.06.2024.
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