Vielleicht wird nicht einem je-Ein Zweiffel wird be- benom- men. den klar seyn, wenn ich sage, die Erde habe alsdenn ihre Wärme, die sie von der Son- ne den Sommer über erhalten (denn hier- von und von keiner andern, die aus andern zufälligen Ursachen entstehet, ist die Rede) gäntzlich verlohren, wenn das Wetterglaß im Keller nicht tieffer fället. Derowegen ist nöthig, daß ich es in mehrere Klarheit se- tze. Wenn die Lufft kälter wird, als sie vorher war; so wird auch die obere Erde, welche sie berühret, kälter (§ 76.). Und indem die obere Erde kälter wird, muß auch die untere kälter werden (§. cit.). Wenn nun aber die untere nicht mehr kälter wird; so muß auch dieselbe keine Wärme mehr haben, die sie von der Sonne erhalten. Denn daß die Wärme welche sie bey zuneh- mender Kälte der Lufft fahren lässet, von der Sonne ist, kan man daraus ermessen, weil sie dieselbe wieder bekommet, wenn die Son- ne es beginnet wärmer zu machen. Man möchte zwar weiter sagen, da es im Keller nicht so kalt ist, wie oben in einem Orte, der nicht so tieff in der Erde ist, wie eben Ma- riotte daselbst ausführet: so sollte ja folgen, daß es auch unten im Keller kälter werden müste, je kälter es oben wird. Allein wir wissen, daß die Wärme durch einen dicken Cörper nicht gantz durchdringet, auch wenn sie starck ist (§. 129 T. II. Exper.): dero- wegen darf uns nicht befremden, daß auch
eine
der vier Jahrs-Zeiten.
§. 234.
Vielleicht wird nicht einem je-Ein Zweiffel wird be- benom- men. den klar ſeyn, wenn ich ſage, die Erde habe alsdenn ihre Waͤrme, die ſie von der Son- ne den Sommer uͤber erhalten (denn hier- von und von keiner andern, die aus andern zufaͤlligen Urſachen entſtehet, iſt die Rede) gaͤntzlich verlohren, wenn das Wetterglaß im Keller nicht tieffer faͤllet. Derowegen iſt noͤthig, daß ich es in mehrere Klarheit ſe- tze. Wenn die Lufft kaͤlter wird, als ſie vorher war; ſo wird auch die obere Erde, welche ſie beruͤhret, kaͤlter (§ 76.). Und indem die obere Erde kaͤlter wird, muß auch die untere kaͤlter werden (§. cit.). Wenn nun aber die untere nicht mehr kaͤlter wird; ſo muß auch dieſelbe keine Waͤrme mehr haben, die ſie von der Sonne erhalten. Denn daß die Waͤrme welche ſie bey zuneh- mender Kaͤlte der Lufft fahren laͤſſet, von der Sonne iſt, kan man daraus ermeſſen, weil ſie dieſelbe wieder bekommet, wenn die Son- ne es beginnet waͤrmer zu machen. Man moͤchte zwar weiter ſagen, da es im Keller nicht ſo kalt iſt, wie oben in einem Orte, der nicht ſo tieff in der Erde iſt, wie eben Ma- riotte daſelbſt ausfuͤhret: ſo ſollte ja folgen, daß es auch unten im Keller kaͤlter werden muͤſte, je kaͤlter es oben wird. Allein wir wiſſen, daß die Waͤrme durch einen dicken Coͤrper nicht gantz durchdringet, auch wenn ſie ſtarck iſt (§. 129 T. II. Exper.): dero- wegen darf uns nicht befremden, daß auch
eine
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der vier Jahrs-Zeiten.
§. 234. Vielleicht wird nicht einem je-
den klar ſeyn, wenn ich ſage, die Erde habe
alsdenn ihre Waͤrme, die ſie von der Son-
ne den Sommer uͤber erhalten (denn hier-
von und von keiner andern, die aus andern
zufaͤlligen Urſachen entſtehet, iſt die Rede)
gaͤntzlich verlohren, wenn das Wetterglaß
im Keller nicht tieffer faͤllet. Derowegen
iſt noͤthig, daß ich es in mehrere Klarheit ſe-
tze. Wenn die Lufft kaͤlter wird, als ſie
vorher war; ſo wird auch die obere Erde,
welche ſie beruͤhret, kaͤlter (§ 76.). Und
indem die obere Erde kaͤlter wird, muß auch
die untere kaͤlter werden (§. cit.). Wenn
nun aber die untere nicht mehr kaͤlter wird;
ſo muß auch dieſelbe keine Waͤrme mehr
haben, die ſie von der Sonne erhalten.
Denn daß die Waͤrme welche ſie bey zuneh-
mender Kaͤlte der Lufft fahren laͤſſet, von der
Sonne iſt, kan man daraus ermeſſen, weil
ſie dieſelbe wieder bekommet, wenn die Son-
ne es beginnet waͤrmer zu machen. Man
moͤchte zwar weiter ſagen, da es im Keller
nicht ſo kalt iſt, wie oben in einem Orte, der
nicht ſo tieff in der Erde iſt, wie eben Ma-
riotte daſelbſt ausfuͤhret: ſo ſollte ja folgen,
daß es auch unten im Keller kaͤlter werden
muͤſte, je kaͤlter es oben wird. Allein wir
wiſſen, daß die Waͤrme durch einen dicken
Coͤrper nicht gantz durchdringet, auch wenn
ſie ſtarck iſt (§. 129 T. II. Exper.): dero-
wegen darf uns nicht befremden, daß auch
eine
Ein
Zweiffel
wird be-
benom-
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/355>, abgerufen am 22.11.2024.
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