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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.

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Schnee und Hagel.
Grase des Morgends antrifft. Denn da
es eine lange Zeit, öffters die gantze Nacht
durch thauet, so fallen auch nach und nach
neue Tröpflein Thau auf das Graß und,
wenn ein neues eines von den vorigen be-
rühret, so fliesset es mit ihm zusammen und
wird solchergestalt ein grösseres Tröpflein
daraus, als es vorher war.

§. 272.

Und eben hieraus verstehet man,Warumb
die Fen-
ster schwi-
tzen.

wie die Fenster in den Stuben schwitzen,
wenn es von aussen kalt, inwendig aber
warm ist. Denn von der kalten äusse-
ren Lufft werden auch die Glaßschei-
ben kalt. Man kan es selbst mit den Hän-
den sühlen, daß sie kälter werden. Die kal-
ten Glaß-Scheiben machen auch die Lufft
kalt, die bey dem Fenster ist (§. 134 T. I.
Exper.
). Da nun die Lufft im Gemache,
fonderlich wo viel Personen zugegen sind,
sehr feuchte ist wegen des vielen Dampffes,
der mit dem Athem aus den Lungen fähret;
so werden die einzeln Dünste zusammen ge-
bracht und fliessen in Tröpfflein zusammen,
die sich an das Glaß anhängen. Eben die-
se Bewandnis hat es, wenn man im Win-
ter ein kaltes Gefässe, oder etwas von Me-
talle und Glase, so lange in der Kälte gewe-
sen, in die warme Stube bringet und es
fänget an zu schwitzen: wie nicht weniger,
wenn im heissen Sommer ein Glaß in der
Stube schwitzet, darein man recht frisches

Was-

Schnee und Hagel.
Graſe des Morgends antrifft. Denn da
es eine lange Zeit, oͤffters die gantze Nacht
durch thauet, ſo fallen auch nach und nach
neue Troͤpflein Thau auf das Graß und,
wenn ein neues eines von den vorigen be-
ruͤhret, ſo flieſſet es mit ihm zuſammen und
wird ſolchergeſtalt ein groͤſſeres Troͤpflein
daraus, als es vorher war.

§. 272.

Und eben hieraus verſtehet man,Warumb
die Fen-
ſteꝛ ſchwi-
tzen.

wie die Fenſter in den Stuben ſchwitzen,
wenn es von auſſen kalt, inwendig aber
warm iſt. Denn von der kalten aͤuſſe-
ren Lufft werden auch die Glaßſchei-
ben kalt. Man kan es ſelbſt mit den Haͤn-
den ſuͤhlen, daß ſie kaͤlter werden. Die kal-
ten Glaß-Scheiben machen auch die Lufft
kalt, die bey dem Fenſter iſt (§. 134 T. I.
Exper.
). Da nun die Lufft im Gemache,
fonderlich wo viel Perſonen zugegen ſind,
ſehr feuchte iſt wegen des vielen Dampffes,
der mit dem Athem aus den Lungen faͤhret;
ſo werden die einzeln Duͤnſte zuſammen ge-
bracht und flieſſen in Troͤpfflein zuſammen,
die ſich an das Glaß anhaͤngen. Eben die-
ſe Bewandnis hat es, wenn man im Win-
ter ein kaltes Gefaͤſſe, oder etwas von Me-
talle und Glaſe, ſo lange in der Kaͤlte gewe-
ſen, in die warme Stube bringet und es
faͤnget an zu ſchwitzen: wie nicht weniger,
wenn im heiſſen Sommer ein Glaß in der
Stube ſchwitzet, darein man recht friſches

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[367/0403] Schnee und Hagel. Graſe des Morgends antrifft. Denn da es eine lange Zeit, oͤffters die gantze Nacht durch thauet, ſo fallen auch nach und nach neue Troͤpflein Thau auf das Graß und, wenn ein neues eines von den vorigen be- ruͤhret, ſo flieſſet es mit ihm zuſammen und wird ſolchergeſtalt ein groͤſſeres Troͤpflein daraus, als es vorher war. §. 272. Und eben hieraus verſtehet man, wie die Fenſter in den Stuben ſchwitzen, wenn es von auſſen kalt, inwendig aber warm iſt. Denn von der kalten aͤuſſe- ren Lufft werden auch die Glaßſchei- ben kalt. Man kan es ſelbſt mit den Haͤn- den ſuͤhlen, daß ſie kaͤlter werden. Die kal- ten Glaß-Scheiben machen auch die Lufft kalt, die bey dem Fenſter iſt (§. 134 T. I. Exper.). Da nun die Lufft im Gemache, fonderlich wo viel Perſonen zugegen ſind, ſehr feuchte iſt wegen des vielen Dampffes, der mit dem Athem aus den Lungen faͤhret; ſo werden die einzeln Duͤnſte zuſammen ge- bracht und flieſſen in Troͤpfflein zuſammen, die ſich an das Glaß anhaͤngen. Eben die- ſe Bewandnis hat es, wenn man im Win- ter ein kaltes Gefaͤſſe, oder etwas von Me- talle und Glaſe, ſo lange in der Kaͤlte gewe- ſen, in die warme Stube bringet und es faͤnget an zu ſchwitzen: wie nicht weniger, wenn im heiſſen Sommer ein Glaß in der Stube ſchwitzet, darein man recht friſches Waſ- Warumb die Fen- ſteꝛ ſchwi- tzen.

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/403>, abgerufen am 27.07.2024.