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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.

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Schnee und Hagel.
Reiff nichts anders als ein gefrorner Thau
(§. 270) und fället bloß zu der Jahrs-Zeit,
da die Lufft sehr kalt ist. Wir haben zwar
gesehen, daß die eintzelen Dünste in der Lufft,
auch, wenn sie sehr kalt ist, ungefroren
verbleiben können (§. 260). Dessen unge-
achtet können eben diese Dünste, wenn sie in
Tröpflein zusammen geflossen, indem sie sich
an die Flächen der Cörper angehänget, auch
von der kalten Lufft gefrieren: denn als-
denn sind sie nicht mehr wie Dünste, sondern
wie anderes Wasser anzusehen. Da nun
von der Kälte der Lufft das Wasser gefrie-
ren kan; so kan aus eben dieser Ursache der
Thau, so auf den Flächen der Cörper
lieget, gefrieren. Es hat aber einerley Be-
schaffenheit wie mit dem Reiffe, wenn der
Dampff von dem Athem in grosser Kälte
an den Bärten und Haaren gefrieret.

§. 274.

Und nun verstehet man auch,Warumb
bey Thau
Wetter
die Kälte
aus den
Gebäu-
den schlä-
get.

wie es zugehet, daß, wenn nach anhaltender
strengen Kälte im Winter Thau-Weter
einfället, die Mauren insonderheit an stei-
nernen Gebäuden gleichsam überreiffen.
Der gemeine Mann bildet sich ein, der
Reiff gehe aus dem Gebäude heraus, und
deswegen pfleget man zu sagen: die Kälte
schlage aus den Gebäuden. Wir haben
vorhin gesehen, daß bey wieder einfallendem
Thau-Wetter nach einer grossen Kälte die

Wän-
(Physick) A a

Schnee und Hagel.
Reiff nichts anders als ein gefrorner Thau
(§. 270) und faͤllet bloß zu der Jahrs-Zeit,
da die Lufft ſehr kalt iſt. Wir haben zwar
geſehen, daß die eintzelen Duͤnſte in der Lufft,
auch, wenn ſie ſehr kalt iſt, ungefroren
verbleiben koͤnnen (§. 260). Deſſen unge-
achtet koͤnnen eben dieſe Duͤnſte, wenn ſie in
Troͤpflein zuſammen gefloſſen, indem ſie ſich
an die Flaͤchen der Coͤrper angehaͤnget, auch
von der kalten Lufft gefrieren: denn als-
denn ſind ſie nicht mehr wie Duͤnſte, ſondern
wie anderes Waſſer anzuſehen. Da nun
von der Kaͤlte der Lufft das Waſſer gefrie-
ren kan; ſo kan aus eben dieſer Urſache der
Thau, ſo auf den Flaͤchen der Coͤrper
lieget, gefrieren. Es hat aber einerley Be-
ſchaffenheit wie mit dem Reiffe, wenn der
Dampff von dem Athem in groſſer Kaͤlte
an den Baͤrten und Haaren gefrieret.

§. 274.

Und nun verſtehet man auch,Warumb
bey Thau
Wetter
die Kaͤlte
aus den
Gebaͤu-
den ſchlaͤ-
get.

wie es zugehet, daß, wenn nach anhaltender
ſtrengen Kaͤlte im Winter Thau-Weter
einfaͤllet, die Mauren inſonderheit an ſtei-
nernen Gebaͤuden gleichſam uͤberreiffen.
Der gemeine Mann bildet ſich ein, der
Reiff gehe aus dem Gebaͤude heraus, und
deswegen pfleget man zu ſagen: die Kaͤlte
ſchlage aus den Gebaͤuden. Wir haben
vorhin geſehen, daß bey wieder einfallendem
Thau-Wetter nach einer groſſen Kaͤlte die

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[369/0405] Schnee und Hagel. Reiff nichts anders als ein gefrorner Thau (§. 270) und faͤllet bloß zu der Jahrs-Zeit, da die Lufft ſehr kalt iſt. Wir haben zwar geſehen, daß die eintzelen Duͤnſte in der Lufft, auch, wenn ſie ſehr kalt iſt, ungefroren verbleiben koͤnnen (§. 260). Deſſen unge- achtet koͤnnen eben dieſe Duͤnſte, wenn ſie in Troͤpflein zuſammen gefloſſen, indem ſie ſich an die Flaͤchen der Coͤrper angehaͤnget, auch von der kalten Lufft gefrieren: denn als- denn ſind ſie nicht mehr wie Duͤnſte, ſondern wie anderes Waſſer anzuſehen. Da nun von der Kaͤlte der Lufft das Waſſer gefrie- ren kan; ſo kan aus eben dieſer Urſache der Thau, ſo auf den Flaͤchen der Coͤrper lieget, gefrieren. Es hat aber einerley Be- ſchaffenheit wie mit dem Reiffe, wenn der Dampff von dem Athem in groſſer Kaͤlte an den Baͤrten und Haaren gefrieret. §. 274. Und nun verſtehet man auch, wie es zugehet, daß, wenn nach anhaltender ſtrengen Kaͤlte im Winter Thau-Weter einfaͤllet, die Mauren inſonderheit an ſtei- nernen Gebaͤuden gleichſam uͤberreiffen. Der gemeine Mann bildet ſich ein, der Reiff gehe aus dem Gebaͤude heraus, und deswegen pfleget man zu ſagen: die Kaͤlte ſchlage aus den Gebaͤuden. Wir haben vorhin geſehen, daß bey wieder einfallendem Thau-Wetter nach einer groſſen Kaͤlte die Waͤn- Warumb bey Thau Wetter die Kaͤlte aus den Gebaͤu- den ſchlaͤ- get. (Phyſick) A a

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/405>, abgerufen am 22.11.2024.