denen möglichen Theilen als einen Theil annehmenkan, welchen man will. Daß es mit den Theilen in Linien, Flächen und geometrischen Cörpern eben die Bewandnis habe, darf man um soviel weniger zweif- feln, je gewisser es ist, daß sich alle Zahlen durch Linien, Flächen und Cörper vorstellen lassen und in der Mathematick in der That dazu gebrauchet werden, daß man die Grösse deutlich erkennen lernet: welches alles hier deutlich auszuführen, weder Ort, noch andere Umstände leiden wollen. Es lassen sich demnach die mathematischen Be- weise keinesweges auf die Materie, wie sie in der Natur angetroffen werden, deuten. Und kan man, wie aus dem, was bishero gesaget worden, überflüßig abzunehmen, in der Natur keinen Theilen stat vergönnen, als deren Gegenwart entweder die Erfahrung zeiget, oder auch die Vernunfft durch die Verknüpffung mit diesen ersteren erweiset. Wer anders verfähret, der muß sich gefal- len lassen, daß er in allerhand Wiedersprü- che verfället und die Wahrheit in Erkäntnis der Natur nicht erreichet. Nächst diesem ist wohl zu erwegen, daß die Unendlichkeit der Theile, welche durch die geometrischen Beweise herausgebracht wird, weiter nichts zusagen hat, als daß man die Anzahl der Theile in einer gegebenen Grösse durch kei- ne determinirte Zahl ausdrucken kan.
Und
und der Natur der Coͤrper.
denen moͤglichen Theilen als einen Theil annehmenkan, welchen man will. Daß es mit den Theilen in Linien, Flaͤchen und geometriſchen Coͤrpern eben die Bewandnis habe, darf man um ſoviel weniger zweif- feln, je gewiſſer es iſt, daß ſich alle Zahlen durch Linien, Flaͤchen und Coͤrper vorſtellen laſſen und in der Mathematick in der That dazu gebrauchet werden, daß man die Groͤſſe deutlich erkennen lernet: welches alles hier deutlich auszufuͤhren, weder Ort, noch andere Umſtaͤnde leiden wollen. Es laſſen ſich demnach die mathematiſchen Be- weiſe keinesweges auf die Materie, wie ſie in der Natur angetroffen werden, deuten. Und kan man, wie aus dem, was bishero geſaget worden, uͤberfluͤßig abzunehmen, in der Natur keinen Theilen ſtat vergoͤnnen, als deren Gegenwart entweder die Erfahrung zeiget, oder auch die Vernunfft durch die Verknuͤpffung mit dieſen erſteren erweiſet. Wer anders verfaͤhret, der muß ſich gefal- len laſſen, daß er in allerhand Wiederſpruͤ- che verfaͤllet und die Wahrheit in Erkaͤntnis der Natur nicht erreichet. Naͤchſt dieſem iſt wohl zu erwegen, daß die Unendlichkeit der Theile, welche durch die geometriſchen Beweiſe herausgebracht wird, weiter nichts zuſagen hat, als daß man die Anzahl der Theile in einer gegebenen Groͤſſe durch kei- ne determinirte Zahl ausdrucken kan.
Und
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[15/0051]
und der Natur der Coͤrper.
denen moͤglichen Theilen als einen Theil
annehmenkan, welchen man will. Daß
es mit den Theilen in Linien, Flaͤchen und
geometriſchen Coͤrpern eben die Bewandnis
habe, darf man um ſoviel weniger zweif-
feln, je gewiſſer es iſt, daß ſich alle Zahlen
durch Linien, Flaͤchen und Coͤrper vorſtellen
laſſen und in der Mathematick in der That
dazu gebrauchet werden, daß man die
Groͤſſe deutlich erkennen lernet: welches
alles hier deutlich auszufuͤhren, weder Ort,
noch andere Umſtaͤnde leiden wollen. Es
laſſen ſich demnach die mathematiſchen Be-
weiſe keinesweges auf die Materie, wie ſie in
der Natur angetroffen werden, deuten. Und
kan man, wie aus dem, was bishero geſaget
worden, uͤberfluͤßig abzunehmen, in der
Natur keinen Theilen ſtat vergoͤnnen, als
deren Gegenwart entweder die Erfahrung
zeiget, oder auch die Vernunfft durch die
Verknuͤpffung mit dieſen erſteren erweiſet.
Wer anders verfaͤhret, der muß ſich gefal-
len laſſen, daß er in allerhand Wiederſpruͤ-
che verfaͤllet und die Wahrheit in Erkaͤntnis
der Natur nicht erreichet. Naͤchſt dieſem
iſt wohl zu erwegen, daß die Unendlichkeit
der Theile, welche durch die geometriſchen
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zuſagen hat, als daß man die Anzahl der
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/51>, abgerufen am 21.11.2024.
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