sen, ehe man in der See zu Observatio- nen und Versuchen schreiten kan.
Warum sich das Wasser in der See von Morgen gegen A- bend be- weget.
§. 353.
Das Wasser in der See bewe- get sich beständig von Morgen gegen Abend, dergestalt daß auch der stärckste Wind, der von Abend bläset, seinen Lauff nicht ändern kan: woraus erfolget, daß die Bewegung, welche das Wasser vor sich hat in seinem ordentlichen Lauffe, viel stärcker ist als die- jenige, welche es durch die Krafft des stärcksten Windes erhalten kan. Die Erde beweget sich von Abend gegen Mor- gen umb ihre Axe (§. 175) und demnach hat das Wasser in der See eine ihr entge- gen gesetzte Bewegung. Weil nun die See umb die gantze Erde herum gehet, wie auch daraus erhellet, daß man sie mehr als einmahl umbschiffet hat (§. 5. Geogr.); so hat es mit ihrer Bewegung eine andere Bewandnis als mit der Bewegung der Flüsse (§. 346.). Und daher setzet es gros- se Schwierigkeiten, wo man die Ursache zu dieser Bewegung suchen soll; da man in dem Grunde des grossen Behältnisses der See dergleichen nicht findet. Die Be- wegung der See von Morgen gegen Abend spüret man am allerdeutlichsten in dem hi- tzigen Striche zwischen den beyden Tro- picis oder Wende-Circuln, und daselbst ob- serviret man auch, daß der Wind bestän- dig von Morgen gegen Abend bläset, nur
daß
Cap. IX. Von dem Waſſer
ſen, ehe man in der See zu Obſervatio- nen und Verſuchen ſchreiten kan.
Warum ſich das Waſſer in der See von Morgen gegen A- bend be- weget.
§. 353.
Das Waſſer in der See bewe- get ſich beſtaͤndig von Morgen gegen Abend, dergeſtalt daß auch der ſtaͤrckſte Wind, der von Abend blaͤſet, ſeinen Lauff nicht aͤndern kan: woraus erfolget, daß die Bewegung, welche das Waſſer vor ſich hat in ſeinem ordentlichen Lauffe, viel ſtaͤrcker iſt als die- jenige, welche es durch die Krafft des ſtaͤrckſten Windes erhalten kan. Die Erde beweget ſich von Abend gegen Mor- gen umb ihre Axe (§. 175) und demnach hat das Waſſer in der See eine ihr entge- gen geſetzte Bewegung. Weil nun die See umb die gantze Erde herum gehet, wie auch daraus erhellet, daß man ſie mehr als einmahl umbſchiffet hat (§. 5. Geogr.); ſo hat es mit ihrer Bewegung eine andere Bewandnis als mit der Bewegung der Fluͤſſe (§. 346.). Und daher ſetzet es groſ- ſe Schwierigkeiten, wo man die Urſache zu dieſer Bewegung ſuchen ſoll; da man in dem Grunde des groſſen Behaͤltniſſes der See dergleichen nicht findet. Die Be- wegung der See von Morgen gegen Abend ſpuͤret man am allerdeutlichſten in dem hi- tzigen Striche zwiſchen den beyden Tro- picis oder Wende-Circuln, und daſelbſt ob- ſerviret man auch, daß der Wind beſtaͤn- dig von Morgen gegen Abend blaͤſet, nur
daß
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Cap. IX. Von dem Waſſer
ſen, ehe man in der See zu Obſervatio-
nen und Verſuchen ſchreiten kan.
§. 353. Das Waſſer in der See bewe-
get ſich beſtaͤndig von Morgen gegen Abend,
dergeſtalt daß auch der ſtaͤrckſte Wind, der
von Abend blaͤſet, ſeinen Lauff nicht aͤndern
kan: woraus erfolget, daß die Bewegung,
welche das Waſſer vor ſich hat in ſeinem
ordentlichen Lauffe, viel ſtaͤrcker iſt als die-
jenige, welche es durch die Krafft des
ſtaͤrckſten Windes erhalten kan. Die
Erde beweget ſich von Abend gegen Mor-
gen umb ihre Axe (§. 175) und demnach
hat das Waſſer in der See eine ihr entge-
gen geſetzte Bewegung. Weil nun die
See umb die gantze Erde herum gehet, wie
auch daraus erhellet, daß man ſie mehr als
einmahl umbſchiffet hat (§. 5. Geogr.);
ſo hat es mit ihrer Bewegung eine andere
Bewandnis als mit der Bewegung der
Fluͤſſe (§. 346.). Und daher ſetzet es groſ-
ſe Schwierigkeiten, wo man die Urſache zu
dieſer Bewegung ſuchen ſoll; da man in
dem Grunde des groſſen Behaͤltniſſes der
See dergleichen nicht findet. Die Be-
wegung der See von Morgen gegen Abend
ſpuͤret man am allerdeutlichſten in dem hi-
tzigen Striche zwiſchen den beyden Tro-
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ſerviret man auch, daß der Wind beſtaͤn-
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/556>, abgerufen am 22.11.2024.
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