zur Zeit des Neu- und Vollmonds sey der- selbe in B und D wo der kleine Diameter ist: zur Zeit der Viertel aber in C und A, wo der grosse Diameter ist, und dannenhero wird der Raum zwischen dem Mond und der Erde enger im Neu- und Voll-Mond, hingegen weiter im ersten und letzten Vier- tel.
Welche von bey- den Mei- nungen mehr Wahr- schein- lichkeit hat.
§. 359.
Wenn man die Keplerische von dem Herrn Newton verbesserte Theo- rie mit Cartesii Meinung vergleichet; so wird man finden, daß in jener sich der Grund von allem, was man von der Ebbe und Fluth observiret, viel natürlicher, das ist, auf ei- ne begreiflichere Weise zeigen lässet, als nach der letztern, auch in jener nicht so viel nach Gefallen angenommen wird, als in dieser. Und demnach hat schon dadurch dasjenige, was Herr Newton behauptet, mehr Wahr- scheinlichkeit als was Cartesius vorgiebet. Uberdieses aber sind wichtige Knoten in Cartesii Meinung aufzulösen, die man in der Newtonischen Theorie nicht findet. Nemlich nach Cartesii Vorgeben ist das Wasser unter dem Mond niedriger und ei- nen Quadranten von ihm oder im sechsten Stunden Circul beyderseits die Fluth: da bisher alle, welche von der Fluth aus eige- ner Erfahrung geschrieben, einhellig beken- nen, daß unter dem Mond die Wasser auf- schwellen, wie es auch die Keplerische und
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Cap. IX. Von dem Waſſer
zur Zeit des Neu- und Vollmonds ſey der- ſelbe in B und D wo der kleine Diameter iſt: zur Zeit der Viertel aber in C und A, wo der groſſe Diameter iſt, und dannenhero wird der Raum zwiſchen dem Mond und der Erde enger im Neu- und Voll-Mond, hingegen weiter im erſten und letzten Vier- tel.
Welche von bey- den Mei- nungen mehr Wahr- ſchein- lichkeit hat.
§. 359.
Wenn man die Kepleriſche von dem Herrn Newton verbeſſerte Theo- rie mit Carteſii Meinung vergleichet; ſo wird man finden, daß in jener ſich der Grund von allem, was man von der Ebbe und Fluth obſerviret, viel natuͤrlicher, das iſt, auf ei- ne begreiflichere Weiſe zeigen laͤſſet, als nach der letztern, auch in jener nicht ſo viel nach Gefallen angenommen wird, als in dieſer. Und demnach hat ſchon dadurch dasjenige, was Herr Newton behauptet, mehr Wahr- ſcheinlichkeit als was Carteſius vorgiebet. Uberdieſes aber ſind wichtige Knoten in Carteſii Meinung aufzuloͤſen, die man in der Newtoniſchen Theorie nicht findet. Nemlich nach Carteſii Vorgeben iſt das Waſſer unter dem Mond niedriger und ei- nen Quadranten von ihm oder im ſechſten Stunden Circul beyderſeits die Fluth: da bisher alle, welche von der Fluth aus eige- ner Erfahrung geſchrieben, einhellig beken- nen, daß unter dem Mond die Waſſer auf- ſchwellen, wie es auch die Kepleriſche und
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Cap. IX. Von dem Waſſer
zur Zeit des Neu- und Vollmonds ſey der-
ſelbe in B und D wo der kleine Diameter
iſt: zur Zeit der Viertel aber in C und A,
wo der groſſe Diameter iſt, und dannenhero
wird der Raum zwiſchen dem Mond und
der Erde enger im Neu- und Voll-Mond,
hingegen weiter im erſten und letzten Vier-
tel.
§. 359. Wenn man die Kepleriſche
von dem Herrn Newton verbeſſerte Theo-
rie mit Carteſii Meinung vergleichet; ſo
wird man finden, daß in jener ſich der Grund
von allem, was man von der Ebbe und Fluth
obſerviret, viel natuͤrlicher, das iſt, auf ei-
ne begreiflichere Weiſe zeigen laͤſſet, als nach
der letztern, auch in jener nicht ſo viel nach
Gefallen angenommen wird, als in dieſer.
Und demnach hat ſchon dadurch dasjenige,
was Herr Newton behauptet, mehr Wahr-
ſcheinlichkeit als was Carteſius vorgiebet.
Uberdieſes aber ſind wichtige Knoten in
Carteſii Meinung aufzuloͤſen, die man in
der Newtoniſchen Theorie nicht findet.
Nemlich nach Carteſii Vorgeben iſt das
Waſſer unter dem Mond niedriger und ei-
nen Quadranten von ihm oder im ſechſten
Stunden Circul beyderſeits die Fluth: da
bisher alle, welche von der Fluth aus eige-
ner Erfahrung geſchrieben, einhellig beken-
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 546. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/582>, abgerufen am 22.11.2024.
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