Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. X. Von denen Dingen,
fen wir nun weiter nicht zweiffeln, daß die
Erdbeben keine andere Ursache als einen
Schwefel-Dampff haben, der sich entzün-
det, und die grosse Krafft, wodurch sie erre-
get werden, keine andere als die ausdehnen-
de Krafft dieses entzündeten Dampffes sey.
Wenn man nun fraget, wie sich dieser
Dampff entzündet; so haben wir sehon an-
derswo (§. 142 T. II. Expet.) gezeiget, daß
ein Schwefel-Dampff sich von selbsten un-
ter der Erde entzünden kan, wenn er in Men-
ge verhalten wird. Und demnach haben
wir auch hier nicht nöthig eine andere Ursa-
che zu suchen, zumahl da wir wissen, daß die-
ser Dampff warm ist, die Wärme und
Feuer aber nur dem Grade nach von einan-
der unterschieden (§. 130 T. II. Ex.). Es lehret
die Erfahrung, daß, wenn sie Feuer speyen,
gemeiniglich ein starcker Sturm vorherge-
het: woraus zu vermuthen, daß dadurch der
Dampff, welcher sonst in die freye Lufft ge-
hen würde, innerhalb der Erde zurücke ge-
halten wird. Wenn aber auch gleich ein
Erdbeben an solchen Orten verspüret wird,
wo keine unterirrdische Höhlen mit Schwe-
fel-Gängen anzutreffen seyn: so lässet sichs
leicht begreiffen, daß dasselbe seinen Ursprung
anderswo hat und sich nur bis an denselben
erstrecket. Daher man gar eigentlich mer-
cket, daß je weiter man von demjenigen Or-
te entfernet, wo die Ursache des Erdbebens

an-

Cap. X. Von denen Dingen,
fen wir nun weiter nicht zweiffeln, daß die
Erdbeben keine andere Urſache als einen
Schwefel-Dampff haben, der ſich entzuͤn-
det, und die groſſe Krafft, wodurch ſie erre-
get werden, keine andere als die ausdehnen-
de Krafft dieſes entzuͤndeten Dampffes ſey.
Wenn man nun fraget, wie ſich dieſer
Dampff entzuͤndet; ſo haben wir ſehon an-
derswo (§. 142 T. II. Expet.) gezeiget, daß
ein Schwefel-Dampff ſich von ſelbſten un-
ter der Erde entzuͤnden kan, wenn er in Men-
ge verhalten wird. Und demnach haben
wir auch hier nicht noͤthig eine andere Urſa-
che zu ſuchen, zumahl da wir wiſſen, daß die-
ſer Dampff warm iſt, die Waͤrme und
Feuer aber nur dem Grade nach von einan-
der unterſchieden (§. 130 T. II. Ex.). Es lehret
die Erfahrung, daß, wenn ſie Feuer ſpeyen,
gemeiniglich ein ſtarcker Sturm vorherge-
het: woraus zu vermuthen, daß dadurch der
Dampff, welcher ſonſt in die freye Lufft ge-
hen wuͤrde, innerhalb der Erde zuruͤcke ge-
halten wird. Wenn aber auch gleich ein
Erdbeben an ſolchen Orten verſpuͤret wird,
wo keine unterirrdiſche Hoͤhlen mit Schwe-
fel-Gaͤngen anzutreffen ſeyn: ſo laͤſſet ſichs
leicht begreiffen, daß daſſelbe ſeinen Urſprung
anderswo hat und ſich nur bis an denſelben
erſtrecket. Daher man gar eigentlich mer-
cket, daß je weiter man von demjenigen Or-
te entfernet, wo die Urſache des Erdbebens

an-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0634" n="598"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Cap. X.</hi> Von denen Dingen,</hi></fw><lb/>
fen wir nun weiter nicht zweiffeln, daß die<lb/>
Erdbeben keine andere Ur&#x017F;ache als einen<lb/>
Schwefel-Dampff haben, der &#x017F;ich entzu&#x0364;n-<lb/>
det, und die gro&#x017F;&#x017F;e Krafft, wodurch &#x017F;ie erre-<lb/>
get werden, keine andere als die ausdehnen-<lb/>
de Krafft die&#x017F;es entzu&#x0364;ndeten Dampffes &#x017F;ey.<lb/>
Wenn man nun fraget, wie &#x017F;ich die&#x017F;er<lb/>
Dampff entzu&#x0364;ndet; &#x017F;o haben wir &#x017F;ehon an-<lb/>
derswo (§. 142 <hi rendition="#aq">T. II. Expet.</hi>) gezeiget, daß<lb/>
ein Schwefel-Dampff &#x017F;ich von &#x017F;elb&#x017F;ten un-<lb/>
ter der Erde entzu&#x0364;nden kan, wenn er in Men-<lb/>
ge verhalten wird. Und demnach haben<lb/>
wir auch hier nicht no&#x0364;thig eine andere Ur&#x017F;a-<lb/>
che zu &#x017F;uchen, zumahl da wir wi&#x017F;&#x017F;en, daß die-<lb/>
&#x017F;er Dampff warm i&#x017F;t, die Wa&#x0364;rme und<lb/>
Feuer aber nur dem Grade nach von einan-<lb/>
der unter&#x017F;chieden (§. 130 <hi rendition="#aq">T. II. Ex.</hi>). Es lehret<lb/>
die Erfahrung, daß, wenn &#x017F;ie Feuer &#x017F;peyen,<lb/>
gemeiniglich ein &#x017F;tarcker Sturm vorherge-<lb/>
het: woraus zu vermuthen, daß dadurch der<lb/>
Dampff, welcher &#x017F;on&#x017F;t in die freye Lufft ge-<lb/>
hen wu&#x0364;rde, innerhalb der Erde zuru&#x0364;cke ge-<lb/>
halten wird. Wenn aber auch gleich ein<lb/>
Erdbeben an &#x017F;olchen Orten ver&#x017F;pu&#x0364;ret wird,<lb/>
wo keine unterirrdi&#x017F;che Ho&#x0364;hlen mit Schwe-<lb/>
fel-Ga&#x0364;ngen anzutreffen &#x017F;eyn: &#x017F;o la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ichs<lb/>
leicht begreiffen, daß da&#x017F;&#x017F;elbe &#x017F;einen Ur&#x017F;prung<lb/>
anderswo hat und &#x017F;ich nur bis an den&#x017F;elben<lb/>
er&#x017F;trecket. Daher man gar eigentlich mer-<lb/>
cket, daß je weiter man von demjenigen Or-<lb/>
te entfernet, wo die Ur&#x017F;ache des Erdbebens<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">an-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[598/0634] Cap. X. Von denen Dingen, fen wir nun weiter nicht zweiffeln, daß die Erdbeben keine andere Urſache als einen Schwefel-Dampff haben, der ſich entzuͤn- det, und die groſſe Krafft, wodurch ſie erre- get werden, keine andere als die ausdehnen- de Krafft dieſes entzuͤndeten Dampffes ſey. Wenn man nun fraget, wie ſich dieſer Dampff entzuͤndet; ſo haben wir ſehon an- derswo (§. 142 T. II. Expet.) gezeiget, daß ein Schwefel-Dampff ſich von ſelbſten un- ter der Erde entzuͤnden kan, wenn er in Men- ge verhalten wird. Und demnach haben wir auch hier nicht noͤthig eine andere Urſa- che zu ſuchen, zumahl da wir wiſſen, daß die- ſer Dampff warm iſt, die Waͤrme und Feuer aber nur dem Grade nach von einan- der unterſchieden (§. 130 T. II. Ex.). Es lehret die Erfahrung, daß, wenn ſie Feuer ſpeyen, gemeiniglich ein ſtarcker Sturm vorherge- het: woraus zu vermuthen, daß dadurch der Dampff, welcher ſonſt in die freye Lufft ge- hen wuͤrde, innerhalb der Erde zuruͤcke ge- halten wird. Wenn aber auch gleich ein Erdbeben an ſolchen Orten verſpuͤret wird, wo keine unterirrdiſche Hoͤhlen mit Schwe- fel-Gaͤngen anzutreffen ſeyn: ſo laͤſſet ſichs leicht begreiffen, daß daſſelbe ſeinen Urſprung anderswo hat und ſich nur bis an denſelben erſtrecket. Daher man gar eigentlich mer- cket, daß je weiter man von demjenigen Or- te entfernet, wo die Urſache des Erdbebens an-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/634
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 598. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/634>, abgerufen am 17.06.2024.